Graz (stadt) - Vor rund einem Jahr wurden im Rahmen der Bauarbeiten für das neue Jugendzentrum Grünanger
Fundstücke aus den 1940er-Jahren gefunden, als das Grundstück Teil des Lagers Liebenau war. In diesem
waren zuerst Flüchtlinge aus dem Sudetenland und später Zwangsarbeiter für die Puchwerke sowie den
Ostwall untergebracht. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt wurden die Fundstücke freigelegt und
gesichtet. Durch Adaptionen am Projekt war es möglich, die Bauarbeiten zügig fortzusetzen, sodass das
Jugendzentrum mit Dezember 2017 an die Jugendlichen vor Ort übergeben werden konnte.
Geschichte begreifbar machen
„Von Seiten der Stadt Graz wurden sofort nach Bekanntwerden der Funde alle notwendigen Schritte eingeleitet,
um die zuständigen Stellen, wie etwa das Bundesdenkmalamt, mit der Thematik zu befassen. Diese Zusammenarbeit
hat ausgezeichnet funktioniert", erklärt Bildungs-, Jugend- und Familienstadtrat Kurt Hohensinner, „unser
gemeinsames Ziel war es an diesem geschichtsträchtigen Ort ein positives Miteinander von in die Zukunft gerichteter
Jugendarbeit und lebendiger Gedenkkultur zu ermöglichen." Für alle Beteiligten, insbesondere Stadt
Graz und WIKI als Betreiber des Jugendzentrums war es besonders wichtig, dass die Jugendlichen auch über die
Vergangenheit des Standorts Bescheid wissen. Die in der Offenen Jugendarbeit gelebten und erlebten Werte wie Toleranz,
Gleichheit, Offenheit, Mitbestimmung, Rücksichtnahme sollen hier noch stärker in den Vordergrund rücken.
So wurde die Vergangenheit des Standorts mit den Jugendlichen vor Ort nicht nur thematisiert, sondern mit den Fundstücken
auch erleb- und begreifbar gemacht. Die Ausgrabungen auf der JUZ-Baustelle boten die Gelegenheit dazu. Bei einer
Führung mit einem Archäologen erfuhren die Jugendlichen viel Interessantes und konnten einen beklemmenden
Ausflug in den freigegrabenen Luftschutzdeckungsbunker machen. Fragen zum Krieg und Nationalsozialismus tauchten
auf. Mithilfe der „ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus" wurde das Thema in einem dreiteiligen Workshop
mit den Jugendlichen vor Ort aufbereitet. Im Gedenkjahr 2018 wurden darüber hinaus die Themen Demokratie,
Vergangenheit und Zukunft in Workshops thematisiert.
Kunstprojekt im Eingangsbereich
Zum Abschluss der Workshop-Reihe entstand mit dem Künstler Fritz Neuhold ein Kunstwerk, das nun im Eingangsbereich
des neuen Jugendzentrums an die Opfer des Lagers Liebenau erinnert. Dieses wurde ebenso gemeinsam mit den Jugendlichen
kreiert. Dazu durften nach Rücksprache mit dem Bundesdenkmalamt auch Original Fundstücke verwendet werden.
Dieses wird auch immer wieder von Passanten fotografiert und bewegt ältere Menschen aus dem Einzugsgebiet
dazu beim Jugendzentrum einzukehren, und zu erzählen, wie sie selbst diese Zeit erlebt haben. „Nur durch eine
aktive Erinnerungskultur können wir sicherstellen, dass die Gräueltaten dieser Zeit nicht vergessen werden.
Mit bewusstseinsbildenden Maßnahmen wie diesen schaffen wir an diesem Standort die notwendige Sensibilität
für die Geschichte des Ortes", mahnt Hohensinner.
Edtstadler: Bei den Jüngsten ansetzen
„Wir müssen unsere Vergangenheit kennen, um die Zukunft positiv gestalten zu können. Ich möchte
das Gedenkjahr nutzen, um vor allem auch Kinder und Jugendliche für dieses Thema zu interessieren und zu sensibilisieren.
Den Grundstein für ein sensibles Geschichtsbewusstsein müssen wir bereits bei unseren Jüngsten legen.
