Forscher und Firmen in der EU sollen technologische Entwicklung mitbestimmen
Brüssel (ec) - Die Kommission hat am 15. Mai eine erneuerte europäische Agenda für Forschung
und Innovation vorgelegt. Die Regierungen der EU-Staaten, Forscher, Unternehmer und Bürger sollen künftig
EU-weite Forschungs- und Innovationsaufgaben definieren, schlägt die Kommission vor. Die erneuerte Agenda
ist ein Beitrag zur informellen Diskussion der Staats- und Regierungschefs in Sofia am 17. Mai.
Jyrki Katainen, für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständiger
Vizepräsident der Kommission, erklärte: „Europa verfügt über eine Forschung von Weltrang und
eine starke industrielle Basis. Wir müssen uns jedoch noch mehr – viel mehr – anstrengen, damit diese exzellenten
Grundlagen Erfolge bringen. Neue Megatrends wie die künstliche Intelligenz und die Kreislaufwirtschaft werden
tief greifende Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft bewirken. Wir müssen schnell handeln, um
an der Spitze der neuen Innovationswelle stehen und den Standard für den globalen Wettbewerb setzen zu können.“
Carlos Moedas, EU-Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation, fügte hinzu: „Angesichts des
zunehmenden internationalen Wettbewerbs muss Europa dringend in den Bereichen Forschung und Innovation handeln.
Die vorgeschlagenen 100 Mrd. Euro für das nächste EU-Forschungs- und Innovationsprogramm der EU würden
für einen starken Impuls sorgen. Europa muss jedoch auch die Förderung bahnbrechender Innovationen durch
die Einrichtung eines neuen Europäischen Innovationsrats reformieren und durch ein auftragsorientiertes Konzept
für Forschung und Innovation mit den Bürgerinnen und Bürgern wieder in Verbindung treten. Wir müssen
unsere Rechtsvorschriften zukunftssicher machen und verstärkt für private Investitionen, insbesondere
im Bereich Risikokapital, sorgen.“
Es ist an der Zeit, unsere ehrgeizigen Ziele auf die nächste Stufe zu heben. Wir müssen jetzt handeln,
um dazu beizutragen, dass Europa zu dem globalen, hochdynamischen Innovationszentrum wird, das es sein kann. Die
Kommission begrüßt die Entscheidung des Präsidenten des Europäischen Rates, eine Debatte zwischen
den Staats- und Regierungschefs über Forschung und Innovation zu planen, und fordert sie auf, die von ihr
vorgeschlagenen Maßnahmen zu erörtern und strategisch auszurichten, u. a. durch Folgendes:
- Maßnahmen, um sicherstellen, dass Regulierung und
Finanzierung innovationsfreundlich sind: Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehören die vorrangige Umsetzung
der Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung
der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren; die vermehrte Beschaffung innovativer
Produkte und Dienstleistungen durch staatliche Stellen durch die Anwendung der heute von der Kommission veröffentlichten
Leitlinien; die rasche Verabschiedung des nächsten EU-Haushalts 2021-2027 mit der vorgeschlagenen Zuweisung
von 100 Mrd. EUR an „Horizont Europe“, an das Euratom-Programm für Forschung und Ausbildung und an andere
wichtige Förderprogramme, die der Innovation wichtige Impulse verleihen werden; der Start der Initiative VentureEU,
mit der Anreize für private Investitionen und Risikokapital geschaffen werden sollen, und die weitere Vereinfachung
der EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen, um die öffentliche Finanzierung innovativer Projekte, einschließlich
der Kombination von EU- und nationalen Mitteln, zu erleichtern.
- Einnahme einer Vorreiterrolle bei marktschaffenden Innovationen:
Die Kommission schlägt die Einrichtung eines vollständig ausgestalteten Europäischen Innovationsrates
vor, der eine zentrale Anlaufstelle für Technologien mit großem Potenzial und bahnbrechendem Charakter
sowie für Innovative Unternehmen mit Wachstumspotenzial sein soll. Der Europäische Investitionsrat wird
auf der mit 2,7 Mrd. EUR dotierten Pilotphase für den Zeitraum 2018-2020 aufbauen, um schnell veränderliche
und hoch riskante Innovationen mit einem großen Potenzial zur Schaffung völlig neuer Märkte zu
ermitteln und auszubauen.
- Start einer Reihe europäischer Forschungs- und Innovationsaufträge
mit anspruchsvollen, ehrgeizigen Zielen und einem starken europäischen Mehrwert in Bereichen, die mit den
Mitgliedstaaten, Interessenträgern sowie Bürgerinnen und Bürgern festzulegen sind und deren Bandbreite
von der Bekämpfung von Krebserkrankungen über den sauberen Verkehr bis zu plastikfreien Meeren reichen
könnte. Die Aufträge werden Investitionen und Mitwirkung über Branchen und wissenschaftliche Disziplinen
hinweg fördern, um Herausforderungen gemeinsam bewältigen zu können. Sie sollten Synergien mit Forschungs-
und Innovationsstrategien auf Ebene der Mitgliedstaaten sowie auf regionaler und lokaler Ebene hervorbringen.
Hintergrund
Obwohl in Europa nur 7 Prozent der Weltbevölkerung leben, werden hier 20 Prozent der weltweiten FuE-Investitionen
getätigt und ein Drittel aller wissenschaftlichen Artikel von hoher Qualität veröffentlicht. Ferner
verfügt Europa über eine weltweit führende Position in Wirtschaftszweigen wie der Pharmabranche,
der chemischen Industrie, dem Maschinenbau und der Modebranche.
Europa ist relativ gut darin, den Wert bestehender Produkte, Dienstleistungen und Prozesse zu erhalten oder zu
steigern, was als „inkrementelle Innovation“ bezeichnet wird. Zu beobachten ist dies in so vielfältigen Branchen
wie der Luft- und Raumfahrt, der Arzneimittelbranche, der Elektronikbranche und den Sektoren erneuerbare Energien,
biobasierte Industrien und fortschrittliche Fertigung. Fortschritte wurden auch bei der Förderung von Innovationen
durch Schlüsseltechnologien wie Robotik, Fotonik und Biotechnologie erzielt. Diese Technologien können
in vielen Branchen eingesetzt und angewandt werden und sind für die Bewältigung zentraler gesellschaftlicher
Herausforderungen von entscheidender Bedeutung.
In vielen Bereichen ist Europa allerdings auch im Rückstand. Die EU-Unternehmen investieren weniger in Innovation
als ihre Konkurrenten (1,3 Prozent des BIP gegenüber 1,6 Prozent in China, 2 Prozent in den USA, 2,6 Prozent
in Japan und 3,3 Prozent in Südkorea). Der Risikokapitalmarkt ist in Europa nach wie vor unterentwickelt.
Risikokapitalgeber investierten 2016 in der EU rund 6,5 Mrd. Euro (gegenüber 39,4 Mrd. Euro in den Vereinigten
Staaten) und die Risikokapitalfonds in Europa sind zu klein (im Durchschnitt belaufen sie sich auf 56 Mio. Euro,
gegenüber 156 Mio. Euro in den USA). Zudem fehlt es 40 Prozent der Arbeitskräfte in Europa an den notwendigen
digitalen Kompetenzen.
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