Salzburg (universität) - Winzige Würmer im Boden verursachen bei Nutzpflanzen
wie Zuckerrüben oft enorme Ertragsausfälle. Zu den nachhaltigen und vielversprechendsten Methoden, um
mit diesen Schädlingen - den Nematoden - fertig zu werden, gehören Resistenzzüchtungen. Salzburger
Pflanzenphysiologen haben zusammen mit Wiener Forschern dafür jetzt einen neuen Ansatz gefunden. Veränderungen
im Zuckerstoffwechsel machen die Pflanzen widerstandsfähiger gegenüber Nematoden. Wie man den pflanzlichen
Zuckergehalt genetisch so modifizieren kann, dass sich neue resistente Sorten züchten lassen, untersucht die
Salzburger Jungwissenschaftlerin Maria Köhler in ihrer Dissertation. Mit schädlingsresistenten Pflanzen
könnte der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft reduziert werden.
Nematoden (Fadenwürmer) sind meist mikroskopisch kleine, weiße bis farblose Tierchen im Boden, die vielen
Pflanzen die Nährstoffe und damit den Lebenssaft entziehen. Zu den von Landwirten und Agrarbetrieben besonders
gefürchteten Arten gehören die Rübenzystennematoden (Heterodora schachtii). Sie stechen die Wurzeln
an und veranlassen die Pflanzen, ein spezielles Nährgewebe zu bilden, in dem sie dann als Parasiten leben.
Die befallenen Zuckerrüben verkümmern und welken. Bis zu 30 Prozent Ertragsausfälle sind oft die
Folge.
Pflanzen verfügen allerdings über gewisse natürliche Ressourcen zur Abwehr von Stress und Feinden.
Die entsprechenden genetischen Ausstattungen zu identifizieren und den Mechanismus aufzuklären, um ihn später
für Resistenzzüchtungen gezielt zu stärken, dazu leistet Maria Köhler aus der Arbeitsgruppe
des Salzburger Pflanzenphysiologen Raimund Tenhaken vom Fachbereich Biowissenschaften in ihrer Dissertation einen
wichtigen Beitrag. Im Mittelpunkt stehen die Zucker.
„Unter Stress kommt es bei Pflanzen generell zur Akkumulation von verschiedenen Zuckern wie Saccharose, Glukose
oder Fruktose. Eine Schlüsselrolle in dem Gefüge spielen aber zwei spezielle Stoffwechselzwischenprodukte.
Es sind die beiden Zucker Inositol und Galaktinol. Sie hängen eng zusammen. Galaktinol besteht zu einem großen
Teil aus Inositol. Besonders interessant für uns ist Galaktinol. Unter Stress ist es nämlich eklatant
hochreguliert. Bei Normalbedingungen hingegen ist es überhaupt nicht nachweisbar. Unsere Hypothese war, dass
Inositol und Galaktinol die für die Abwehr benötigten Gene aktivieren. Die genaue Funktion von Inosistol
und Galaktinol bei der Stressantwort aufzuklären, das ist das Ziel meiner Dissertation.“
Dafür erhöht Maria Köhler in der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) durch genetische
Modifikation den Gehalt an Inositol und Galaktinol. „Wir beschäftigen uns hier in Salzburg schon längere
Zeit genau mit den Genen, die im Biosyntheseweg von Inositol und Galaktinol eine zentrale Rolle spielen. Wir nennen
sie verkürzt die MIOX-Gene. Wissenschaftlich haben sie einen sehr langen Namen. Wir haben eine große
Expertise bei diesen Genen.“
Und wie wirken sich die künstlich erhöhten Zuckergehalte bei den Pflanzen tatsächlich auf den Fadenwürmer-Befall
aus? Die pflanzliche Abwehr funktioniert in der Folge deutlich besser, zeigen die Labor-Tests. Wesentlich weniger
Nematoden greifen die Wurzeln an, reduziert ist vor allem die Zahl der Weibchen, die Zysten mit Eiern und Larven
bilden, die bis zu 10 Jahre im Boden überdauern können und so eine langfristige Bedrohung für die
Pflanzen darstellen. Außerdem sind die von den Nematoden gebildeten Nährgewebe wesentlich kleiner. „Wir
machen die Nematoden-Tests nicht selber. Das ist der Part der Wiener Gruppe um den Pflanzenschutzexperten Holger
Bohlmann von der BOKU. Wir kooperieren bei dem Projekt eng mit den Wienern. Wir in Salzburg arbeiten primär
an den Genen, wir stellen auch die transgenen Pflanzen her. Die Wiener untersuchen die Veränderungen an den
Wurzeln wie die Infektionsstrukturen die durch die Nematoden hervorgerufen werden.“
Maria Köhler konnte beweisen, dass die Zucker zu einer erhöhten Expression einiger Abwehr-Gene führen.
