EU-Unterausschuss: Regierung sieht zu viele offene Fragen, Opposition hält EU-Arbeitsbehörde
für dringend erforderlich
Brüssel/Wien (pk) - Eine eigene Europäische Arbeitsbehörde (ELA) soll dazu beitragen, bestehende
arbeitsrechtliche Gesetze durchzusetzen, vor allem soll damit Lohn- und Sozialdumping effizienter bekämpft
werden. Mit diesem Verordnungsvorschlag will die EU-Kommission die im November 2017 beim Sozialgipfel in Göteborg
proklamierte europäische Säule sozialer Rechte und damit die Fairness im Binnenmarkt weiter stärken.
Im EU-Unterausschuss vom 22. Mai gab es dazu unterschiedlich Auffassungen.
Während Sozialministerin Beate Hartinger-Klein sowie ÖVP und FPÖ im Kommissionsvorschlag für
die neue Behörde noch keinen Mehrwert erkennen konnten, weil vieles noch zu unklar formuliert ist und Doppelgleisigkeiten
zu befürchten sind, drängten SPÖ und Liste Pilz auf eine baldige Realisierung dieses Vorhabens und
eine tatkräftige Unterstützung durch Österreich. Die SPÖ brachte dazu auch einen Antrag auf
Stellungnahme ein, der jedoch mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ vertagt wurde.
Die NEOS zeigten zwar Verständnis für die Bedenken der Regierung, meinten aber, dass diese offenen Fragen
zu klären seien, weshalb sie auch gegen die Vertagung waren.
Lohn- und Sozialdumping in EU weiterhin großes Problem
Sowohl auf EU-Ebene als auch im nationalen Bereich gibt es zwar gesetzliche Bestimmungen, um für grenzüberschreitend
tätige ArbeitnehmerInnen faire Bedingungen sicherzustellen, die Realität zeigt jedoch, dass das nicht
der Fall ist und mobile ArbeitnehmerInnen oftmals Ausbeutung zum Opfer fallen und ihnen Rechte verweigert werden.
Unternehmen wiederum sehen sich oft mit einem ungewissen oder unklaren Umfeld konfrontiert, sie müssen unter
ungleichen Ausgangsbedingungen operieren. Das Problem der unzureichenden Durchsetzung sozialer Rechte wird durch
die steigende Mobilität am Arbeitsmarkt verstärkt. So lebten und arbeiteten 2017 17 Millionen Europäerinnen
und Europäer in einem anderen Mitgliedstaat. Diese Zahl hat sich innerhalb von 10 Jahren nahezu verdoppelt.
Die Zahl der Entsendungen ist im Zeitraum 2010 bis 2016 um 68% auf 2,3 Millionen angewachsen, 1,4 Millionen EU-Bürger
pendeln zu einem Arbeitsplatz in einem anderen EU-Land. Der Bekämpfung von Betrug im Zusammenhang mit der
Arbeitskräftemobilität sowie die Bedeutung präziser und transparenter Informationen gegenüber
Dienstanbietern und ArbeitnehmerInnen wird daher auf EU-Ebene im Interesse eines funktionierenden Europäischen
Arbeitsmarkts besondere Bedeutung beigemessen.
Konkret soll die EU-Arbeitsbehörde den Zugang zu Informationen von Einzelpersonen und ArbeitgeberInnen zu
Rechten und Pflichten in grenzüberschreitenden Situationen sowie zu grenzüberschreitenden Arbeitsmobilitätsdiensten
erleichtern. Sie soll darüber hinaus auch den Informationsaustausch und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit
zwischen den nationalen Behörden verbessern helfen, eventuell auch koordinierte und gemeinsame Inspektionen.
Ferner ist gedacht, dass die Behörde eine Mediatorenfunktion bei Streitigkeiten zwischen den Behörden
der Mitgliedstaaten übernimmt. Schließlich soll sie die Mitgliedstaaten beim Kapazitätsaufbau im
Hinblick auf die Durchsetzung des einschlägigen Unionsrechts unterstützen. In all diesen Bereichen ist
vorwiegend eine Informations- und Koordinationstätigkeit und eine unterstützende Funktion vorgesehen.
Die Arbeitsbehörde soll auch einige bestehende EU-Gremien ersetzen, heißt es im Vorschlag.
