Kontrolle der öffentlichen Verwaltung verzeichnet erneut Beschwerdeplus
Wien (pk) - 2017 haben sich 20.097 BürgerInnen von Österreichs Behörden ungerecht behandelt
gefühlt. Das bedeutet ein erneutes Beschwerdeplus in der Kontrolle der öffentlichen Verwaltung. Im Jahr
davor waren es noch rund 18.500 BürgerInnen, die sich mit ihren Behördenproblemen an die Volksanwaltschaft
wandten. In 80,1% (10.333) der Fälle wurde ein Prüfverfahren eingeleitet, 42,3% (3.026) aller Verfahren
fielen dabei in den Bereich der inneren Sicherheit aufgrund der hohen Anzahl asylrechtlicher Beschwerden. Die zweitmeisten
Prüfverfahren verzeichnet 2017 mit Problemen beim Arbeitsmarktservice, bei der Pflegeeinstufung oder bei der
Auszahlung von Pensionen der Sozialbereich (21,5%) – gefolgt von der Justiz (13,4%) mit Schwierigkeiten durch lange
Gerichtsverfahren, in Verfahren der Staatsanwaltschaft oder im Strafvollzug, wie aus dem Volksanwaltschaftsbericht
2017 hervorgeht ( III 86 d.B.).
Von den eingeleiteten Prüfverfahren betrafen 7.155 Fälle die Bundesbehörden, was wiederum eine weitere
Steigerung von 17% bedeutet. Durchschnittlich langten in der Volksanwaltschaft so 82 Beschwerden pro Arbeitstag
ein. 1.554 BürgerInnen nutzten 234 Sprechtage, um ihre Anliegen persönlich mit den VolksanwältInnen
Gertrude Brinek, Peter Fichtenbauer und Günther Kräuter zu besprechen.
Inneres: 3.026 Beschwerdefälle, davon 80% zu Asyl
2017 gingen 3.026 Geschäftsfälle auf das Konto des Innenministeriums. 80% davon haben sich laut Volksanwaltschaftsbericht
auf das Asyl-, Niederlassungs- und Fremdenpolizeirecht bezogen. Die Polizei betrafen knapp 8% der Fälle, gefolgt
von Anliegen zum Melderecht (1%) und Personenstandsrecht (0,6%). Bei weiteren Beschwerden ging es u.a. um das Wahlrecht,
Passrecht, Dienstrecht und Waffenrecht.
Gegenstand der 28 durchgeführten Prüfverfahren waren neben der sogenannten "Anti-Terror-Mauer"
am Ballhausplatz u.a. Abschiebungen, Misshandlungsvorwürfe oder die Dauer von Asylverfahren. Diese sind nach
2016 nämlich im letzten Jahre erneut angestiegen. Die Volksanwaltschaft prüfte so Beschwerden von über
2.400 Asylwerbenden über die Dauer ihrer Verfahren, die sich auf das für erstinstanzliche Asylverfahren
zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) sowie das für Rechtsmittel in Asylverfahren
zuständige (Bundesverwaltungsgericht) bezogen. Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2016 wurde die vorher
geltende sechsmonatige Entscheidungsfrist auf 15 Monate verlängert. Das BMI geht nun davon aus, dass der Rückstau
unerledigter Asylanträge bis Mitte 2018 abgearbeitet werden kann.
Zu drastischen Verzögerungen kam es laut Bericht in zwei Aufenthaltstitelverfahren aus berücksichtigungswürdigen
Gründen. In beiden Fällen waren diese nach zwei Jahren und fünf Monaten noch nicht abgeschlossen.
