CETA sorgt auch im Bundesrat weiter für Diskussionen

 

erstellt am
04. 06. 18
13:00 MEZ

Dringliche Anfrage der SPÖ an Wirtschaftsministerin Schramböck
Wien (pk) - Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, CETA, sorgt auch im Bundesrat weiter für Diskussionen. Im Rahmen einer Dringlichen Anfrage an Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck warf die SPÖ am 1. Juni der Regierung vor, verbindliche Stellungnahmen der Länder ignoriert zu haben und das Abkommen völlig überhastet und ohne Grund noch vor dem Sommer durch das Parlament peitschen zu wollen. Damit würden ÖVP und FPÖ dafür sorgen, dass die in CETA enthaltenen Konzernklagsrechte in Kraft treten können. "Kurz und Strache verraten die Bevölkerung", waren sich der Kärntner SPÖ-Bundesrat Günther Novak und seine steirische Parteikollegin Elisabeth Grossmann einig.

Schramböck konnte die Vorwürfe allerdings nicht nachvollziehen und hob zahlreichen Vorteile von CETA für die österreichische Exportwirtschaft hervor. Auch die BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ stellten sich einhellig hinter das Abkommen. Seitens der Grünen forderte Heidelinde Reiter eine Volksabstimmung – für die Salzburger Bundesrätin war es die letzte Rede in der Länderkammer.

Novak: Regierung missachtet Interessen der Länder
Im Rahmen der Begründung der Dringlichen Anfrage verwies Novak namens der SPÖ u.a. auf Stellungnahmen der Landeshauptleutekonferenz und des EU-Ausschusses des Bundesrats vom Herbst letzten Jahres, in denen die Ablehnung von privaten Schiedsgerichten und internationalen Investitionsgerichten bei Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen Staaten mit hochentwickelten Rechtssystemen klar zum Ausdruck gebracht wird. Dass CETA nunmehr trotzdem ratifiziert werden soll, wertet er daher als besonderen Affront gegenüber den Bundesländern.

Vor allem für die Zustimmung der FPÖ zu CETA hat Novak kein Verständnis. Diese habe nicht nur im Wahlkampf gegen CETA mobil gemacht, sondern auch nach den Wahlen noch versichert, dass im Falle einer Regierungsbeteiligung der FPÖ eine Volksabstimmung über das Abkommen durchgeführt wird, skizzierte er. Offenbar habe man dann aber kapituliert und "als Trost" die vorübergehende Beibehaltung der Raucherregelung in der Gastronomie erhalten.

Hinterfragt wurde von der SPÖ außerdem die Eile bei der Ratifizierung. Schließlich würden derzeit sowohl vor dem Europäischen Gerichtshof als auch vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht Verfahren gegen CETA laufen.

Nicht gelten ließen Novak und seine ParteikollegInnen den Vorwurf, dass es auch in der SPÖ einen Meinungsumschwung gegeben habe. SPÖ-Chef Christian Kern habe als Bundeskanzler erfolgreich dafür gekämpft, dass CETA in zwei Teile geteilt wird und Sonderrechte und Privilegien von Konzernen nur dann in Kraft treten können, wenn das österreichische Parlament seine ausdrückliche Zustimmung dazu gibt, bekräftigte Novak. Wäre die SPÖ weiter in der Regierung, hätte man CETA dem Parlament nicht zur Ratifizierung vorgelegt.

Schramböck: Österreich ist verpflichtet, Ratifizierungsprozess einzuleiten
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hielt eingangs der Beantwortung der Dringlichen Anfrage fest, dass Europa angehalten sei, seine Außenwirtschaft selbst zu gestalten. Gerade angesichts der derzeitigen globalen Lage sei dies von großer Bedeutung. Es gelte, die Wirtschaft zu unterstützen und den Export zu fördern, um Arbeitsplätze zu sichern. Kanada sei ein Industriestaat westlicher Prägung und achtwichtigster Handelspartner Österreichs außerhalb Europas. Vor kanadischen Firmen wie Magna und Bombardier müsse sich, so Schramböck, niemand fürchten. Die Wirtschaftsministerin glaubt außerdem, dass vor allem mittelständische österreichische Unternehmen vom Abkommen profitieren werden.