Hartinger-Klein: Zu viele offene Fragen, Mehrwert ist noch nicht erkennbar
Laut Einschätzung der Sozialministerin bleiben aufgrund unklarer Formulierungen zahlreiche Fragen offen. Derzeit
könne nicht beurteilt werden, inwieweit die Aufgaben bereits von anderen Agenturen und Behörden behandelt
werden, etwa vom Europäischen Netzwerk für Arbeitsvermittlung (EURES). Sie wolle jedenfalls Doppelgleisigkeiten
verhindern, sagte die Ministerin, auch wolle sie nicht, dass in die Arbeit bewährter Gremien eingegriffen
werde. Welche Gremien ersetzt werden sollen, liege auch noch nicht vor. Außerdem sei darauf zu achten, dass
es zu keiner Kostenexplosion kommt. Für diskussionswürdig hält Hartinger-Klein jedoch die Idee der
Mediation. Solange jedenfalls der Mehrwert nicht erkennbar sei, habe sie große Vorbehalte gegen das Vorhaben.
Sie zeigte sich auch skeptisch in Bezug auf den Verlust nationaler Souveränität.
Diese zurückhaltende Haltung wurde auch von Seiten der ÖVP und FPÖ geteilt. Es sei zwar wichtig,
den Binnenmarkt mit dem Arbeitsmarkt zu verbinden und Regelungen zu kontrollieren, merkte etwa Georg Strasser (ÖVP)
an, die ungeklärten Fragen seien aber zu weitreichend, um eine abschließende Beurteilung abgeben zu
können. Ihm ist es wichtig, eine Behörde mit schlanken Strukturen zu schaffen und zu hohe Kosten zu vermeiden.
Hinsichtlich der Mediation muss ihm zufolge auch die Rolle des EuGH diskutiert werden. Aus all diesen Gründen
stellte er auch den Vertagungsantrag. Petra Wagner von der FPÖ äußerte vor allem Bedenken im Hinblick
auf eine Zentralisierung und zusätzliche Kosten.
Opposition drängt auf Klärung der Fragen und Einrichtung der Europäischen Arbeitsbehörde
– SPÖ-Antrag vertagt
Dem konnte sich die SPÖ in keiner Weise anschließen. "Europa funktioniert in diesem Bereich einfach
nicht", hielt SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch fest. So ist es derzeit außerordentlich schwierig,
Strafen in anderen Ländern zu exekutieren. Österreich sei eines der meistbetroffenen Länder von
Lohn- und Sozialdumping innerhalb der EU, hält Muchitsch daher auch in seinem Antrag fest. Es sei Zielland
von Entsendungen und gleichzeitig steige Lohn- und Sozialbetrug bei den Entsendefirmen. Freiwilligkeit nütze
nichts, man brauche endlich eine funktionierende grenzüberschreitende Kontrolle bei Arbeits- und Sozialvorschriften,
um die Ausbeutung von Beschäftigten zu verhindern. Das Problem der Scheinentsendungen und der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten
habe etwa dazu geführt, dass das Burgenland von den in Ungarn im Vorjahr eingeforderten Strafen in der Höhe
von einer Million Euro tatsächlich nur 2.000 Euro einnehmen konnte. In diesem Sinne forderte Muchitsch eine
"Gurtenpflicht" in Europa.
Muchitsch drängte daher die Ministerin, während der österreichischen Ratspräsidentschaft dafür
zu sorgen, dass die offenen Fragen geklärt und die Fakten auf den Tisch gelegt werden. Er appellierte an die
Ministerin, die Europäische Arbeitsbehörde auf die Agenda zu nehmen und sich dafür einzusetzen,
dass diese ihren Sitz in Österreich hat. Der finanzielle Anteil Österreichs im Endausbau würde bei
einer Million Euro pro Jahr liegen, und das sei vertretbar, wenn man bedenkt, wieviel Österreich bei nichteinbringbaren
Strafen entgeht.
Volle Unterstützung erhielt Muchitsch in dieser Frage auch von seiner Klubkollegin Muna Duzdar (SPÖ)
sowie von Liste-Pilz-Abgeordneter Daniela Holzinger-Vogtenhuber. Die Handhabe der geltenden gesetzlichen Vorschriften
sei derzeit äußerst problematisch, begründete Holzinger-Vogtenhuber ihre Befürwortung der
Arbeitsbehörde. Ebensowenig konnte Gerald Loacker die Vertagung nachvollziehen, vielmehr sollte man seiner
Meinung nach das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist. Die offenen Fragen könne man ja klären.
Sozialministerin Hartinger-Klein wiederholte daraufhin ihre Bedenken, bekräftigte aber, dass das Thema auf
der Agenda des österreichischen Ratsvorsitzes stehen werde. Als Vorsitzland habe man jedoch eine neutrale
Position einzunehmen, so ihr Hinweis.
|