Internationale Weltraum-ExpertInnen präsentierten erste Ergebnisse bei ÖWF-Science-Workshop
an TU Graz
Graz/Wien (öwf) - Von 25. bis 27. Mai evaluierten 40 internationale Weltraum-ExpertInnen die ersten
Ergebnisse der erfolgreichen Mars Analog Mission AMADEE-18 des Österreichischen Weltraum Forums (ÖWF).
Dabei ging es nicht nur um wissenschaftliche Daten, die bei der vierwöchigen Mission in der Dhofar Wüste
im Oman gewonnen wurden. Auch Optimierungsmöglichkeiten der Missionslogistik- und architektur wurden ausgelotet.
Partner des AMADEE-18 Science Workshops war die TU Graz, die drei Experimente aus den Bereichen Robotik, Sprachwissenschaften
und 3D-Druck im Rahmen der Mars Analog Mission getestet hatte.
Erste Ergebnisse
„Die meisten der 19 Wissenschaftsteams, deren Experimente im Oman dabei waren, sind noch mit der Datenanalyse
beschäftigt. So hat das Sprachforschungsexperiment ,MIMIC‘ der TU Graz erst vor wenigen Tagen weitere Daten
aus der Antarktisstation Concordia erhalten. Nun stehen insgesamt zehn Sunden hochqualitativer Sprachaufzeichnung
zur Verfügung, um beispielsweise an Hand von Stimmmodulationen oder Aussprache von Vokalen die Stimmung des
Teams frühzeitig einschätzen zu können, “ so Dr. Gernot Grömer. Der Administrative Director
des ÖWF und Missionsleiter von AMADEE-18 sagt weiter: „Zu den überraschendsten Ergebnissen zählt
mit Sicherheit die gute Wachstumsrate von Radieschen, Kresse und Salat im aufblasbaren Treibhaus ,Hortextreme‘
der italienischen Raumfahrtbehörde ASI. Beim Radieschen ‚Rambo Raddish‘ konnte nach 15 Tagen Anbau sogar eine
Rekordernte von ca. 5 kg pro m2 eingefahren werden. Das ist das beste Ergebnis, das jemals unter Laborverhältnissen
erzielt wurde! Insbesondere, wenn man das Verhältnis von Energieverbrauch zu Erntemenge betrachtet: bei vergleichbaren
Tests wurden 52g Radieschen pro verbrauchter Kilowattstunde geerntet, bei AMADEE-18 lag das Ergebnis bei 240g pro
Kilowattstunde! Für die Versorgung der Astronauten mit frischen Lebensmitteln am Mars wäre das großartig.“
Den genauen Grund für die Rekordernte werden detaillierte Datenanalysen liefern.
Auch das italienische Bodenradar ScanMars stellte seine Funktionstüchtigkeit unter Beweis: Im Rahmen der Analyse
von 1,7 km untersuchter Wegstrecke wurde ein vertrocknetes Flussbett, ein sogenannter Wadi entdeckt, der bereits
von Sand verschüttet gewesen war. „Würde man einen Wadi am Mars finden, wäre das natürlich
ein weiterer wichtiger Schritt, um mehr über das Wasservorkommen in der Vergangenheit des roten Planeten zu
erfahren,“ sagt dazu Gernot Grömer.
Auch die Tests des autonomen Rovers Husky der TU Graz lieferten wichtige Erkenntnisse. „Bei den Testfahrten hat
sich gezeigt, dass Husky schon sehr gut die umliegende Landschaft kartieren und risikoreiche Formationen wie steile
Hänge erkennen kann,“ erklärt Gernot Grömer und führt weiter aus, „Jedoch hat sich die gleichförmigen
Wüstenlandschaft im Oman als Herausforderung erwiesen. Für die Wissenschaftler, die an der Navigationssoftware
von Husky arbeiten, ist das ein wichtiges Ergebnis. Mit den Messdaten aus AMADEE-18 kann das System nun weiterentwickelt
und für den Mars fit gemacht werden.“
ÖWF verfeinert Explorationskaskade
„Beim Science Workshop an der TU Graz ging es uns natürlich einerseits um erste Ergebnisse, die die internationalen
Wissenschaftsteams aus den AMADEE-18-Daten ableiten konnten. Großen Wert haben wir aber auch auf die Analyse
der Missionslogistik und der Abläufe vor und während der Mission gelegt. Mit zwölf durchgeführten
Mars Analog Missionen hat das ÖWF schon einiges an Know How akkumuliert, daher ging es letztes Wochenende
um Feinabstimmungen und Details, die oft große Konsequenzen haben können, “ erklärt Dr. Gernot
Grömer und sagt weiter,“ Wir haben z.B. gesehen, dass unser neues Arbeitsverfahren, die Explorationskaskade,
der richtige Weg ist, um Ausrüstung und Experimente möglichst effektiv einzusetzen. Die Datenübermittlung
spielt bei jeder Mission eine essentielle Rolle. V.a. kurzfristige Änderungen des Zeitplans, der am Testgelände
im 15-minütigen Intervallen die Tätigkeiten der Feldcrew vorgibt, sind eine große Herausforderung.
