Buchpräsentation im Parlament zur Geschichte des Beethovenfrieses
Wien (pk) – Im heurigen Gedenkjahr sei es angebracht, auch daran zu erinnern, wie lange Österreich
sich hinter dem Opfermythos versteckt hat, sagte Bundesratspräsident Reinhard Todt am 4. Juni im Rahmen einer
Veranstaltung zum Thema Kunstrückgabegesetz. Das habe sich zwar seit der Rede von Bundeskanzler Vranitzky
1991 geändert, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sei jedoch ein stetiger Prozess, und es gebe immer
noch Themen, die noch nicht völlig aufgearbeitet seien. Das Buch von Sophie Lillie "Feindliche Gewalten.
Das Ringen um Gustav Klimts Beethovenfries" befasse sich mit einer noch immer nicht völlig bewältigten
Frage, nämlich der Restitutionspraxis der Republik Österreich. Toth meinte, es stehe gerade dem Parlament
als Haus der Demokratie gut an, sich auch mit solch heiklen Themen zu befassen. Er hoffe, mit dieser Veranstaltung
einen Nachdenkprozess über den Umgang mit Restitutionsfragen anstoßen zu können, sagte Toth. So
sei es etwa beschämend, wenn die dem Erben Erwin Lederer versprochene Tafel, die ihn als Stifter des Frieses
ausweisen sollte, bis heute nicht angebracht wurde.
Das Beethoven-Fries: Langes Ringen um Restitution
Im Gespräch mit der Zeithistorikerin Barbara Serloth erläuterte die Autorin ihre Beweggründe, dem
Fall des 1902 von Gustav Klimt geschaffenen Bilderzyklus ein eigenes Buch zu widmen. Ihr sei es vor allem darum
gegangen, die Umstände, wie die Republik Österreich in den Besitz des so genannten "Beethovenfrieses"
kam, ins Bewusstsein zu rufen. Damit wolle sie jenes einseitige Bild zurechtrücken, das in der Öffentlichkeit
anlässlich der Diskussion um die Rückgabe des Werkes gezeichnet wurde. Um den Fall zu verstehen, müsse
man aber auch die andere Seite und die historischen Hintergründe kennen.
Bei dem Sammlerehepaar August und Szerena Lederer, welche das Fries ab 1915 besaßen, habe es sich um passionierte
Förderer der Wiener Moderne gehandelt, schilderte Lillie. Sie trugen mit ihren Käufen wesentlich dazu
bei, dass Gustav Klimt, der keine öffentlichen Aufträge erhielt, seine finanzielle Unabhängigkeit
sichern konnte. 1938 wurden das Ehepaar Lederer enteignet und war der Verfolgung durch die Nationalsozialisten
ausgesetzt. Zwar wurde nach dem Zweiten Weltkrieg das Werk an den rechtmäßigen Erben Erich Lederer zurückgegeben,
doch ohne Ausfuhrgenehmigung. Nach langen Bemühungen verkaufte Lederer den Fries 1972 schlussendlich um 15
Millionen Schilling an den österreichischen Staat, was ein sehr geringer Preis für ein Kunstwerk von
derart eminenter kunsthistorischer Bedeutung gewesen sei, merkte Lillie an.
Das Kunstrückgabegesetz habe unterdessen mit der lange geübten, jedoch sehr fragwürdigen Praxis
der Republik, einer Aufhebung des Ausfuhrverbots nur zuzustimmen, wenn im Gegenzug Schenkungen an den österreichischen
Staat erfolgten, Schluss gemacht. Im Falle des Beethovenfrieses habe nachweislich eine derartige "faktische
Erpressung" stattgefunden, trotzdem sei das Bild bis heute nicht an die Erben nach Erich Lederer zurückgegangen.
Für Lillie zeigen sich an dem Fall nach wie vor bestehende Unzulänglichkeiten der staatlichen Restitutionspraxis.
Die Republik sei nach wie vor sowohl Richter als auch Partei, die Geschädigten hätten hingegen keine
Parteienstellung. Damit würden Restitutionen wenig transparent abgewickelt und die Entscheidungsfindung entspreche
keinem rechtsstaatlichen Verfahren, so die Auffassung von Lillie. Sie hoffe, eine Debatte um die ungelösten
Fragen der Restitution anstoßen zu können. Das Anbringen von Erklärungstafeln zu Kunstwerken sei
zweifellos eine wichtige Forderung. Dabei sei aber darauf zu achten, dass die Geschehnisse klar benannt werden
und kein Ausweichen in Euphemismen erfolgt.
Sophie Lillie ist Kunst- und Zeithistorikerin in Wien und hat bereits zahlreiche Publikationen zu den Themen privates
Sammeln in Wien vor 1938, Kunstraub und Kunstrestitution veröffentlicht. Ihr Buch "Feindliche Gewalten.
Das Ringen um Gustav Klimts Beethovenfries" ist 2017 im Czernin Verlag erschienen.
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