Wie es hämatopoetischen Stammzellen gelingt, zwischen Aktivierung und Ruhe "umzuschalten"
Wien (universität) - Hämatopoetische Stammzellen (HSCs) bilden Blut- und Immunzellen des Körpers
und sind daher für unser Überleben ausschlaggebend. HSCs befinden sich in einem Ruhezustand, aber sobald
Blut gebildet werden muss – wie nach Blutverlust oder Chemotherapie – werden sie schnell aktiviert, um diesen Verlust
auszugleichen. Nach Abschluss ihrer Mission müssen sie in ihren Ruhezustand zurückkehren. Ein Team von
WissenschafterInnen rund um Manuela Baccarini von den Max F. Perutz Laboratories, einem Joint Venture der Universität
Wien und der Medizinischen Universität Wien, hat nun gezeigt, wie intrazelluläre Signalübertragungen
dieses heikle Gleichgewicht zwischen Aktivierung und Ruhe bewahren können. Ihre Ergebnisse werden in der renommierten
Fachzeitschrift Cell Stem Cell veröffentlicht.
Blut ist das Elixier des Lebens: Während es durch den Körper zirkuliert, gibt es lebensnotwendige Substanzen
wie Sauerstoff und Nährstoffe an Zellen und Gewebe ab. Die einzigen Zellen, die Blut erzeugen können,
sind hämatopoetische Stammzellen, auch HSCs genannt. HSCs sind nicht nur für die Produktion roter Blutkörperchen
zuständig, sondern auch für Zellen des Immunsystems. Aus diesem Grund spielen HSCs eine tragende Rolle
für das Überleben des Organismus.
Im Falle einer Chemotherapie oder einer Stammzelltransplantation sind es HSCs, die das dezimierte System wieder
aufstocken können. Sie sind nämlich in der Lage, sich selbst aktiv zu erneuern und sich in verschiedene
Arten von Blutzellen zu differenzieren. Nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt haben, müssen HSCs sehr schnell
in ihren ursprünglichen, inaktiven Zustand zurückkehren – sonst droht eine Erschöpfung der eigenen
Reserven.
Der "Switch" zwischen aktivem und inaktivem Zustand erfordert ein präzise reguliertes Gleichgewicht.
Ein noch so kleines Kippen in Richtung Aktivierung oder Ruhephase kann katastrophale Folgen für den Organismus
haben, im schlimmsten Fall sogar zum Tode führen.
Manuela Baccarinis Gruppe an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) hat jetzt entdeckt, wie dieses empfindliche
Gleichgewicht in HSCs aufrechterhalten wird. Erstautor Christian Baumgartner erläutert: "Wir wussten
bereits, dass ein Gleichgewicht zwischen Aktivierung und Rückkehr in den Ruhezustand besteht. Aber wie das
Gleichgewicht gehalten wird und welche Akteure daran beteiligt sind, war bislang unbekannt". Die WissenschaftlerInnen
waren nun erstmals in der Lage, die für das Gleichgewicht verantwortlichen intrazelluläre Netzwerke im
Detail zu beschreiben.
"Zwei zentrale intrazelluläre Signaltransduktionswege, die fast immer zeitgleich aktiviert werden, werden
von einer Rückkopplungsschleife koordiniert, welche die HSCs in einem perfekten Gleichgewicht hält. Das
Schöne daran ist, dass das System unabhängig vom auslösenden Stimulus durch die gleiche Rückkopplungsschleife
wieder runterreguliert wird", erklärt Manuela Baccarini. Um dies zu beweisen, entfernten die MolekularbiologInnen
absichtlich einen der Akteure aus der Rückkopplungsschleife und stellten fest, dass das gesamte Gleichgewicht
verschoben war. Dies hatte eine uneingeschränkte HSC-Aktivierung zur Folge, was zur Erschöpfung des HSC-Kompartiment
und dadurch zu einem Totalversagen der Produktion der Blutzellen führte.
Inhibitoren dieser Signaltransduktionswege werden derzeit häufig in der Krebstherapie eingesetzt. Die neuen
Erkenntnisse könnten dazu führen, dass diese Therapien in der Zukunft auch eingesetzt werden, um "faule"
HSCs zu mobilisieren, wie es zum Beispiel bei alternden Organismen der Fall ist.
Publikation in "Cell Stem Cell"
Christian Baumgartner, Stefanie Toifl, Matthias Farlik, Florian Halbritter,
Ruth
Scheicher, Irmgard Fischer, Veronika Sexl, Christoph Bock, and Manuela Baccarini: "AN ERK-DEPENDENT FEEDBACK
MECHANISM PREVENTS HEMATOPOIETIC STEM CELL EXHAUSTION. Published online in Cell Stem Cell
DOI: 10.1016/j.stem.2018.05.003
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