Wien (öaw) - Auf der neuen Onlineplattform „Sammlung Woldan“ sind seit Kurzem über 380 wertvolle historische
Landkarten aus den bedeutenden Originalbeständen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften digitalisiert
und frei im Web einzusehen. Darunter befinden sich seltene Unikate, wie die Wieder-Woldan-Karte, die kurz vor der
Entdeckung Amerikas im 15. Jahrhundert entstanden ist.
Vor GPS und Google Maps navigierten sich die Menschen mit Kompass und Landkarten durch die Welt. Doch im Gegensatz
zu Smartphone und Navi waren frühe Karten weit mehr als ein praktisches Orientierungsmittel. Sie vermittelten
politische Weltbilder als auch utopische Visionen und spiegelten über die Jahrhunderte hinweg den Wissensstand
ihrer Zeit.
Alte Kartografie trifft moderne Technologie
Auch Erich Woldan war von solchen historischen Darstellungen der Erde beeindruckt. Der Wiener Jurist und Privatgelehrte
(1901-1989) war ein leidenschaftlicher Sammler von Globen, Karten, Atlanten und anderen geographischen Werken.
Nach seinem Tod vermachte der langjährige Leiter der Bibliothek der Geographischen Gesellschaft in Wien seine
beachtliche Sammlung von rund 20.000 geographiehistorischen Werken – die als eine der bedeutendsten mitteleuropäischen
Privatkollektionen alter Karten gilt – der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Nach Abschluss eines fast dreijährigen Digitalisierungsprojekts an der ÖAW sind nun über 380 Kartenblätter
aus dem 15. bis 20. Jahrhundert aus Woldans Sammlung wissenschaftlich aufbereitet und digital für jedermann
frei zugänglich. „Mit dieser virtuellen Kartensammlung teilen wir unsere wertvollen Kartenschätze nun
mit der ganzen Welt in Open Access“, sagt Sibylle Wentker, Leiterin von Bibliothek, Archiv und Sammlungen der ÖAW.
Wiener Bezirke noch ohne Häuser
Was das Besondere an diesem Sammlungsportal ist: Die hochauflösenden Scans wurden punktgenau den geographischen
Koordinaten zugewiesen – „georeferenziert“, wie es in der Fachsprache heißt. Das macht sie sowohl mit modernen
Karten, etwa in Google Earth, als auch mit historischen Karten aus anderen Sammlungen vergleichbar.
Wie zum Beispiel auf dem „Vogelschauplan Wiens“ aus der Zeit Maria Theresias: In dem wandgroßen Wiener Stadtplan
aus dem Jahr 1778 kann man dank hochauflösender Scans detailgenau in die Straßen Wiens hineinzoomen
und eine moderne Straßenansicht von Google Earth eins-zu-eins darüberlegen. Der unmittelbare Vergleich
zwischen damals und heute zeigt dann etwa, welche Wiener Bezirke im 18. Jahrhundert noch Weideland waren oder was
sich damals auf dem Grundstück des eigenen Wohnhauses befand.
Online im Weltwissen stöbern
Ein direkter Straßenvergleich ist im Fall der mittelalterlichen Wieder-Woldan Weltkarte zwar nicht möglich.
Aber die weltweit einzigartige Karte ist aus kosmographischer Sicht besonders wertvoll. Die Welt anno 1485, sieben
Jahre vor der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, war nur halb so groß. Der Indische Ozean ist
ein Binnenmehr. Jerusalem befindet sich im Zentrum. Und am östlichen Rand der Karte ist das Paradies eingezeichnet,
aus dem die vier Paradiesströme Nil, Euphrat, Tigris und Ganges fließen.
Diese und eine Vielzahl von weiteren historischen Raritäten können ab sofort im virtuellen Kartenportal
„Sammlung Woldan“ eingesehen und kostenfrei heruntergeladen werden. Neben hochauflösenden Bildern sind auch
Hintergrundinformationen zu den Objekten abrufbar.
Bei den bisher 380 Kartenblättern soll es zukünftig aber nicht bleiben. Die virtuelle Sammlung wird laufend
um weitere Werke erweitert. Nutzer/innen haben zudem die Möglichkeit, aktiv ihren Beitrag zum aktuellen Wissensstand
zu leisten, indem sie Änderungen oder Ergänzungen zu den Karten übermitteln können. „Unser
Ziel ist es, dieses digital frei zugängliche Kartenportal der ÖAW beständig zu erweitern, damit
neues Wissen entstehen und weitergegeben werden kann“, betont Projektleiter Gerhard Holzer.
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