Finanzminister Löger: Österreich wird bei Ratspräsidentschaft Vermittlerrolle
einnehmen, aber auch eigene Positionen vertreten
Brüssel/Wien (pk) - Die Debatte über den zukünftigen EU-Haushalt nach dem Austritt des Vereinigten
Königreichs aus der EU (Brexit) fand am 30. Mai im EU-Unterausschuss des Nationalrats seine Fortsetzung, wobei
die von den einzelnen Parteien bisher vorgebrachten Meinungen bekräftigt wurden. Finanzminister Hartwig Löger
unterstrich seitens der Regierung einmal mehr, dass Österreich nicht bereit sei, einen höheren Prozentanteil
als bisher in den EU-Topf einzuzahlen.
Er stellte klar, dass die Regierung an der Obergrenze von 1% des Bruttonationaleinkommens (BNE) festhalte. Das
heiße aber, bei einem Wachstum werde es real zu etwas höheren Zahlungen kommen, es gehe um den prozentuellen
Anteil der Basis. Die EU-Kommission geht in ihrem Vorschlag von 1,11% aus, das EU-Parlament will auf 1,3% erhöhen.
Selbstverständlich werde Österreich während der Ratspräsidentschaft auch in dieser Frage eine
Vermittlerrolle einnehmen, das hindere aber nicht daran, die eigenen Positionen zu vertreten, betonte der Finanzminister
gegenüber der Kritik aus den Reihen der Opposition. Es könne nicht sein, dass man bei Ausscheiden eines
Mitglieds davon ausgeht, auf alle Fälle mehr zahlen zu müssen. Ziel sei es, dass auch die EU bewusst
prüft, welche Aufgaben auf EU-Ebene zu erfüllen sind. Bevor man über eine Erhöhung diskutiere,
gelte es, Prioritäten zu klären und gleichzeitig Ineffizienzen zu minimieren.
Grundlage für die Diskussion bildete der kürzlich von der EU-Kommission vorgelegte Mehrjährige Finanzrahmen
(MFR) 2021 bis 2027, der unter dem Titel "Eine Union, die schützt, stärkt und verteidigt" präsentiert
wurde. Die EU will damit zwei Herausforderungen bewältigen: einerseits die Tatsache, dass Sicherheit und Stabilität
in einer instabilen Welt, wie es in einer Presseaussendung der Kommission vom 2. Mai 2018 heißt, eine immer
größere Rolle spielt, und andererseits die finanzielle Lücke, die der Brexit verursacht. Die Verhandlungen
darüber will die Kommission noch vor den nächsten Wahlen zum EU-Parlament im Frühjahr 2019 abschließen.
Konkret ging es im Ausschuss um die Mitteilung der Kommission über dem Mehrjährigen Finanzrahmen 2021
bis 2027, um den diesbezüglichen Verordnungsvorschlag sowie um die Entwürfe zum Eigenmittelsystem und
einheitliche Regelungen für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel. Löger rechnet nicht mit einem
Abschluss der Verhandlungen während der österreichischen Ratspräsidentschaft.
Opposition kritisiert Positionierung der Bundesregierung – Liste Pilz für Erhöhung des EU-Budgets
Der Finanzminister wurde in seiner Haltung von den Abgeordneten der Regierungsparteien Klaus Lindinger (ÖVP),
Petra Steger (FPÖ) und David Lasar (FPÖ) unterstützt. Auf weniger Verständnis stieß er
bei der Opposition. Prioritätensetzungen, wie etwa der Schutz der Außengrenzen, erforderten mehr Mittel,
so der oppositionelle Tenor. Österreich sollte eher eine Vermittlerrolle einnehmen und von seiner starren
Position abrücken, stellte Jörg Leichtfried (SPÖ) fest. Er forderte mehr Realismus von der Bundesregierung
ein. Sowohl SPÖ als auch die Liste Pilz brachten Anträge auf Stellungnahme ein, fanden jedoch dafür
keine Mehrheit.
