Breite Zustimmung für Forderung des Rechnungshofs
 nach einheitlicher Regelung der Mindestsicherung

 

erstellt am
17. 05. 18
13:00 MEZ

Nationalrat debattiert kritische RH-Prüfberichte zum Wiener Mindestsicherungsmodell und zur Invaliditätspension Neu
Wien (pk) - Eine weitere Debatte des Nationalrats zu Prüfergebnissen des Rechnungshofs am 16. Mai betraf die Analyse der bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien sowie die Bewertung der Invaliditätspension Neu. Der Rechnungshof drängt weiter auf österreichweit einheitliche Regelungen für die bedarfsorientierte Mindestsicherung und fordert, die Invaliditätspension Neu auf eine aktualisierte, realistische Datengrundlage zu stellen, damit die geplanten Einsparungsziele erreicht werden können. Beide Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.

Kritische Sicht des Rechnungshofs auf Mindestsicherung in Wien
Der Bericht über die Mindestsicherung in Wien sei ein wichtiger Beitrag zur Reform des Systems der bedarfsorientierten Mindestsicherung in Österreich insgesamt, meinte Hermann Gahr (ÖVP). Der Rechnungshof habe aufgezeigt, dass in Wien die Mindestsicherung in vielen Fällen zu lange, ohne ausreichende Kontrolle und aufgrund unklarer Kriterien bezogen werde. Für Gahr bestätigt der Bericht des Rechnungshofs klar die Folgerung, dass eine Deckelung erforderlich ist und stärker auf Sachleistungen gesetzt werden müsse. Er hoffe, dass eine solche einheitliche Mindestsicherung bald umgesetzt werden kann.

Karin Greiner (SPÖ) wiederum meinte, die Prüfergebnisse würden den Fokus auf die Leistung, die Abwicklung und die Zielerreichung bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt legen. Wie der Vorsitzende der "Taskforce Mindestsicherung" der Stadt Wien dargestellt habe, seien bereits Maßnahmen für eine bessere Kontrolle umgesetzt, die Zusammenarbeit mit dem AMS verbessert und auch Sanktionsmöglichkeiten ausgeweitet worden. Zudem würden stärkere Anreize für eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gesetzt, darauf müsse auch der Schwerpunkt der Weiterentwicklung der Mindestsicherung gelegt werden. Maßnahmen dazu müssten bei Bildung, Integration und aktiver Beschäftigungspolitik gesetzt werden, gerade in diesen Bereichen habe die Bundesregierung jedoch gekürzt. Eine einheitliche Regelung der Mindestsicherung sei sinnvoll, die Sozialministerin habe jedoch bisher wenig geschickt reagiert, so die Meinung Greiners.

Die Mindestsicherung sei von seiner Intention als letztes soziales Netz für besondere Notfälle gedacht gewesen, sagte Jessi Lintl (FPÖ). Unterdessen würden sie aber alleine in Wien von 150.000 Menschen, viele Menschen im arbeitsfähigen Alter, bezogen. Die Tatsache, dass sie in Wien nicht gedeckelt sei, führe zu einer Zuwanderung in das Wiener Modell der Mindestsicherung. In nicht wenigen Fällen könne man so mehr Einkommen erzielen als mit regulärer Arbeit, dieser Zustand sei untragbar und müsse dringend reformiert werden, forderte sie. FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm fügte hinzu, er weise seit Jahren auf den Reformbedarf bei der Mindestsicherung, vor allem in Wien, hin. Der Rechnungshof habe berechnet, dass die Stadt Wien Gefahr laufe, sehr bald schon 1,5 Mrd. € für die Mindestsicherung aufwenden zu müssen, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Das soziale Netz der Mindestsicherung sei für ÖsterreicherInnen gedacht gewesen, nun werde es aber von Menschen aus der ganzen Welt missbraucht. Aktuelle Zahlen belegten, dass die Mehrheit der MindestsicherungsbezieherInnen in Wien nicht österreichische StaatsbürgerInnen seien, darunter fielen 54.000 Asylberechtigte. Die Zahl der österreichischen BezieherInnen sinke hingegen, denn diese würden sich nicht in der sozialen Hängematte ausruhen. Das neue System werde für die ÖsterreicherInnen gerechter und für alle anderen strenger werden, ist Wurm überzeugt.

Ursprünglich sei man von 13.000 BezieherInnen der bedarfsorientierten Mindestsicherung ausgegangen, erinnerte Gerald Loacker (NEOS). Sehr bald habe man aber Konstruktionsfehler festgestellt, ohne dass etwas geschehen sei. 2016 habe Wifo-Chef Badelt daher sogar ein "politisches Versagen" festgestellt. Der Bund habe seine Möglichkeit für ein Grundsatzgesetz, das stärker auf Sachleistungen setze und ein einheitliches System schaffe, noch immer nicht wahrgenommen. Die derzeitige Regierung habe hier vieles angekündigt, doch wenig umgesetzt, sagte Loacker und unterstrich die Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Regelung mit einem Entschließungsantrag. Für diesen fand er jedoch keine Mehrheit.

