Österreichischer Film Gender Report
Wien (filminstitut) - Einem parlamentarischen Entschließungsantrag folgend gaben das Österreichische
Filminstitut und das Bundeskanzleramt im Jahr 2017 die Erstellung eines „Film Gender Reports“ in Auftrag. Die Umsetzung
übernahmen Ao. Univ.-Prof.in Dr.in Mag.a Eva Flicker und Lena Lisa Vogelmann, BA BA, vom Institut für
Soziologie der Universität Wien. Der am 7. Mai im Bundeskanzleramt präsentierte Bericht untersucht die
Geschlechterverhältnisse im Filmschaffen erstmals österreichweit und umfassend, um Transparenz und Bewusstsein
zu schaffen und bestehende Maßnahmen zu evaluieren. Die Ergebnisse attestieren dem österreichischen
Filmsektor eklatante und in allen Bereichen bestehende ungleiche Geschlechterverhältnisse. Eine periodische
Weiterführung des Reports ist geplant.
Die auf den Webseiten von Filminstitut und Bundeskanzleramt veröffentlichten Zentralen Ergebnisse des Berichts
zu den Jahren 2012-2016 basiert auf Daten, die von elf nationalen und regionalen Förderungsinstitutionen,
13 österreichischen Filmfestivals sowie der Filmakademie Wien zur Verfügung gestellt wurden. Inhaltlich
analysiert wurden zudem 100 österreichische Kinospielfilme, die im Beobachtungszeitraum veröffentlicht
wurden.
Ausbildung
Im Detail zeigen die zentralen Ergebnisse, dass die Geschlechterverhältnisse in den Ausbildungsinstitutionen
die Situation im Filmschaffen widerspiegeln. Wiens renommierte Filmakademie an der Universität für Musik
und Darstellende Kunst bildete im Untersuchungszeitraum jährlich nahezu ebenso viele Frauen(47%)wie Männer
aus. Auf Seite der Lehrenden sind jedoch nur 10% der Professuren weiblich besetzt, nur 30% aller Lehrenden sind
Frauen.
Bezahlung
Frauen werden schlechter bezahlt: Auch die Filmbranche weist eine über alle Gewerke (Stabstellen)reichende
Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern auf. Dieser „Gender Pay Gap“ umfasst gesamtdurchschnittlich etwa
5 Prozentpunkte und ist im Bereich Regie am größten: Ein Viertel aller Regisseur*innen waren Frauen,
erhielten aber nur ein Fünftel aller Honorare.
Dies bestätigte auch Filmregisseurin Sabine Derflinger: „In meinen Anfangsjahren wurden mir immer wieder 40%
weniger Honorar als meinen männlichen Kollegen angeboten, die auch nicht mehr Erfahrung hatten“. Sie sprach
sich in ihrem Statement zudem für eine „50:50-Quote für Regisseurinnen“ aus.
Filmische Inhalte
Männer werden in ihrer filmischen Darstellung differenziert dargestellt: In einer Gegenüberstellung
der Filminhalte mit Fokus auf die Hauptfiguren bestanden 85% der Kinospielfilme den „Bechdel-Wallace-Test“ für
männliche Figuren. Das bedeutet: Es gab mindestens zwei Männer, die miteinander sprachen und zwar über
etwas anderes als eine Frau. Hingegen bestanden nur 53% der Filme den Test für weibliche Filmfiguren (Mindestens
zwei Frauen sprachen miteinander und über etwas anderes als einen Mann.) Die Untersuchung ergab auch, dass
Filmteams mit hohem Frauenanteil häufiger Figuren auf die Leinwand bringen, die den „Bechdel-Wallace-Test“
bestehen. In den 100 analysierten Filmen war die körperliche Attraktivität weiblicher Filmfiguren dreimal
häufiger Gesprächsthema als die Attraktivität männlicher Figuren.
Zu diesem Aspekt stellte Regisseur und Produzent Arash T. Riahi fest, dass „die Genderdebatte die unsichtbaren
Schranken sogar in den Köpfen der vermeintlich Aufgeschlossenen geöffnet hat. Mit einer viel größeren
Selbstverständlichkeit beobachte ich, wie männliche Hauptfiguren in Drehbüchern plötzlich zu
weiblichen Hauptfiguren und beiläufig geschriebene weibliche Nebenfiguren in Drehbüchern zu vielschichtigeren
Frauenfiguren werden und Filme dadurch komplexer machen“. Er ist überzeugt davon, „dass es notwendig ist -
auch wenn man wie ich eine sehr liberale Erziehung genossen hat - immer wieder an die Gleichstellung von Frauen
und Männern erinnert zu werden, um sie nicht nur zu denken, sondern auch zu leben“.
Filmförderung
Frauen erhielten durchschnittlich weniger Förderung. Im Bereich hoher Förderbeträge waren Frauen
nicht vorhanden: Beträge über 1 Mio. Euro gingen ausschließlich an Projekte mit mehrheitlichem
Männeranteil im Stab. Mehr als die Hälfte der Filme mit hohem Frauenanteil erhielt Fördergelder
von unter 50.000 Euro. Der mit 92% klar männlich dominierte österreichische Kinoverleih vermag die an
den Rand gedrängten Filme mit einem hohem Frauenanteil (von über 75%) in den Stabstellen nicht aus der
Marginalisierung herauszuholen.
Filmfestivals
Filme von Regisseurinnen werden auf österreichischen Filmfestivals im Verhältnis zu ihrer Programmierung
(knapp ein Viertel aller Langfilme wurden von Regisseurinnen inszeniert) überproportional häufig prämiert
– sowohl vom Publikum als auch von Wettbewerbsjurys. Dennoch erhalten sie im Durchschnitt weniger an Preisgeldern.
Die Differenz steigt mit zunehmender Höhe der Preisgelder und ist bei den drei höchstdotierten Preisen
am größten.
Um das Ziel einer tatsächlichen Geschlechtervielfalt im österreichischen Filmschaffen zu erreichen –
von der Ausbildung über die Filmproduktion und –gestaltung, über die Schließung der Lohnschere
und eine gleiche Mittelverteilung an Frauen und Männer bis zur Prämierung und Sichtbarkeit der Filme
in Kinos und auf Festivals – besteht weiterhin Handlungsbedarf. Dies unterstreichen die Ergebnisse des vorliegenden
Berichts. So fordert der Verein FC GLORIA in einer ersten Reaktion „ehebaldige Beseitigung der Ungleichstellung
von Frauen im österreichischen Film. Die dafür notwendigen strukturellen Maßnahmen (Quoten etc.)
betreffen alle Bereiche in der Filmbranche von der Ausbildung bis zum Verleih und sie betreffen alle Filmschaffende.“
Eine Reihe von Maßnahmen wie Preise, Workshops, Gremien-Neubesetzungen und ein „Gender Incentive“ im Rahmen
der Förderung des Österreichischen Filminstituts wurden in den letzten Jahren gesetzt, deren Auswirkungen
jedoch erst bei künftigen Filmen und Reports ersichtlich sein werden.
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