So unterstützt Bruno Rossmann die Erhöhung des Finanzrahmens auf 1,3% des BNE sowie die Schaffung neuer
Eigenmittel, allen voran Ökosteuern. Mit einem gleichbleibenden Finanzrahmen können die Herausforderungen
nicht bewältigt werden, ist er überzeugt. Seine Initiative wurde jedoch von den anderen Parteien nicht
mitgetragen.
Gemeinsame Agrarpolitik: SPÖ will Deckelung der Direktzahlungen
Seitens der SPÖ legte Jörg Leichtfried einen Antrag auf Stellungnahme vor, der jedoch nur von der Liste
Pilz mitgetragen wurde und damit ebenfalls in der Minderheit blieb. In diesem Antrag wird die Neuausrichtung der
Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) thematisiert. Darin spricht sich die SPÖ für mehr Verteilungsgerechtigkeit
in der Agrarpolitik sowie für eine absolute Obergrenze der Direktzahlungen von € 25.000 aus. Leichtfried betonte,
es sollten diejenigen in Zukunft mehr bekommen, die weniger haben.
Karin Doppelbauer von den NEOS unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung der biologischen Landwirtschaft
als zukunftsträchtig und nachhaltig. Eine Kürzung bei der zweiten Säule der GAP hält sie daher
für nicht akzeptabel, weshalb sie den Finanzminister aufforderte, gerade in dieser Frage die Vorreiterrolle
Österreichs zu kräftigen und sich dementsprechend stark zu positionieren. Die von der SPÖ geforderte
Höhe der Deckelung der Direktzahlungen würde ihrer Meinung nach aber mittelständische Betriebe gefährden.
Bruno Rossmann (Pilz) wiederum trat in der Debatte für eine massive Streichung der Direktzahlungen ein und
stimmte mit Doppelbauer überein, dass Kürzungen für den ländlichen Raum nicht zielführend
sein.
Der Finanzminister ging mit dem Ansatz konform, den Biolandbau zu stärken und wandte sich strikt gegen die
Kürzung der Förderung von Bioflächen. Den SPÖ-Antrag mit einer Obergrenze für die Direktzahlungen
hält er jedoch für den falschen Zugang und sprach sich vielmehr für eine bessere Verteilungslogik
aus, indem kleinere Betriebe mehr erhalten. Die von Maximilian Unterrainer (SPÖ) auf die von Nachhaltigkeitsministerin
Köstinger geforderten Ausgleichszahlungen für die Bauern im Fall von Kürzungen, beantwortete Löger
mit dem Hinweis, er könne erst Genaueres dazu sagen, wenn ein Ergebnis vorliegt. Jedenfalls wolle er eine
gute Grundlage für die LandwirtInnen schaffen.
Eigenmittel: Löger lehnt eine additive Steuerstrategie ab
Was die geplanten neuen Eigenmittel betrifft, so unterstützte mit einem eigenen Antrag SPÖ-Abgeordnete
Doris Margreiter den Kommissionsvorschlag. Damit könnten die Prioritäten und Herausforderungen finanziert
werden, stimmte sie mit ihrem Klubkollegen Kai Jan Krainer überein. Beide können sich vorstellen, dass
etwa die Finanztransaktionssteuer, eine Digitalsteuer oder die Besteuerung von Kerosin als einfach administrierbare
Einnahmen die Eigenmittel erhöhen könnten.
Bruno Rossmann von der Liste Pilz sprach sich grundsätzlich dafür aus, substanzielle Eigenmittel auf
EU-Ebene im Zusammenhang mit der Ökologisierung des Steuersystems einzuheben. Das wäre viel besser als
die vorgesehene "mickrige" Plastiksteuer, sagte er. Diese Anregungen nehme er gerne mit, reagierte Löger,
der die Plastikabgabe ebenfalls für nicht optimal hält. Ökologie sei für ihn auch eine Schwerpunktsetzung
innerhalb der EU. Er schränkte aber ein, dass dies nicht zur vordergründigen Steuererhöhung führen
dürfe. Eine additive Steuerstrategie lehnt er ab. Grundsätzlich unterstützte er eine Digitalsteuer
sowie eine Vereinheitlichung der Körperschaftssteuer. Die Finanztransaktionssteuer hält er aber langfristig
für keine gute Grundlage im Sinne einer stabilen Eigenmittelstrategie.
