ÖVP, FPÖ und NEOS stimmen im Wirtschaftsausschuss für Ratifizierung
Ottawa/Brüssel/Wien (pk) - Das zwischen der EU und Kanada abgeschlossene Freihandelsabkommen CETA hat
am 5. Juni die erste Hürde im österreichischen Parlament genommen. Neben ÖVP und FPÖ stimmten
auch die NEOS im Wirtschaftsausschuss des Nationalrats für eine Genehmigung des Vertrags. Österreich
müsse neue Märkte erschließen, um nicht zuletzt auch Arbeitsplätze zu sichern, ist ÖVP-Wirtschaftssprecher
Peter Haubner überzeugt. Weiterhin skeptisch sind hingegen SPÖ und Liste Pilz: Sie warfen den Regierungsparteien
neuerlich vor, das Abkommen überstürzt zu ratifizieren, und forderten eine Volksabstimmung. Ein von EU-Sprecher
Jörg Leichtfried (SPÖ) eingebrachter Entschließungsantrag fand aber ebenso wenig eine Mehrheit
wie von der SPÖ geforderte Zusatzklauseln zum Vertrag.
Vor der Abstimmung hatte der Ausschuss ein mehr als dreistündiges Hearing abgehalten, wobei die Meinungen
der ExpertInnen genauso auseinandergingen wie jene der Abgeordneten. Während etwa IHS-Chef Martin Kocher Bedenken
gegen CETA zu zerstreuen versuchte und auf zu erwartende Vorteile für KonsumentInnen hinwies, warnten Alexander
Egit von Greenpeace und Alexandra Strickner von Attac Österreich vor negativen Auswirkungen des Abkommens
auf Umwelt- und Sozialstandards. Vor allem die in CETA enthaltenen Sonderklagsrechte für Investoren sind ihnen
ein Dorn im Auge. Ein Lob für die neue Art des Streitschlichtungsmechanismus gab es hingegen vom ISDS-Experten
Thomas Obersteiner. Auch der Rechtswissenschaftler August Reinisch ortet gravierende Verbesserungen gegenüber
der klassischen adhoc-Schiedsgerichtsbarkeit.
Neuerlich für das Abkommen warb Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. Sie erwartet sich 15.000
zusätzliche Arbeitsplätze in Österreich.
Egit: Preiswettbewerb wird zur Senkung von Standards führen
Im Rahmen des Hearings äußerten sich insbesondere Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace
in Zentral- und Osteuropa, und Alexandra Strickner, Forschungsassistentin an der Wirtschaftsuniversität Wien
und langjähriges Mitglied von Attac Österreich, kritisch zu CETA. Greenpeace habe nichts gegen Handelsabkommen
an sich, betonte Egit, entscheidend sei aber, ob diese gerecht und fair gestaltet sind. Das sei bei CETA nicht
der Fall.
Egit fürchtet unter anderem, dass durch CETA ein Preiswettbewerb zwischen Kanada und der EU ausgelöst
wird und sich in Folge nachteilige Standards durchsetzen werden, etwa was den Bereich Lebensmittelsicherheit, den
Klimaschutz oder das Arbeitsrecht betrifft. Außerdem ist seiner Meinung nach das in der EU geltende Vorsorgeprinzip
durch CETA nicht ausreichend abgesichert. Im Agrarbereich drohten kleine bäuerliche Betriebe unter die Räder
zu kommen.
Besonders kritisch bewertet Egit die Sonderklagsrechte für Konzerne. Es gehe nicht nur um ein paar kanadische
Unternehmen, vielmehr könnten auch rund 40.000 US-amerikanische Konzerne über Tochtergesellschaften in
Kanada klagsberechtigt werden. Der Experte ortet außerdem eine Diskriminierung, da die Sonderklagsrechte
nur für ausländische, nicht aber für inländische Unternehmen gelten.
Wenn man wolle, könne man CETA ein paar Giftzähne ziehen, ist sich Egit sicher. Dadurch würde auch
die Akzeptanz des Abkommens in der Bevölkerung steigen, machte er geltend. Neben den Sonderklagsrechten für
Konzerne hält er etwa auch die Bestimmungen über die regulatorische Kooperation zwischen Kanada und der
EU für äußerst fragwürdig. Sowohl er als auch Strickner erwarten sich einen "regulatory
chill"-Effekt, also einen Verzicht auf strengere gesetzliche Regelungen, um Investorenklagen und damit verbundene
langwierige und teure Verfahren zu vermeiden. Unverständlich ist für Egit auch der Zeitdruck, mit dem
der Ratifizierungsprozess eingeleitet wurde.