Hier haben wir wichtige Erkenntnisse erlangt wie wir noch schneller und effizienter reagieren können.“
In einer Explorationskaskade greifen die Experimente ineinander. Das heißt, die Erkenntnisse eines Experiments
sind Voraussetzung für das Funktionieren eines anderen. Im Rahmen der Explorationskaskaden von AMADEE-18 wurde
der potenzielle Testort zunächst mit einer Drohne in Augenschein genommen und kartiert, sodann einen Rover
losgeschickt, um das Terrain genauer zu untersuchen. Erst als auch diese Daten auf interessantes und zugleich für
Menschen sicheres Gelände schließen ließen, erhielten die beiden Analog Astronauten „Starterlaubnis“,
um in den vom ÖWF entwickelten Marsanzug-Prototypen „Aouda“ die Teststelle beispielsweise mit einem 3D-Bodenradar
zu untersuchen. Die gesammelten Daten wurden noch am selben Tag von den jeweiligen Wissenschaftsteams rund um die
Welt gesichtet und daraus Arbeitsaufträge für die kommenden Außenbordeinsätze abgeleitet.
Eingegangen wurde auch auf die Ergebnisse von AVI-NAV, des kamerabasierten Mars-Copter-Navigationssystems, das
bei der NASA-Mars-Mission 2020 zum Einsatz kommen wird. Die im Oman gesammelten Daten wurden direkt an die NASA
weitergeleitet.
TU Graz mit drei Experimenten auf erfolgreicher Mars-Mission
Die TU Graz war nicht nur Gastgeberin des wissenschaftlichen Abschlussworkshops der Amadee-18 Mars Simulation in
der Dhafor Wüste im Oman, die TU Graz war an der Mission auch mit gleich drei Experimenten beteiligt und damit
die am stärksten vertretene Institution der Simulationsmission. Die TU Graz konnte damit ihre Expertise in
unterschiedlichsten Forschungsbereichen, von der Sprachkommunikation über Rapid Prototyping bis hin zur Robotik
in der Mission eindrucksvoll unter Beweis stellen.
Im Experiment MIMIC untersuchte das Team rund um Martin Hagmüller vom Institut für Signalverarbeitung
und Sprachkommunikation wie sich die extremen Bedingungen und belastenden Umgebungseinflüsse einer Mars-Mission
auf die Crew auswirken. Die täglichen Teammeetings und die Kommunikation mit den Astronautinnen und Astronauten
auf Außeneinsatz wurden aufgezeichnet. Anhand verbaler Kommunikationsmuster werden nun Parameter zur unmittelbaren
Bestimmung des physischen und psychischen Gesamtzustandes der Crewmitglieder definiert. Auch im Bereich der Hardware
konnten neue, vergleichsweise kostengünstige Systeme mit Erfolg getestet werden.
Das Experiment „Husky Autonomous Rover“ stand unter der Leitung von Gerald Steinbauer vom Institut für Softwaretechnologie
der TU Graz. Dabei handelt es sich um den Test eines autonomen Roboters, der die Crew bei ihrer Arbeit auf der
Planetenoberfläche unterstützt, die Umgebung kartographiert die Funkabdeckung überwacht und Transportaufgaben
übernimmt. Dazu haben die Robotik-Experten der TU Graz eine 3D-Navigation entwickelt und während der
Mission erfolgreich getestet. Software und Hardware des Huskys haben sich in der sehr sandigen, hügeligen
und extrem monotonen Umgebung sehr gut bewährt. Bis zur Mission 2020 wird die Stabilität des Rovers und
die Integration in die täglichen Abläufe im Feld verbessert.
Die TU Graz war auch mit einem Junior Researcher bei der Mission dabei: Michael Müller, Physikstudent an
der TU Graz, nahm mit seinem Experiment „A3DPT Mars“ am „Junior Researchers Program“ teil. Im Fokus standen Tests
mit einem 3D-Drucker, der für geologische Untersuchungen zum Einsatz kam und bei Bedarf Ersatzteile, Werkzeuge
oder spontan benötigte neue Instrumente druckte. Marsroboter Husky etwa bekam während der Mission eine
neue 3D-gedruckte Antenne. Für Jungforscher Michael Müller war die Mission ein voller Erfolg.
Über AMADEE-18
Am 28. Februar beendete das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) seine bislang aufwändigste Mars
Analog Mission „AMADEE-18“. Dabei verbrachte die internationale Feldcrew unter österreichischer Leitung vier
Wochen in der Dhofar Wüste im Oman. Die Mission vereinte 200 Menschen aus 25 Ländern und 16 wissenschaftliche
Institutionen aus sechs Nationen mit dem gemeinsamen Ziel, der bemannten Erforschung des Roten Planeten wieder
ein Stück näher zu kommen. Mit AMADEE-18 leistet das ÖWF einen wertvollen Beitrag für Wissenschaft,
Wirtschaft und Bildung und somit auch für den (Hoch)Technologie-Standort Österreich.
Das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) ist ein österreichisches Netzwerk für RaumfahrtspezialistInnen
und Weltrauminteressierte in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen, Industrie
und Politik. Die Organisation ist Teil aktueller Weltraumforschung und dient als Kommunikations-und Vernetzungsplattform
zwischen dem Weltraumsektor, Industrie, universitärer Lehre und Öffentlichkeit. Das ÖWF hat seit
2003 11 internationale Expeditionen in mehreren Mars-ähnlichen Regionen durchgeführt, u.a. in der Nord-Sahara
in Marokko, USA/Utah und Südspanien sowie hochgelegene Missionen auf Gletschern und Simulationen in Eis- und
Tropfsteinhöhlen.
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