Außerdem wird die Keimungsrate durch die Zucker positiv beeinflusst. „Alle diese Parameter tragen zu verbesserten
Eigenschaften der Pflanzen bei und können in Zukunft bei der Zucht neuer Sorten berücksichtigt werden“.
Negative Auswirkungen der erhöhten Zuckergehalte wurden bisher nicht beobachtet. Darin sieht Maria Köhler
einen großen Vorzug dieses Ansatzes, denn bei manchen Resistenzzüchtungen stellen unerwünschte
Nebenwirkungen ein Problem dar. Dass es insgesamt mehr Nematoden-resistente Zuckerrübensorten braucht, sei
schon deshalb wichtig, weil sich die Würmchen im Laufe der Zeit verändern und unempfindlich gegen bestimmte
Abwehrmechanismen der Pflanzen werden.
Dass Inositol und Galaktinol bei der Stressantwort der Pflanzen eine Schlüsselrolle spielen, hat Maria Köhler
in ihrer Dissertation deutlich gezeigt, noch nicht geklärt ist aber, wie genau die Zucker die Expression von
Abwehrgenen beeinflussen. Auch lässt sich nicht immer klar zwischen der Wirkung von Inositol und Galaktinol
unterscheiden. Köhler habe eine vielversprechende Arbeit geliefert, sagt Raimund Tenhaken, es bestehe aber
weiterer Forschungsbedarf. „Es ist wie beim Aspirin, da weiß man, dass es wirkt, aber warum, das verstehen
wir auch heute 125 Jahre nach seiner Entdeckung noch immer nicht ganz. Wenn wir wüssten, warum bei Pflanzen
die Veränderung im Zuckerstoffwechsel zur Nematoden-Toleranz führt, dann könnten wir an weiteren
Verbesserungen arbeiten.“
Maria Köhler will jedenfalls nach dem geplanten Abschluss ihrer Dissertation im September 2018 und dem Auslaufen
ihrer Dissertationsstelle am Fachbereich Biowissenschaften in die Industrie gehen und ihr Wissen im Bereich Pflanzenzüchtung
in die Praxis umsetzen. Mobilität und Flexibilität hat die 30jährige Deutsche (aufgewachsen in Hildesheim
bei Hannover) in ihrer Karriere schon mehrfach bewiesen. Mit 14 Jahren war sie als Austauschschülerin ein
Jahr lang in Chile. Ihren Biologie-Bachelor hat sie in Göttingen gemacht. Für das Master-Studium im Bereich
Pflanzenphysiologie an der TU Dresden war sie 2013 in Gansbaii in Südafrika tätig. Vorläufig letzte
Station ist jetzt für die Dissertation Salzburg. „Der Ort war eher egal, wichtig war mir vor allem das Thema,
es sollte in Richtung Pflanzenphysiologie bzw. Agrarwissenschaft gehen und dafür habe ich Salzburg gewählt.
Das Thema Stresstoleranz hat mich sehr interessiert. Natürlich ist die Stadt auch sehr schön und ich
mag die Berge.“
In Salzburg hat sich Maria Köhler auch bei den neuen Doktoratskollegs verdient gemacht, die die Uni im Jahr
2016 als Impuls für die Nachwuchsförderung und für die Qualitätsentwicklung des Doktoratsstudiums
eröffnete. Köhler ist die studentische Sprecherin/Vertreterin des Doktoratskollegs Biomolecules. „Ich
halte die Grundidee, dass Doktoranden mit Vertretern anderer Disziplinen in einen strukturierten Austausch treten,
für sehr gut. Wir hatten hier schon einige Kurse aus anderen Fachbereichen, die wir gut brauchen können
wie den Statistik-Kurs. Auf Wunsch von uns Studenten soll es in Zukunft auch Bewerbungstrainings geben, denn Dissertanten
sind kaum darauf vorbereitet, was nach der Uni kommt.“
Titel der Dissertation von Maria Köhler (FWF Projekt): Galaktinol in von Nematoden induzierten Synzytien.
Gemeinsames Projekt mit Holger Bohlmann, Boku Wien.
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