Strickner: CETA ist ein Deregulierungsabkommen
In eine ähnliche Stoßrichtung ging die Kritik von Attac-Vertreterin Alexandra Strickner. CETA sei im
Kern kein Handelsabkommen, sondern ein Deregulierungsabkommen, sagte sie. So würden etwa Märkte für
ausländische Direktinvestitionen geöffnet, auch im Dienstleistungssektor. Zudem gehe es um die Angleichung
von Standards und die Einschränkung von Regulierungsmöglichkeiten. Mittel- und langfristig werde es zu
massiven strukturellen Änderungen, etwa in der Landwirtschaft, kommen, ist sie aufgrund der Erfahrungen mit
dem amerikanischen Handelspakt NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko überzeugt. NAFTA habe in Kanada etwa
eine Halbierung des landwirtschaftlichen Nettoeinkommens, deutlich mehr Massentierhaltung und eine erhebliche Zunahme
des Einsatzes von Chemikalien bewirkt.
Nicht gelten ließ Strickner das Argument, dass CETA ausdrücklich ein "right to regulate" enthält.
Dieses Recht auf gesetzliche Regulierungen sei stark eingeschränkt, meinte sie und kritisierte in diesem Zusammenhang
nicht nur die Sonderklagsrechte für Investoren sondern auch das Prinzip der freiwilligen regulatorischen Kooperation
zwischen der EU und Kanada. Dadurch bestehe die Gefahr, dass geplante gesetzliche Verschärfungen abgedreht
würden, noch bevor es eine öffentliche Diskussion darüber gebe. Überdies eröffne man damit
Lobbyisten Tür und Tor. Während Investoren im System die Möglichkeit hätten, ihre Rechte durchzusetzen,
gäbe es diese für ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen nicht.
Strickner glaubt darüber hinaus, dass die in CETA enthaltenen Bestimmungen über Schiedsgerichte sehr
wahrscheinlich nicht mit EU-Recht kompatibel sind. Das lasse sich aus dem sogenannten Achmea-Urteil des EuGH schließen.
Derzeit laufe aufgrund einer Initiative Belgiens eine entsprechende Prüfung beim EuGH, skizzierte sie. Ihrer
Meinung nach hätte man das für 2019 zu erwartende Urteil abwarten sollen.
Kocher: Gewinner von CETA sind die KonsumentInnen
Von einem insgesamt "sehr vernünftigen Abkommen", das über Jahre verhandelt wurde und vor dem
man sich aus ökonomischer Sicht nicht fürchten müsse, sprach hingegen der Ökonom Martin Kocher,
Direktor des Instituts für Höheres Studien (IHS). Man solle die Kirche im Dorf lassen, sowohl was die
Erwartungen an das Abkommen als auch was mögliche negative Auswirkungen betrifft, meinte er. Schließlich
handle es sich bei Kanada und der EU um zwei hoch entwickelte Wirtschaftsräume mit geringen Unterschieden.
Insofern hält er auch einen Vergleich zwischen NAFTA und CETA nicht für angebracht.
Kocher erwartet sich, dass vor allem auch KonsumentInnen vom Abkommen profitieren werden. Schließlich führten
Zöllen und andere Handelsbarrieren dazu, dass Güter und Dienstleistungen teurer werden. Bisherige Erfahrungen
hätten jedenfalls gezeigt, dass die Summe der durch Handelsabkommen entstandenen Gewinne größer
sei als die Summe der Verluste. Österreich als kleine offene Volkswirtschaft sei außerdem stark vom
Außenhandel abhängig. Genaue Zahlen über die langfristigen Effekte von CETA konnte Kocher nicht
nennen: Die Schätzungen von ExpertInnen schwanken ihm zufolge zwischen 0,02 % und 0,46 % des BIP. "Die
Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen".
Ein gewisses Verständnis äußerte Kocher für die Forderung, Handels- und Investitionsschutzabkommen
zu trennen. Er könne nachvollziehen, dass sich Parlamente in ihrer Autonomie eingeschränkt fühlen.
Andererseits würden mit CETA gewisse Standards gesetzt. Zudem sei nachgewiesen, dass Investitionsschutzabkommen
zu stärkeren Investitionen führen, eine Feststellung, die von Strickner jedoch hinterfragt wurde.