Erste positive Auswirkungen des Abkommens sind laut Schramböck bereits sichtbar. Demnach sind die österreichischen Exporte nach Kanada seit Oktober letzten Jahres um 24,4% gestiegen. Bei landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln betrage das Plus sogar 41%. Österreich habe damit von CETA bisher viel mehr profitiert als Kanada in die umgekehrte Richtung. Ausdrücklich hob Schramböck außerdem hervor, dass die hohen österreichischen Standards durch CETA geschützt sind, sei es im Bereich Umwelt oder in anderen Bereichen wie Soziales und Lebensmittelsicherheit.

In Beantwortung der einzelnen Detailfragen machte Schramböck geltend, dass Österreich mit der Unterzeichnung von CETA durch den damaligen Bundeskanzler Kern auch die Verpflichtung eingegangen sei, den Ratifikationsprozess einzuleiten. Österreich liege zeitlich gesehen im Mittelfeld der EU, 11 EU-Staaten haben CETA bereits ratifiziert.

Zur Frage der Schiedsgerichte merkte Schramböck an, dass das in CETA vorgesehene Streitschlichtungsverfahren erst nach einer Ratifikation durch sämtliche EU-Staaten wirksam wird. CETA sehe allerdings keine privaten Schiedsgerichte vor, versicherte sie, vielmehr seien Investitionsgerichte geplant mit von beiden Seiten und von der EU bestellten RichterInnen. Sollte das Abkommen gekündigt werden, behält es ihr zufolge noch 20 Jahre Gültigkeit für getätigte Investitionen.

Was die Stellungnahme des EU-Ausschusses des Bundesrats betrifft, zog Schramböck deren Bindungswirkung in Zweifel. Selbst wenn man aber von einer solchen Bindungswirkung ausgehe, könne davon aus außen- und integrationspolitischen Gründen abgewichen werden.

Zum Achmea-Urteil des EuGH hielt Schramböck fest, Österreich werde in Abstimmung mit den anderen EU-Ländern einen EU-konformen Rechtszustand herstellen. Nicht beantworten wollte die Wirtschaftsministerin unter anderem die Frage, ob es im Ministerrat anlässlich der Beschlussfassung von CETA Wortmeldungen gegeben hat: Das sei nicht Gegenstand des parlamentarischen Interpellationsrechts.

SPÖ: ÖVP und FPÖ öffnen Tür für Sonderklagsrechte für Konzerne
Mit den Ausführungen Schramböcks unzufrieden zeigte sich die SPÖ. So warf Stefan Schennach (Wien) der Wirtschaftsministerin Themenverfehlung vor. Niemand im Bundesrat sei gegen internationalen Handel, betonte er. Für ihn ist es außerdem unbestritten, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit bei CETA, anders als etwa beim ebenfalls in Verhandlung stehenden Mercosur-Abkommen, berücksichtigt ist. Worum es gehe, seien die Sonderklagsrechte der Konzerne, denen FPÖ und ÖVP durch die geplante Ratifizierung die Tür öffnen. Er erwartet sich außerdem einen starken Druck auf kommunale Dienstleistungen durch den Vertrag.

Ähnlich argumentierte auch Schennachs Parteikollege Michael Lindner (Oberösterreich). Er fürchtet verheerende Auswirkungen der Sonderklagsrechte auf die politische Handlungsfähigkeit. Die Staaten würden sich aus Furcht vor langwierigen und teuren Rechtsstreitigkeiten nicht trauen, bessere Standards einzuführen, prophezeite er. In Richtung FPÖ hielt Lindner fest, die Regierung habe CETA mitnichten irgendwelche "Giftzähne" gezogen, vielmehr habe die FPÖ kapituliert.

Auch die steirische SPÖ-Bundesrätin Elisabeth Grossmann ließ an der FPÖ kein gutes Haar. "Was hat Ihnen die ÖVP wirklich gegeben, dass Sie ihre Wählerinnen und Wähler derart verraten?" meinte sie und mutmaßte, der Preis müsse hoch gewesen sein. Das Aufheben des Rauchverbots allein könne es wohl nicht gewesen sein. "Da muss mehr über den Ladentisch gegangen sein, vielleicht das eine oder andere Amterl und Posterl".

Allgemein merkte Grossmann an, der Bundesrat habe als Länderkammer den Auftrag, Bedenken der Länder ernst zu nehmen. Zudem plädierte sie dafür, Handelsabkommen grundsätzlich einer ganz genauen Prüfung zu unterziehen. Man müsse verhindern, dass Produkte auf den europäischen Markt kommen, die österreichische ökologische und soziale Mindeststandards nicht erfüllen.

