Linz (lk) - Im Rahmen einer Pressekonferenz im Landhaus in Linz informierte Sozial- Landesrätin Birgit
Gerstorfer am 16. Mai gemeinsam mit Dr.in Bettina Christian, Leiterin der Gruppe "Förderung und Entlastung
von Familien", und Cornelia Leibetseder, Leitende Sozialarbeiterin, zum Thema Kinder- und Jugendhilfe in Oberösterreich.
7.000 Kinder erhalten mobile Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe
In Oberösterreich leben aktuell rund 268.500 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Davon benötigen
3,3 % Hilfe und Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe. In der Öffentlichkeit wird die Kinder-
und Jugendhilfe meist mit sehr schwierigen Familien- verhältnissen und dramatischen Situationen in Verbindung
gebracht. Dabei ist der Anteil an Kindern, die nicht in ihrer Familie aufwachsen können, sehr gering. Das
sind seit vielen Jahren konstant nur 0,7 % (1.880) aller Kinder und Jugendlichen. Sehr viel größer ist
der Anteil an Hilfen, die Familien zu Hause unterstützen. Im Jahr 2017 haben mehr als 7.000 Kinder und Jugendliche
bzw. ihre Familien in irgendeiner Form mobile Unterstützung erhalten. Das bedeutet, dass 80 % aller Unterstützungen
in den Familien als mobile Hilfen geleistet werden. "Durch diese mobile Unterstützung wird den Kindern
und Jugendlichen ein gesichertes Heranwachsen - im Rahmen der eingenen Familie - ermöglicht. Ziel ist es,
dass die Eltern wieder in die Lage kommen, Pflege und Erziehung selbst wahrnehmen zu können", betont
Sozial-Landesrätin Birgit Gerstorfer.
Bei den mobilen Hilfen unterscheidet die Kinder- und Jugendhilfe zwischen Hilfen, die auf Grund einer Kindeswohlgefährdung
eingesetzt werden (Unterstützung der Erziehung) und Hilfen in belasteten Familiensituationen (Hilfen ohne
Kindeswohlgefährdung). 2014 ist das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz in Kraft getreten. In den 10 Jahren
davor hatten sich die Fallzahlen in der Unterstützung der Erziehung mehr als verdoppelt. Aus diesem Grund
wurde die Möglichkeit gestärkt, Familien auch präventiv (also noch bevor eine Gefährdung feststellbar
ist) Hilfen anzubieten. Solche Leistungen sind für alle Familien mit Kindern zugänglich, die in einer
bestimmten Lebenssituation Rat und Hilfe brauchen:
Egal, ob es sich um die Erschöpfung handelt, wenn ein Baby nächtelang durchschreit, um ein Kind, das
plötzlich nicht mehr in die Schule gehen will, oder den pubertierenden Jugendlichen, der so gar nicht mehr
an den lieben Kleinen erinnert, der er einmal war... . Solche Situationen kennt praktisch jeder. Noch vor ein,
zwei Generationen mussten Familien durch solche Zeiten "einfach durch". Mittlerweile hat sich aber die
Einsicht durchgesetzt, dass es durchaus Hilfe bei diesen Problemen geben kann. Wird Unterstützung rechtzeitig
angenommen, können spätere tiefergreifende Probleme oft vermieden werden. Es war der richtige Weg, die
präventiven Angebote auszubauen und möglichst früh anzusetzen, denn durch den richtigen Umgang mit
den Kleinsten der Gesellschaft können viele Probleme in der späteren Entwicklung der Kinder vermieden
werden", sagt Birgit Gerstorfer.
Die Kinder- und Jugendhilfe verfügt über ein differenziertes Angebot an Hilfen, das von allgemein zugänglichen
bis zu ganz individuellen Unterstützungen reicht.
Hilfe in belasteten Familiensituationen
Ein besonders flexibles Angebot der Kinder- und Jugendhilfe nennt sich Beratung und Hilfe in belasteten Familiensituationen.
Familien, die in der Versorgung, Betreuung und Erziehung ihrer Kinder Unterstützungsbedarf haben, erhalten
diese auch dann, wenn das Kindeswohl nicht gefährdet ist. Diese Unterstützung betrifft häufig sogenannte
Hilfen zur Erziehung und Alltagsbewältigung - z.B. Hilfen zur Bewältigung der Haushaltsführung und
Entlastung durch Unterstützung in der Alltags- und Familienorganisation (Organisation von Kinderbetreuung,
Unterstützung durch Schülerinternate, Kinderhorte oder Tagesmütter mit spezieller Ausrichtung, Begleitung
bei Behördenwegen/Anträgen für Familienleistungen,...).
Diese Hilfen sind grundsätzlich freiwillig, d.h., die Familie entscheidet, ob und wie lange sie das Angebot
annehmen will. Dieser Schwerpunkt wurde durch das Oö. KJHG 2014 möglich und wird seither auch gerne angenommen.
2017 wurden 2.439 solcher Hilfen durch die Sozialarbeiter/-innen der KJH zur Verfügung gestellt.