Obersteiner: CETA ist Vorbild für andere Abkommen
Rechtsanwalt Thomas Obersteiner, Experte für Dispute zwischen Investoren und Staaten, machte geltend, dass
Investitionsschutzabkommen seit vielen Jahrzehnten etabliert und auch für Österreich von großer
Bedeutung sind. Weltweit bestehen ihm zufolge tausende solcher Verträge. Mit CETA werden seiner Einschätzung
nach progressive Regeln geschaffen, die den Investitionsschutz auf eine völlig neue Ebene heben.
Wie Obersteiner betonte, gibt es gravierende Unterschiede zwischen herkömmlichen Schiedsgerichtsverfahren
und dem in CETA vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus. So seien keine privaten sondern staatliche Schiedsgerichte
vorgesehen. Die RichterInnen würden von Kanada und der EU bestellt und strengen Ethikregeln unterliegen. Zudem
würden die Verfahren nicht hinter verschlossener Tür stattfinden, sondern transparent sein. Explizit
sei außerdem das "right to regulate" im Abkommen verankert: Den Staaten sei es unbenommen, Umweltschutz-
oder Sozialstandards zu erhöhen, auch wenn sich das negativ auf Investitionen auswirke.
Österreich solle sich die Chance, das Investitionsschutzkapitel zu beschließen, nicht entgehen lassen,
so Obersteiner zusammenfassend. CETA werde Vorbildwirkung für andere Abkommen haben.
Dass US-amerikanische Briefkastenfirmen CETA dazu nutzen, um EU-Staaten zu klagen, wie von mehreren Seiten befürchtet,
ist laut Obersteiner ausgeschlossen. Nur wer eine wesentliche Geschäftstätigkeit in Kanada ausübe,
könne sich auf das Abkommen berufen. Ausgeschlossen sei auch, dass die Schiedsrichter als Parteienvertreter
agieren dürfen.
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Reinisch: Wahrscheinlichkeit, dass EuGH CETA kippt, ist gering
Auch August Reinisch, Leiter der Abteilung für Völkerrecht und Internationale Beziehungen des Instituts
für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung derUniversität Wien verwies auf erhebliche
Unterschiede zwischen CETA und bisherigen Investitionsschutzabkommen. Anders als bei herkömmlichen adhoc-Schiedsgerichten
werden kanadische Unternehmen, die einen EU-Staat klagen wollen, keine Möglichkeit haben, einen Schiedsrichter
zu ernennen oder das Verfahren sonstwie zu beeinflussen, hob er hervor. Vielmehr sei ein quasigerichtliches Schiedsverfahren
vorgesehen, das noch dazu wesentlich transparenter ausgestaltet sei als die meisten zivilrechtlichen Verfahren
in der EU.
Zudem verwies auch Reinisch auf das "right to regulate". Vorgabe für die Staaten sei lediglich,
dass Investoren "gerecht und billig" zu behandeln seien. Das eröffne zwar gewisse Interpretationsspielräume,
räumte er ein, grundsätzlich gehe es aber darum, Rechtsverweigerung, Willkür und Diskriminierung
auszuschließen. Entscheidend werde letztlich die Rechtsprechung sein. Aber auch bei den adhoc-Schiedsgerichten
hätten die Erfahrungen in der Praxis gezeigt, dass Klagen zurückgehen, wenn sich überschießende
Forderungen als aussichtslos erweisen. Reinisch machte überdies geltend, dass Österreich seit den 1970er-Jahren
einige Dutzend Investitionsschutzabkommen geschlossen habe.
Was das Achmea-Urteil des EuGH betrifft, gehen sowohl Reinisch als auch Obersteiner – anders als Strickner – davon
aus, dass sich keine Konsequenzen für CETA ergeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der EuGH auch CETA als unvereinbar
mit EU-Recht wertet, sei sehr gering, glaubt Reinisch. Schließlich sei es beim Achmea-Urteil vorrangig um
das Auslegungsmonopol von EU-Recht gegangen. Auch Obersteiner sieht starke Anzeichen dafür, dass der Antrag
Belgiens keinen Erfolg haben wird.