Der SPÖ-Antrag zu den Steuermitteln fand ebenfalls keine Mehrheit, weil er nur von der Liste Pilz unterstützt
wurde.
SPÖ-Antrag gegen aggressiven Steuerwettbewerb
In einem weiteren SPÖ-Antrag thematisierte Kai Jan Krainer den aggressiven Wettbewerb in Bezug auf Unternehmensbesteuerung
einiger EU-Länder auf Kosten anderer EU-Mitgliedstaaten. Darin schlägt die SPÖ vor, ein einheitliches
Level-Playing-Field mit der Beschlussfassung des neuen Mehrjährigen Finanzrahmens zu vereinbaren. Auch dieser
Antrag fand keine Mehrheit im Ausschuss.
Angesprochen von Karin Doppelbauer (NEOS) auf einen europäischen Finanzminister, meinte Löger, in der
derzeitigen Situation sehe er keine Sinnhaftigkeit darin. Die Strukturen mit Kommissionsverantwortung, ECOFIN und
Eurogruppe sei ohnehin komplex genug, weshalb eine weitere Ebene nicht zielführend sei. Außerdem mache
ein gemeinsamer Finanzminister ohne eine vollendete Kapital-, Kapitalmarkt- und Bankenunion kaum Sinn.
Mit Eva Maria Holzleitner (SPÖ) stimmte er überein, dass die EU dem Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit
weiterhin besonderes Augenmerk schenken müsse. Aus diesem Grund werde auch der Sozialfonds laufend erhöht.
Man habe aber die Erfahrung gemacht, dass jene Länder, wo die Probleme am größten sind, die Mittel
bei weitem nicht ausschöpfen. Daher sehe er es aktuell als eine große Herausforderung, diese Länder
bei einer effizienteren Handhabung der Möglichkeiten zu unterstützen.
Mehrjähriger Finanzrahmen: Kommission will Prioritäten setzen, einsparen, umschichten und aufstocken
Die Kommission schlägt eine Ausgabenobergrenze (Verpflichtungen inklusive Europäischer Entwicklungsfonds
EDF) in der Höhe von 1.279 Mrd. € bzw. 1,11% des BNE der EU 27 vor. (MFR 2014-2020: 1.087 Mrd. € oder 1,03%
des BNE der EU 28 ohne 29 Mrd. € für den EDF). Der EDF – bislang ein zwischenstaatliches Abkommen – ist das
wichtigste Instrument der EU zur Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern in Afrika, im karibischen
und pazifischen Raum.
Um, wie die Kommission argumentiert, neue und dringende Prioritäten finanzieren zu können, müsse
die gegenwärtige Mittelausstattung aufgestockt werden. Das soll insbesondere Investitionen in die Bereiche
Forschung und Innovation, junge Menschen und digitale Wirtschaft, Grenzmanagement, Sicherheit und Verteidigung
betreffen. So ist beabsichtigt, beispielsweise die Mittel für Erasmus+ und das Europäische Solidaritätskorps
zu verdoppeln.
Einsparungs- und Effizienzpotentiale sieht die Kommission vor allem im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
und in der Kohäsionspolitik um jeweils ca. 5%.
Brüssel bekennt sich zudem zu einem Bürokratieabbau und schlägt eine größere Flexibilität
innerhalb der Programme und zwischen den Programmen vor. Zudem ist geplant, die Instrumente zur Krisenbewältigung
auszubauen und eine neue "Unionsreserve" einzuführen, um auf unvorhergesehene Ereignisse und Notfälle,
etwa in den Bereichen Sicherheit und Migration, reagieren zu können. So sollen jene Mittel, die im MFR innerhalb
der Obergrenze vorgesehen waren, aber nicht ausgezahlt wurden, nicht mehr verfallen, sondern in diese Unionsreserve
fließen.