Erziehungs- und Familienberatung (EFB)
An den Erziehungs- und Familienberatungsstellen unterstützen Sozialarbeiter/innen, Psycholog/innen und
bei Bedarf weitere Fachkräfte (z.B. Jurist/innen) Familien mit Kindern unter 18 Jahren bei der Bewältigung
von familiären Problemen.
Immer wenn sich Eltern
- Sorgen wegen des Verhaltens ihrer Kinder machen,
- Gedanken über die Entwicklung ihrer Kinder machen,
- überlastet fühlen,
- wegen ihrer Kinder streiten,
- fragen, was ihre Kinder brauchen, wenn sie sich als Paar
trennen wollen oder
- mit rechtlichen Fragen bzgl. Sorgerechts-, Kontaktrechts-
oder Unterhaltsfragen konfrontiert sehen.
können sie sich an die EFB wenden. Das gilt genauso für Jugendliche, die mit sich selbst oder in ihrer
Familie Probleme haben. Es gibt in OÖ an sieben Bezirkshauptmannschaften EFBs, die eng mit der Kinder- und
Jugendhilfe zusammenarbeiten, nämlich in den Bezirken
Linz-Land, Wels-Land, Steyr-Land, Ried, Vöcklabruck, Perg und Freistadt. Im Jahr 2017 wurden 1.684 Beratungen
durchgeführt.
Dadurch, dass die Erziehungs- und Familienberatung in das Gesamtsystem der Kinder- und Jugendhilfe eingebettet
ist, können den Familien bei Bedarf auch alle anderen Unterstützungsangebote der KJH nahegebracht werden.
In einer Stelle (Freistadt) gibt es zusätzlich das Angebot der aufsuchenden Beratung, wenn es für sinnvoll
erachtet wird, Beratungen zu Hause im familiären Umfeld durchzuführen.
Erholungsangebote
Wenn der Alltag belastet ist, sind Auszeiten umso wichtiger.
Kindererholungsaktion und Kidsturnus
Jedes Jahr können 300 Kinder und Jugendliche von Familien, die durch die KJH betreut werden, spannende
und pädagogisch wertvolle Ferientage verbringen. Die Turnusse in Obertraun, Hinterstoder, Grünau oder
Weyregg am Attersee dauern jeweils zwei Wochen und sind immer ausgebucht.
Fast alle Kinder äußern sich begeistert über die vielfältigen Freizeitangebote und Projekte
und sind erpicht darauf, im Folgejahr wieder teilnehmen zu dürfen. Ein Kind erlebte dort seine allererste
Bergwanderung: "Das war schon anstrengend, aber wir haben es alle geschafft - und stell dir vor - ganz oben
am Gipfel gab´s ein braunes Haus, wo wir was zu essen und zu trinken bekommen haben...". Ein anderes
Kind berichtete davon, dass es mit seinen Zimmerkollegen aus Jux Papierkugeln aus dem Fenster geworfen hatte: "...Die
Betreuer sind dann d´rauf gekommen und die haben überhaupt nicht geschimpft, wir mussten halt das Papier
wieder einsammeln, die Betreuer haben uns sogar geholfen."
Urlaub für Alleinerziehende
Die KJH finanziert jährlich drei einwöchige Urlaube für alleinerziehende Mütter/Väter
ab 18 Jahren, die nur über ein geringes Familieneinkommen verfügen. Der Selbstbehalt pro Familie liegt
bei 50 Euro. Pro Turnus können 10 Familien mit max. 20 Kindern im Alter von bis zu 12 Jahren teilnehmen.
Das bedeutet Erholung und Entlastung durch eine Urlaubswoche mit Vollpension und zwei organisierten Ausflügen
sowie täglich einige Stunden Kinderbetreuung für die Ab-3- Jährigen. Meist haben sich diese Familien
noch nie oder schon sehr lange keinen Urlaub mehr leisten können und sind froh, sich einmal einfach zum Tisch
setzen zu können, ohne vorher kochen zu müssen.
Familientherapeutischer Erholungsurlaub
Dieser richtet sich an Familien mit Kindern im Alter von 2 - 13 Jahren, die ihre aktuelle
Lebenssituation verändern sollen und wollen, für eine regelmäßige Familientherapie jedoch
nur schwer oder nicht zu gewinnen sind. Voraussetzung für die Teilnahme an diesem organisierten und vor allem
betreuten Urlaub ist ein bereits bestehender Kontakt zur Kinder- und Jugendhilfe. Das therapeutische Angebot ist
fixer Bestandteil des Urlaubs.
FuN-Seminare
Manchen Eltern fällt es sehr schwer, ihren Erziehungsaufgaben nachzukommen und sich mit anderen Eltern
auszutauschen. Genau hier setzt das niederschwellige Bildungsprogramm für die ganze Familie an. Wenn Familien
sich mit anderen Familien regelmäßig beim FuN- Nachmittag treffen, können sie unter fachlicher
Begleitung voneinander und miteinander lernen, wie Familienalltag gut gelingen kann. Sie erleben dort Alltagsituationen
wie gemeinsames Kochen, Essen, Beschäftigung mit Kindern und erhalten Anregungen zu einem altersgemäßen
Umgang mit ihren Kindern und mehr Sicherheit in der Erziehung. Die FuN-Seminare verzeichneten im Vorjahr 322 Teilnahmen.