SPÖ und Liste Pilz fordern Volksabstimmung über CETA
Die beiden Experten konnten die Bedenken der SPÖ gegen CETA allerdings nicht ausräumen. Die Investitionsgerichte
seien keine herkömmlichen Gerichte, blieb SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried bei seiner Kritik und
warf Obersteiner und Reinisch vor, Nebelschwaden zu verbreiten. Zudem halten er und sein Fraktionskollege Kai Jan
Krainer die Sonderklagsrechte für Investoren grundsätzlich für ungerecht. Schließlich hätten
auch KäuferInnen eines Dieselautos mit überhöhten Abgaswerten nicht die Möglichkeit, sich an
Sonderschiedsgerichte zu wenden. Nicht alle seien vor dem Gesetz offenbar gleich, monierte Leichtfried.
Um ihre Kritik zu untermauern, brachte die SPÖ zwei Anträge ein, die bei der Abstimmung jedoch nur von
der Liste Pilz mitunterstützt wurden und damit in der Minderheit blieben. Konkret wollte die SPÖ einen
völkerrechtlichen Vorbehalt beschließen, wonach jene Kapitel von CETA, die die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten
zwischen Investoren und Staaten regeln, nicht für von Österreich eingeführte oder aufrechterhaltene
Maßnahmen gelten. Zudem ging es Leichtfried und seinen FraktionskollegInnen darum, dass der Nationalrat vereinfachte
Änderungen von CETA, wie sie insbesondere dem gemischten CETA-Ausschuss zustehen, ausdrücklich genehmigen
muss.
Auch mit der Forderung nach Abhaltung einer Volksabstimmung und einem Antrag auf Vertagung der Beratungen blitzte
die SPÖ ab. ÖVP und FPÖ seien verantwortlich dafür, dass es die Sondergerichtsbarkeit für
Konzerne geben wird, hielten Leichtfried und Krainer in diesem Zusammenhang fest. Als besonders skurril wertete
Leichtfried dabei, dass die FPÖ plötzlich zum CETA-Befürworter geworden ist, nachdem sie zuvor immer
wieder heftige Kritik am Abkommen geübt habe. Dass sich am Vertrag in den vergangenen Monaten nichts geändert
hat, bestätigte grundsätzlich auch Rechtswissenschaftler Reinisch.
Das Argument, dass CETA ökonomische Vorteile für Österreich bringe, führt nach Meinung von
Leichtfried und Krainer am eigentlichen Problem vorbei. Niemand stelle den Handelsteil des Abkommens in Frage,
versicherten sie. Vielmehr gehe es um die Sonderklagsrechte für Konzerne. Krainer gab in diesem Zusammenhang
zu bedenken, dass sich das "right to regulate" auf legitime politische Ziele beschränke, was jede
Menge Interpretationsspielraum eröffne. Er erwartet sich unter anderem negative Auswirkungen auf Niedriglöhne.
Von einer überstürzten Ratifikation sprach auch SPÖ-Abgeordnete Doris Margreiter.
Das Problem liege darin, dass CETA kein reines Handelsabkommen sei, stimmte auch Bruno Rossmann von der Liste Pilz
in den Chor der KritikerInnen ein. Er könne bei den Sonderklagsrechten jedenfalls keine Progressivität
erkennen. CETA sehe kein klassisches Gerichtssystem mit unabhängigen und unparteilichen RichterInnen vor.
Am Ende zähle die Rechtsmeinung privat bezahlter JuristInnen. Für Rossmann ist es zudem evident, dass
auch eine Reihe von Ökonomen CETA durchaus kritisch sehen.
ÖVP, FPÖ und NEOS stimmen für CETA
Hinter das Abkommen stellten sich hingegen die Abgeordneten der ÖVP, der FPÖ und der NEOS. Österreich
müsse neue Märkte erschließen, auch in der Vergangenheit seien durch Handelsabkommen zahlreiche
Arbeitsplätze geschaffen worden, sagte etwa Ausschussvorsitzender Peter Haubner (ÖVP). Er wandte sich
ebenso gegen den Vorwurf, dass die Ratifikation überstürzt erfolge. Österreich solle nicht aufs
Exportchancen verzichten, bekräftigte auch seine Fraktionskollegin Maria Niss. Angelika Winzig (ÖVP)
wies darauf hin, dass das Vorsorgeprinzip im EU-Primärrecht verankert sei und nicht durch einen internationalen
Vertrag ausgehebelt werden könne.
Seitens der FPÖ hoben Wolfgang Klinger und Axel Kassegger die erzielten Verbesserungen bei den Schiedsgerichten
hervor. Die unter SPÖ-Regierungsbeteiligung beschlossenen zahlreichen Investitionsschutzabkommen seien objektiv
jedenfalls viel schlechter gewesen als CETA, sagte Kassegger. Zudem sei das Mandat an die EU-Kommission, mit Kanada
über Investitionsschutz zu verhandeln, unter einem SPÖ-Bundeskanzler erteilt worden. Namens der NEOS
hinterfragte Josef Schellhorn die kritischen Ausführungen von Egit und Strickner.