Finanzierungen sollen stärker an Achtung der Rechtsstaatlichkeit gekoppelt werden
Als eine äußerst wichtige Neuerung unterstreicht die Kommission den Grundsatz, Finanzierungen durch
die EU stärker an die Rechtsstaatlichkeit zu koppeln. Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit sei eine Grundvoraussetzung
für die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung und eine wirksame EU-Finanzierung, heißt es in
der genannten Aussendung. Ein neuer Mechanismus soll demnach den EU-Haushalt vor finanziellen Risiken schützen,
die auf generelle Rechtsstaatlichkeitsdefizite in den Mitgliedstaaten zurückgehen. Mit den neuen Instrumenten
könnte die Union den Zugang zu EU-Mitteln in einer Weise aussetzen, verringern oder beschränken, die
proportional zur Art, zur Schwere und zum Umfang der Rechtsstaatlichkeitsdefizite wäre.
Einen besonderen Schwerpunkt setzt die Union auf eine stabile Wirtschafts- und Währungsunion. Dazu plant die
Kommission zwei neue Instrumente: Ein mit insgesamt 25 Mrd. € dotiertes Reformhilfeprogramm soll alle Mitgliedstaaten
finanziell und technisch unterstützen, die prioritäre Reformen anstreben. Darüber hinaus werden
Mitgliedstaaten, die dem Euroraum nicht angehören, den Euro aber einführen wollen, bei ihren Bemühungen
durch eine Konvergenzfazilität gezielt unterstützt. Ferner soll eine Europäische Investitionsstabilisierungsfunktion
dazu beitragen, das Investitionsniveau bei schweren asymmetrischen Schocks zu halten. Angedacht sind zunächst
Back-to-Back-Darlehen von bis zu 30 Mrd. €, die mit einer finanziellen Unterstützung für die Mitgliedstaaten
zur Deckung der Zinskosten kombiniert sind.
EU-Kommission plant höhere Eigenmittel
Um die prioritären Vorhaben umsetzen zu können, plant die Kommission zusätzliche Einnahmen von
bis zu 22 Mrd. € jährlich, das wären rund 12% des gesamten EU-Haushalts. Die Kommission stellt sich eine
Kombination aus zusätzlichen Finanzmitteln (80%) sowie aus Umschichtungen und Einsparungen (20%) vor.
Als eine neue Finanzierungsquelle für die langfristige Haushaltsplanung schlägt die Kommission Vereinfachungen
bei den auf der Mehrwertsteuer (MwSt) basierenden Eigenmitteln und die Einführung eines sogenannten Korbs
neuer Eigenmittel vor, der an die politischen Prioritäten der EU gekoppelt ist. Dieser Korb neuer Eigenmittel
besteht laut Entwurf aus 20% der Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem; ferner einem Abrufsatz von 3%, angewendet
auf die neue gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, die Schritt für Schritt
eingeführt werden soll; zudem sollen die EU-Mitgliedsaaten einen nationalen Beitrag (0,80 € pro Kilo) leisten,
der anhand der anfallenden nicht wiederverwerteten Verpackungsabfälle aus Kunststoff berechnet wird. Die Eigenmittelobergrenze
soll von 1,2% auf 1,29% des Bruttonationaleinkommens angehoben werden.
Rabattsystem steht zur Diskussion
Auch das Rabattsystem steht aus Anlass des Brexit bei den kommenden EU-Haushaltsverhandlungen zur Debatte. Es gibt
sogar "Rabatte auf den Rabatt". Die Kommission strebt jedenfalls einen Wegfall aller Rabatte an. Sie
sollen während eines Zeitraums von fünf Jahren auslaufen. Außerdem soll der Anteil, der von den
Mitgliedstaaten bei der Einhebung von Zöllen einbehalten wird von 20% auf 10% gesenkt werden – die Einnahmen
aus Zöllen sind ein Teil der sogenannten Eigenmittel.
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