Alpines Tourismusprojekt als Alternative zu Intensivtourismus etabliert
Innsbruck (alpenverein) - Wird die Sehnsucht nach naturbelassener Alpenlandschaft wirklich durch neue Gipfelerschließungen,
Groß-Skigebiete oder Mega-Bergevents gestillt? Eine Alternative dazu bietet das zukunftsträchtige Konzept
der Bergsteigerdörfer: Ortschaften in Österreich, Deutschland, Italien und bald auch Slowenien haben
sich diesem Leuchtturmprojekt im Einklang zwischen Mensch und Natur verschrieben. Die Initiative zur Entwicklung
eines sanften Tourismus im Alpenraum feiert heuer ihr 10-jähriges Jubiläum – bereits im Sommer 2008 wurde
unter Federführung des Österreichischen Alpenvereins die erste Deklaration der Bergsteigerdörfer
unterzeichnet. Zukünftig wird das internationale Portfolio ausgebaut: Weitere Ortschaften schließen
sich dem exklusiven Projekt an, unter anderem erstmals eine Gemeinde in Slowenien.
Noch höher, noch größer, noch ausgefallener. Durch einen rekordorientierten Tourismus im Alpenraum
werden natürliche Räume immer knapper. Als Alternative zu dieser oft technikintensiven Entwicklung wurde
in der Abteilung Raumplanung und Naturschutz des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) schon im Jahre 2005
Pionierarbeit geleistet und die Idee für das Projekt „Bergsteigerdörfer“ geboren. Ein Konzept wurde entwickelt,
das eine Wertschöpfung für naturbelassene und ursprüngliche Ortschaften, die nicht am großen
touristischen Kuchen mitnaschen, ermöglicht. Gleichzeitig sollen die Schönheit der alpinen Bergwelt sowie
kulturelle Schätze bewahrt werden.
Deklarationsunterzeichnung für naturnahen Tourismus
Der offizielle Startschuss für die Bergsteigerdörfer wurde schließlich im Jahre 2008 im Tiroler
Ginzling gegeben. Mit der Unterzeichnung einer sogenannten Deklaration durch die jeweiligen Bürgermeister
im Namen der teilnehmenden Gemeinden wurde mit Unterstützung des Ministeriums (heute Ministerium für
Nachhaltigkeit und Tourismus) und dem Fonds für ländliche Entwicklung der Europäischen Union diese
Vision auf den Weg gebracht.
„Vor 10 Jahren haben sich bei der Startkonferenz 17 österreichische Bergsteigerdörfer abseits der Tourismushochburgen
unter Federführung des Alpenvereins vereint und dieser ressourcenschonenden Initiative in Tourismus und Raumplanung
verschrieben“, erklärt Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen Alpenvereins. „Das gemeinsame
Ziel der Bergsteigerdörfer hat sich im letzten Jahrzehnt nicht verändert: Die Bewahrung von alpiner Tradition
und Kultur, eine Stärkung der Attraktivität der ländlichen Gebiete sowie der Schutz der Natur, das
verstehen wir unter sanften Tourismus.“ Der Alpenverein fungiere dabei laut Ermacora als Ideenvermittler und Kommunikator
nach innen und außen und kann dadurch seine Naturschutzkompetenz tagtäglich unter Beweis stellen.
Stärkung durch wachsende Internationalisierung
Das Projekt „Bergsteigerdörfer“ findet seit seiner Gründung vor zehn Jahren großen Anklang.
Dies beweist das internationale mediale Interesse aber auch das Interesse von potenziellen Bewerbern.
Ganz im Sinne des Vereins und der unterstützenden Stellen kennzeichnete das Partnerabkommen mit dem Deutschen
Alpenverein (DAV) im Jahre 2014 den Beginn der Internationalisierung der Bergsteigerdörfer – Ramsau schloss
sich der Initiative als erstes bayerische Bergsteigerdorf 2015 an. Weitere Partnerschaftsabkommen mit dem Alpenverein
Südtirol (AVS) sowie dem Slowenischen- (PZS) und Italienischen Alpenverein (CAI) folgten. Alle Vereine sind
seither gleichwertige Partner der fortan länder-, regionen-, und kulturübergreifenden Initiative.
Und auch 2018 ist ein spannendes Jahr für die internationale Weiterentwicklung: Im Mai schließt sich
das slowenische Jezersko dem Projekt an, im Juli folgt Kreuth in Oberbayern, im August Lungiarü in den Südtiroler
Dolomiten.
Aufnahmekriterien als Qualitätsanspruch
Seit ihrer Gründung stehen die Bergsteigerdörfer als Beispiel für eine gelebte Alpenkonvention.
Dieses internationale Übereinkommen spricht sich für eine nachhaltige Entwicklung im Alpenraum aus. Durch
die Unterzeichnung des sogenannten „Memorandum of Understanding“ sind die Bergsteigerdörfer seit dem Jahre
2016 als ein Umsetzungsprojekt der Alpenkonvention auch offiziell anerkannt. „Die Mitglieder der Initiative handeln
in ihrem touristischen Tun idealerweise nach den Grundprinzipien der Alpenkonvention und können somit als
Entwicklungskerne des nachhaltigen Alpintourismus bezeichnet werden“, erklärt Liliana Dagostin, Projektleiterin
und Leiterin der Abteilung Raumplanung und Naturschutz im ÖAV.
Interessenten können sich um die Aufnahme in den erlesenen Kreis der Bergsteigerdörfer unter Erfüllung
von zahlreichen Kriterien bewerben. Entschieden wird in einem internationalen Gremium, nachdem aussichtsreiche
Kandidaten vom jeweils zuständigen Alpenverein geprüft, unterstützt und vorbereitet wurden.
„Ein dauerhafter Naturschutz, zeitgemäße und ökologische Berglandwirtschaft, eine exzellente Landschaftsqualität
ohne Erschließungsdruck, ein umweltfreundliches Mobilitätskonzept sowie eine ausgeprägte Alpinkompetenz
sind dabei ausschlaggebende Prämissen, die von den Mitgliedern einzuhalten sind“, so Dagostin. Viel Wert werde
laut der Projektleiterin auch auf die Tourismusqualität gelegt: Schutzhütten werden in ihrer Funktion
als Stützpunkte am Berg gleich wie die Beherbergungsbetriebe im Tal langfristig erhalten. Wichtig seien zudem
Tourismusangebote, die besonders Bergsteiger ansprechen aber auch die einzelnen Sektionen der Alpenvereine stärken.
Immaterielle Werte als wichtiger Mehrwert
„Die Bergsteigerdörfer sind durch ihre Vergangenheit geprägt - bis heute ist die Geschichte des Alpinismus
hier erlebbar. Eine moderne Wertschätzung der Natur sollte bei jedem Urlaub in einem Bergsteigerdorf im Mittelpunkt
stehen“, stellt Helga Beermeister, Mitinitiatorin des Bergsteigerdorfes St. Jodok, Schmirn- und Valsertal, Autorin
der lokalen Alpingeschichte und Touristikerin, klar. „Von Aktivangeboten wie klassische Bergtouren über anspruchsvolle
Hochtouren und Wallfahrten im Sommer oder Skitouren und Schneeschuhwanderungen im Winter wird in den Bergsteigerdörfern
– angepasst an die lokalen Bedingungen und Möglichkeiten – sehr vieles geboten.“ Die größten Schätze
der Bergsteigerdörfer lägen laut Beermeister jedoch in ihren immateriellen Potentialen wie Kultur, Ursprünglichkeit
sowie Tradition – unbezahlbar und trotzdem von immensem Wert.“
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