Projekte wie jenes im Jugendzentrum Grünanger leisten daher einen wichtigen Beitrag, um Geschichte sichtbar
und greifbar zu machen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Verantwortlichen des Projekts und vor allem bei
den Jugendlichen für die Gestaltung des Kunstwerks, das an die Opfer des Lagers Liebenau erinnert", so
Staatssekretärin Karoline Edtstadler.
Zukunftsraum miteinander gestalten
„Jugendzentren sind wichtige Anziehungspunkte und Orte des Miteinanders und des positiven Austauschs. Deshalb
investieren wir auch weiter in diesem Bereich. Mit dem Neubau der beiden Jugendzentren Grünanger und Echo
haben wir im vergangenen Jahr ein kräftiges Zeichen für die Zukunft der Grazer Jugendkultur gesetzt",
so der Jugend- und Familienstadtrat. Ziel ist es, nicht nur neue Räume für die Jugendlichen zu schaffen,
sondern auch sicherzustellen, dass jene, die sie später nutzen werden, diese auch selbst gestalten und sich
entfalten können. Das JUZ Grünanger ist ein Best-Practice-Beispiel für diesen Zugang. So wurde das
Haus im Dezember beinahe leer übergeben und die Jugendlichen waren von Anfang an in Fragen der Gestaltung
und Einrichtung miteingebunden. Gemeinsam mit dem Jugendbeschäftigungsprojekt „heidenspaß" wurde
die Inneneinrichtung konzipiert und das eigene handwerkliche Geschick erprobt. Ein Großteil der Inneneinrichtung
wurde von den Jugendlichen erdacht und in der Begleitung von Professionisten umgesetzt. Auch hier finden sich Anspielungen
auf die Geschichte des Standorts. So finden sich etwa im Barbereich Alltagsgegenstände wie Brillen, Schuhe
etc, die von schweren Holzbalken verdeckt und doch sichtbar sind. Eine weitere Besonderheit in diesem Jugendzentrum
ist die topmoderne Küche. Diese wurde von der Firma Cookina gesponsert, da das Thema Kochen ebenfalls eine
wichtige Rolle im Konzept des Jugendzentrums einnimmt.
Werkstatt, Sport und Jugendcoach
Außerdem verfügt das Jugendzentrum Grünanger über eine Werkstatt, in der Jugendliche Dinge
reparieren können, oder auch selbst etwas zusammenbauen können. Zentral ist das Ausprobieren. Das Team
des Jugendzentrums begleitet die Jugendlichen dabei und garantiert neben dem handwerklichen Schwerpunkt einen ansprechenden
Rahmen. Auch die sportlichen Aktivitäten kommen nicht zu kurz, wie beispielsweise Tischtennis oder Skaten
am angrenzenden Skaterpark Grünanger. Außerdem steht das multiprofessionelle Team den Jugendlichen mit
Rat und Tat in schwierigen familiären oder schulischen Angelegenheiten zur Seite. Darüber hinaus gibt
es im Jugendzentrum Grünanger einen Jugendcoach, der gemeinsam mit den Jugendlichen berufliche Perspektiven
entwickelt.
Zum Lager Liebenau
Es wurde 1940 für 5.000 bis 6.000 Personen angelegt. Zu Beginn war es für Flüchtlinge aus dem
Sudetenland gedacht. 1943 wurden darin Zwangsarbeiter für die Puchwerke untergebracht. Gegen Ende des Zweiten
Weltkrieges wurden Zwangsarbeiter des Ostwalls, unter ihnen ungarische Juden, auf dem Todesmarsch über das
Burgenland, das Lager in Graz und den Präbichl nach Mauthausen getrieben. In den letzten Kriegstagen wurden
35 von ihnen im Lager Liebenau ermordet.
Zu den Grazer Jugendzentren
Derzeit leben ca. 17.500 junge Menschen zwischen 14 und 19 Jahren in Graz. Im Jahr 2016 kamen 6.915 Grazer
Jugendliche in die Jugendzentren, in Summe ergaben sich in diesem Jahr 74.913 Kontakte. Die Stadt Graz hat zuletzt
rund 2 Mio. Euro in den Umbau und die Modernisierung der Jugendzentren investiert. Neben dem JUZ Grünanger
betrifft dies das Jugendzentrum ECHO und das JUZ Dietrichskeuschn.
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