Grüne fordern Volksabstimmung
In den Chor der KritikerInnen reihte sich auch die Grüne Bundesrätin Heidelinde Reiter ein. CETA sei zwar das beste Freihandelsabkommen, das bisher von der EU verhandelt wurde, stimmte sie einer früheren Aussage von SPÖ-Chef Christian Kern zu, dennoch stelle sich die Frage der Notwendigkeit. Schließlich habe der Handel zwischen Österreich und Kanada schon bisher funktioniert. Zudem kann auch sie nicht erkennen, dass CETA zuletzt irgendwelche Giftzähne gezogen wurden. Wie die SPÖ erwartet sich Reiter Zugeständnisse des Staates gegenüber Unternehmen, da Rechtsstreitigkeiten mit einem für den Steuerzahler vertretbaren Kostenaufwand kaum zu gewinnen seien. Man brauche hohe Finanzmittel, um Klagen durchzustehen.

Reiter selbst plädierte für eine Volksabstimmung über CETA. Eine solche würde einen wichtigen Diskussionsprozess in Gang bringen, ist sie überzeugt. Handelsabkommen könnten in vielerlei Belangen auch kontraproduktiv sein. Sie sieht etwa die Handlungsfähigkeit der Politik durch die zunehmende Macht der Konzernen gefährdet. Für Reiter war es die letzte Rede im Bundesrat. Angesichts der Entwicklung in den letzten Monaten sei sie auch froh darüber, sagte sie.

ÖVP: Klare Spielregeln für Unternehmen sind wichtig
Kein Verständnis für die Kritik an CETA äußerten Christian Buchmann (Steiermark) und Eduard Köck (Niederösterreich) namens der ÖVP. Umwelt- und Sozialstandards würden im Abkommen Berücksichtigung finden, auch öffentliche Dienstleistungen und die Förderung der kulturellen Vielfalt seien abgesichert, hob Buchmann hervor. Ebenso stehe eine Privatisierung der Wasserversorgung nicht mehr zur Diskussion. Für Unternehmen sei es außerdem wichtig, klare Spielregeln für Exporte zu haben und Direktinvestitionen vor Ort abgesichert zu wissen.

Sein Fraktionskollege Köck (Niederösterreich) gab zu bedenken, dass es in Kanada teilweise höhere Standards als in Europa gebe. Zudem ist ihm zufolge sichergestellt, dass sich die EU-Länder weiter auf das Vorsorgeprinzip berufen können. Köck brachte die Sprache außerdem auf das Thema Glyphosat, wo die Diskussion seiner Meinung nach ähnlich unfair verläuft wie bei CETA. Die Ausgangsprodukte vieler ausländischer Lebensmittel, die in österreichischen Regalen stehen, seien direkt mit Glyphosat besprüht worden. Das sei österreichischen Bauern schon lange verboten, kritisierte er Wettbewerbsnachteile.

FPÖ: CETA ist Bereicherung für Wirtschaft und Bevölkerung
Voll des Lobes für CETA waren auch die beiden FPÖ-Abgeordneten Christoph Steiner und Georg Schuster. Sie sind überzeugt, dass die Regierung CETA "die Giftzähne gezogen hat", während Ex-Bundeskanzler Kern seinerzeit versucht habe, "einen zahnlosen Beipackzettel ohne Rechtswirksamkeit als großen Erfolg zu verkaufen". Das Abkommen sei nach der erfolgreichen Modifizierung durch schwarz-blau "qualitativ hochwertig" und werde nicht nur eine Bereicherung für die österreichische Wirtschaft, sondern auch für die Bevölkerung sein, ist sich Schuster (Wien) sicher.

Bei CETA hätten sich wichtige Dinge geändert, auch wenn die SPÖ das nicht wahrhaben wolle, bekräftigte auch sein Tiroler Fraktionskollege Steiner. Die FPÖ habe deutliche Verbesserungen im Vertragswerk erreicht. So werde es etwa keine privaten Schiedsgerichte als Paralleljustiz geben. Schuster machte außerdem geltend, dass durch CETA keine Sozial- und Umweltstandards ausgehöhlt werden und nationalstaatliches Recht durch CETA nicht außer Kraft gesetzt werden könne. Der SPÖ warf Steiner "Politshow" vor. Schuster bezeichnete die Dringliche Anfrage als Farce und meinte, die SPÖ sei offenbar gegen die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
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