Kinderschutzzentren
Auch die Leistungen der Kinderschutzzentren erfolgen im Rahmen der Beratung und Hilfe in belasteten Familiensituationen.
Kinderschutzzentren sind spezialisierte Beratungs- und Therapieeinrichtungen bei Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung
von Minderjährigen.
Kinder, die von Gewalt betroffen sind, brauchen umfassende Hilfe und Unterstützung. Die Kinderschutzzentren
bieten Therapie und Beratung im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe an. Auch die Unterstützung von Helfersystemen
- wie z.B. Kindergärten und Schulen - gehören zu ihrem Aufgabenbereich. Außerdem begleiten sie
Kinder, die von Gewalt betroffen sind, im Rahmen der Prozessbegleitung bei Gerichtsverfahren.
Die Kinder- und Jugendhilfe OÖ finanziert sechs Kinderschutzzentren, die (z.T. mit Außenstellen) jeweils
mehrere Bezirke versorgen. Standorte sind in Gmunden, Braunau, Linz, Wels, Steyr und Vöcklabruck. Im Jahr
2017 wurden dort 8.410 Beratungen und Therapien durchgeführt.
Andere Hilfen der Kinder- und Jugendhilfe richten sich speziell an bestimmte Altersgruppen:
Eltern-, Mutterberatung (EMB)
Gerade wenn ein Baby in eine Familie kommt, ergeben sich viele Fragen und Unsicherheiten. Die Mutterberatung
wurde bereits vor 100 Jahren ins Leben gerufen - ursprünglich rein auf die Gesundheitsvorsorge ausgerichtet,
vor allem um die hohe Säuglingssterblichkeit zu reduzieren.
Heute ist der Auftrag viel weiter gefasst, denn die ersten drei Lebensjahre sind für den Bindungsaufbau
und die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung prägend. Die Eltern-, Mutterberatung soll dazu beitragen, das
Wissen der Eltern über die Entwicklung und die Bedürfnisse ihrer Babys und Kleinkinder zu erhöhen
und ihr Handlungsrepertoire zu erweitern. Der hohe Bekanntheitsgrad und die fast ebenso hohe Akzeptanz der EMB
in der Öffentlichkeit ermöglichen einen breiten und niederschwelligen Zugang der Familien zu den dort
angebotenen Leistungen. Probleme und Störungen sollen durch vorbeugende Maßnahmen verhindert bzw. durch
frühzeitige Beratung und Behandlung gelöst werden.
Eine Besonderheit in Oberösterreich sind die frühkindlichen Kompetenzzentren, die es seit über
20 Jahren gibt: 1996 wurden mit den IGLU-Beratungsstellen die ersten dieser Zentren geschaffen, die in gut ausgestatteten
Räumlichkeiten Fachberatungen verschiedener Professionen anbieten. Heute gibt es fünf IGLU-Beratungsstellen
und sechs EMB- Leitstellen mit einem umfassenden Mindestangebot für Eltern und Kinder von 0 bis 3 Jahren:
- 2 x pro Monat "klassische EMB"
- 2 x pro Monat Psychologische Beratung
- 2 x pro Monat Still- und/oder Ernährungsberatung
- 2 x pro Monat Angebote wie z.B. Spielstube, Babytreff, Elterntreff,...
Spielstube, Babytreff und Elterntreff werden durch Fachpersonal mit Erfahrung im frühkindlichen Bereich begleitet.
Der Bedarf an Einzelberatungen hat mit den Jahren ständig zugenommen. Während in den Anfangsjahren
die Fachkräfte vermehrt als fachliche Begleitung in den offenen Treffpunkten gefragt waren, stieg seither
die Nachfrage an individueller Beratung stetig an: Jährlich werden rund 900 Termine für Psychologische
Einzelberatung und 1500 für sozialarbeiterische Beratung in Anspruch genommen.
Zusätzlich wurden 2017 33.400 Beratungen in der "klassischen" Eltern- Mutterberatung in 166 Stellen
in ganz OÖ durchgeführt.
Schulsozialarbeit (SuSA)
Auch der Schuleintritt bringt eine einschneidende Veränderung im Familienleben. Belastungen im Familienleben
können sich auf die Bewältigung von Schule und Lernen
spürbar auswirken. SuSA unterstützt in diesen Fällen die Kinder und ihre Familien. Im Schuljahr
2016/17 wurden 2.786 Schüler/innen über einen längeren Zeitraum betreut.
Im Vordergrund standen dabei Erziehungsprobleme 26 %, Leistungsabfall in der Schule 26 %, Verhaltensauffälligkeiten
27 %, Konflikte in der Schule und auf dem Schulweg 25 %.
SuSA war in 265 Pflichtschulen präsent und erreichte damit rund 49.000 Schüler/innen. Die rund 60 Schulsozialarbeiter/innen
hatten in diesem Schuljahr fast 50.000 Einzelkontakte mit Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern.
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