Daniela Holzinger-Vogtenhuber (PILZ) betonte, ihre Fraktion unterstütze eine sozial faire, einheitliche und rechtliche haltbare Regelung für Menschen in Notlagen. Die Bundesregierung müsse aktiv werden, nun sei nicht der Zeitpunkt, um Machtspiele zwischen Landeshauptleuten zu beginnen. Die nächsten Wochen würden jedenfalls zeigen, ob Bundeskanzler Kurz sich tatsächlich gegen die Länder durchsetzen könne. Die Abgeordnete forderte vehement das Ende der Neiddebatten über Sozialleistungen. Man müsse sich vor Augen halten, dass ohne Sozialleistungen beispielsweise 38% aller Kinder in diesem Land an oder unter der Armutsgrenze leben würde.

Der Rechnungshof habe in seiner Erhebung einen starken Anstieg der MindestsicherungsbezieherInnen in Wien festgestellt, sagte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Sie wolle dabei festhalten, dass die Stadt Wien auf die Feststellungen des Rechnungshofs sehr rasch mit einer Taskforce reagiert und in einer Novelle zur Mindestsicherung eine Reihe von Empfehlungen des Rechnungshofs umgesetzt habe. Allerdings fehlten weiterhin Prognosen über die weitere Entwicklung, diese brauche man aber, um den Finanzbedarf für die Zukunft abschätzen zu können. Der Rechnungshof beharre weiterhin auf einer Vereinheitlichung der Mindestsicherung. Hintergrund sei, dass bei ihrer Einführung zwar eine 15a-Vereinbarung geschlossen wurde, die unterdessen jedoch ausgelaufen sei. Daher drohe die Mindestsicherung in verschiedene Ländermodelle zu zerfallen. Da der Bund im Bereich des so genannten "Armenwesens" für die Grundsatzgesetzgebung zuständig sei, habe er die Möglichkeit, gewisse Standards vorzugeben, sagte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker.

Invaliditätspension Neu erfüllte hohe Erwartungen nicht
Die Invaliditätspension NEU habe die befristete Invaliditätspension abgelöst und sollte mehr Menschen zurück in den Arbeitsprozess bringen. Nun habe der Rechnungshof die ersten Ergebnisse evaluiert, sagte Maria Smodics-Neumann (ÖVP). Er komme dabei zum Schluss, dass die Anhebung der Geldleistung und der zusätzliche Betreuungsaufwand Mehraufwendungen verursacht hätten, obwohl ursprünglich Einsparungen von 648,62 Mio. € für die Jahre 2014 bis 2018 prognostiziert wurden. Die Rate der beruflichen Rehabilitation lag ebenfalls weit unter den Erwartungen, die Auszahlungsmodalitäten wurden als unzweckmäßig angesehen. Man müsse daran arbeiten, dass mehr Menschen wieder ins Arbeitsleben zurückfinden, forderte Smodics-Neumann.

Wolfgang Knes (SPÖ) betonte, dass auch aus Sicht der SozialdemokratInnen Rehabilitation vor Pensionierung stehen müsse. Das sei der Grund dafür, warum statt einer Invaliditätspension höhere Leistungen für Rehabilitation eingeführt wurden. Die SozialdemokratInnen seien nach wie vor überzeugt, dass der richtige Weg sei, nicht das Reha-Geld anzugreifen, sondern die betriebliche Gesundheitsvorsorge zu verbessern. Hier bleibe die Bundesregierung und insbesondere die ÖVP Konzepte schuldig. Bisher wolle sie nur Unterstützungen für den Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess streichen, und die FPÖ mache ihr dabei den Steigbügelhalter.

Gut gemeint sei oft das Gegenteil von gut gemacht, das zeige sich an der Invaliditätspension NEU, stellte Irmgard Griss (NEOS) fest. An sie hätte man große Erwartungen geknüpft, die sich jedoch nicht erfüllt haben. Der Rechnungshof habe die Mängel penibel aufgelistet, diese gelte es zu beheben, sagte Griss und forderte in einem Entschließungsantrag die Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen. Noch sinnvoller sei es natürlich, darauf zu achten, dass Menschen im Arbeitsleben ihre Gesundheit erhalten können. Das sei weit effektiver, als Menschen nach Erkrankung wieder in den Arbeitsprozess zu bringen.

Bei der Neuregelung der Invaliditätspension fehlten offenbar realistische Datengrundlagen, merkte RH-Präsidentin Margit Kraker an. Das grundsätzliche Ziel des Rehabilitationsgeldes habe der Rechnungshof nicht kritisiert, sondern seine Umsetzung, die offenkundig auf falschen Einschätzungen der tatsächlich zu erwartenden Fälle und der Erfolgsquote beruhte. Man brauche daher eine Neuberechnung der Kosten auf Basis aktueller Daten. Wichtig ist auch, dass Gegensteuerungsmaßnahmen eingeleitet werden, damit die Invaliditätspension Neu tatsächlich einen Beitrag zur Sicherung der Nachhaltigkeit des Pensionssystems leisten könne.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at