Rentenkommission: Gesetzlich in Aussicht gestelltes Budget und Personal bleiben aus
Seit Juli 2017 ist die Rentenkommission zur Entschädigung von Heimopfern in der Volksanwaltschaft angesiedelt,
die dafür gesetzlich in Aussicht gestellten Budget- und Personalressourcen wurden allerdings noch nicht zur
Verfügung gestellt, wie im Bericht nachzulesen ist. Die VolksanwältInnen wiederholen darin auch ihren
Appell, das Heimopferrentengesetz bis zum Sommer zu reformieren. Der direkte Kontakt mit den Betroffenen habe sehr
schnell gezeigt, dass das Gesetz Schwachstellen hat, da es einige Opfer von Gewalt als Anspruchsberechtigte de
facto ausschließe, zeigen Fichtenbauer und Kräuter auf. Seit Einrichtung der Rentenkommission, sprich
innerhalb eines halben Jahres, lagen 833 Geschäftsfälle auf dem Tisch der Volksanwaltschaft, in denen
mehr als 730 Orte der Gewalt beschrieben wurden. Die Formen von Gewalt gehen dabei vom Wegschauen über Beschimpfungen,
Isolation, Drohungen bis hin zu Ohrfeigen, Schlägen mit Gegenständen und Vergewaltigung oder Missbrauch
durch Mitzöglinge.
Eine weitere Forderung, die erstmals vor mittlerweile rund 20 Jahren artikuliert wurde, bleibt darüber hinaus
die Prüfmöglichkeit für ausgegliederte Rechtsträger, wie das dem Rechnungshof erlaubt ist.
Vor dem Hintergrund der Reform der Sachwalterschaft ist Brinek die Bewerbung der Vorsorgevollmacht ein Anliegen.
Sie sei der Schlüssel zur Selbstbestimmung und repräsentiere ein notarielles und nachhaltiges "Freiheits-Dokument",
so die Volksanwältin im Bericht.
Volksanwalt Fichtenbauer will wiederum auch weiterhin für eine Haftpflichtversicherung bei Naturkatastrophen,
die zu einer weitgehenden Abdeckung der realen Schäden führen soll, kämpfen. Betroffene wären
dann nicht mehr auf freiwillige Leistungen aus den Katastrophenschutzfonds der Gebietskörperschaften angewiesen,
sondern hätten einen gesetzlich abgesicherten Anspruch.
Indexierung der Familienbeihilfe: Volksanwaltschaft hat europarechtliche Bedenken
Gegenüber dem Plan der Regierung, die Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder zu indexieren,
äußert die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht europarechtliche Bedenken. Aus ihrer Sicht ist die Indexierung
nicht mit der Gleichbehandlung von UnionsbürgerInnen und InländerInnen und der damit garantierten Personenfreizügigkeit
vereinbar.
Problem bleibt auch nach wie vor die EU-Koordinierung von Familienbeihilfen. 2017 wandten sich wieder viele in
Österreich lebende Eltern aus dem EU-Raum an die Volksanwaltschaft, weil sie bereits einige Monate auf Kinderbetreuungsgeld
und Familienbeihilfe gewartet haben. Dabei handelt es sich laut Bericht oft um AlleinerzieherInnen mit Kleinkindern,
die im EU-Recht vorgesehene vorläufige Leistungspflicht seitens Österreichs als Wohnsitzstaat werde seitens
des Familienministeriums kaum bis gar nicht angewandt.
Beim Thema häusliche Gewalt ortet die Ombudsstelle Defizite in der opferschutzorientierten Täterarbeit.
Laut den VolksanwältInnen gibt es in Österreich zu wenige Therapiemöglichkeiten für Opfer als
auch für Täter. Insbesondere in den ländlichen Regionen gibt es außerdem keinerlei fachspezifische
Anlaufstellen für Betreuung oder Wohnmöglichkeiten. Die verhängten Betretungsverbote haben sich
in den letzten zwei Jahrzehnten auf 8.637 im Jahr 2016 indes fast versechsfacht.
Cannabis in der Medizin
Das Beschwerdeaufkommen ist im Bereich der Gesundheit im Vergleich zum Vorjahr 2017 leicht gesunken. Beim Thema
Schmerztherapie spricht sich die Volksanwaltschaft dafür aus, die restriktive Bewilligungspraxis der Krankenversicherungsträger
für Cannabispräparate insbesondere für chronisch kranke PatientInnen noch weiter zu lockern.
Nach 309 Infektionen im Jahr 2015 und 95 Masern-Fälle im vorigen Jahr warnt die Volksanwaltschaft außerdem
davor, die Erkrankung zu verharmlosen. Sie plädiert weiterhin für eine Impfpflicht. Demnach sollen Schutzimpfungen
gegen Masern, Mumps und Röteln in öffentlichen Kindergärten und Schulen für das Betreuungspersonal
und die Kinder ausnahmslos verpflichtet werden.
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