Über den Antrag der SPÖ auf Abhaltung einer Volksabstimmung über CETA wurde eine namentliche Abstimmung
durchgeführt, wobei neben ÖVP und NEOS auch die FPÖ-Mandatare geschlossen gegen die Initiative stimmten.
Schramböck: Durch CETA werden bis zu 15.000 neue Arbeitsplätze geschaffen
Das Abkommen sei ein wichtiger Meilenstein, warb Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck für das
Abkommen. Sie erwartet sich die Schaffung von bis zu 15.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in Österreich.
6 € von 10 € des österreichischen BIP hingen mit dem Export zusammen, hob sie die Bedeutung der Exportwirtschaft
hervor. Die Befürchtung, dass durch CETA Standards eingeschränkt werden, teilt Schramböck nicht,
ebenso seien öffentliche Dienstleistungen umfassend abgesichert. Das betreffe auch den sozialen Wohnbau, hielt
sie in Richtung Rossmann fest.
Schramböck wiederholte zudem ihre bereits im Bundesrat getätigte Aussage, dass Österreich zur Einleitung
des Ratifikationsprozesses verpflichtet sei. Die Bundesregierung habe im Ministerrat geschlossen für CETA
gestimmt, ob es dazu Wortmeldungen gegeben hat, wollte sie der SPÖ auch nach mehrmaliger Nachfrage allerdings
nicht verraten. Wichtig war Schramböck außerdem die Feststellung, dass CETA keine Schiedsgerichte vorsehe,
sondern Investitionsgerichte, die permanent eingerichtet sein werden. Die Kosten für diese ICS-Gerichte stehen
noch nicht fest.
Sollte der EuGH zum Schluss kommen, dass CETA nicht mit EU-Recht vereinbar sei, werde das Abkommen nicht in Kraft
treten und es zu Nachverhandlungen kommen, erklärte Schramböck. Die Ministerin geht aber davon aus, dass
das Abkommen hält.
CETA stellt wirtschaftliche Beziehungen zwischen EU und Kanada auf neue Grundlage
CETA ist das erste umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen der EU mit einem Industriestaat und soll die wirtschaftlichen
Beziehungen zwischen der Union und Kanada auf eine neue vertragliche Grundlage stellen und dafür einen umfassenden
Rahmen bilden, wie es in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage ( 152 d.B.) heißt. In diesem
Sinn enthält es unter anderem Bestimmungen über den Marktzugang für Waren, handelspolitische Schutzmaßnahmen,
die Abschaffung technischer Handelshemmnisse, gesundheitspolitische und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen,
Zoll- und Handelserleichterungen, Investitionen, Subventionen, grenzüberschreitende Dienstleistungen, die
gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen, interne Regulierung, Finanzdienstleistungen, öffentliche
Beschaffungen, geistiges Eigentum, Handel und nachhaltige Entwicklung sowie Transparenz und Streitbeilegung. Letztere
ist in einem eigenen Abschnitt normiert, der detaillierte Regelungen über Konsultations- und Mediationsverfahren
sowie Schiedsverfahren vorsieht.
Weite Teile von CETA sind bereits am 21. September vorläufig in Kraft getreten. Das betrifft etwa den Abbau
von Zöllen und anderen Handelshemmnissen. Dadurch sind gemäß den Erläuterungen bereits 98%
aller Zolltariflinien abgeschafft. Insgesamt werden beide Seiten nach vollständiger Umsetzung die Zölle
für mehr als 99% aller Zolltarifpositionen beseitigen (100% bei Industriewaren, 95% bei Agrarprodukten). Bei
sensiblen Agrarprodukten wurden allerdings Marktzugangsquoten für Kanada vereinbart.
Grundsätzlich ist CETA ein sogenanntes gemischtes Abkommen, da es Kompetenzen sowohl der Europäischen
Union als auch der Mitgliedstaaten berührt. Daher bedarf es für ein endgültiges Inkrafttreten auch
der Genehmigung durch sämtliche EU-Länder. Insbesondere die im Abkommen enthaltenen Sonderklagsrechte
für Investoren werden erst nach Abschluss des Ratifizierungsprozesses in allen 28 EU-Staaten wirksam.
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