Restitution: Bundesratspräsident Todt
 plädiert für Nachdenkprozess

 

erstellt am
05. 06. 18
13:00 MEZ

Buchpräsentation im Parlament zur Geschichte des Beethovenfrieses
Wien (pk) – Im heurigen Gedenkjahr sei es angebracht, auch daran zu erinnern, wie lange Österreich sich hinter dem Opfermythos versteckt hat, sagte Bundesratspräsident Reinhard Todt am 4. Juni im Rahmen einer Veranstaltung zum Thema Kunstrückgabegesetz. Das habe sich zwar seit der Rede von Bundeskanzler Vranitzky 1991 geändert, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sei jedoch ein stetiger Prozess, und es gebe immer noch Themen, die noch nicht völlig aufgearbeitet seien. Das Buch von Sophie Lillie "Feindliche Gewalten. Das Ringen um Gustav Klimts Beethovenfries" befasse sich mit einer noch immer nicht völlig bewältigten Frage, nämlich der Restitutionspraxis der Republik Österreich. Toth meinte, es stehe gerade dem Parlament als Haus der Demokratie gut an, sich auch mit solch heiklen Themen zu befassen. Er hoffe, mit dieser Veranstaltung einen Nachdenkprozess über den Umgang mit Restitutionsfragen anstoßen zu können, sagte Toth. So sei es etwa beschämend, wenn die dem Erben Erwin Lederer versprochene Tafel, die ihn als Stifter des Frieses ausweisen sollte, bis heute nicht angebracht wurde.

Das Beethoven-Fries: Langes Ringen um Restitution
Im Gespräch mit der Zeithistorikerin Barbara Serloth erläuterte die Autorin ihre Beweggründe, dem Fall des 1902 von Gustav Klimt geschaffenen Bilderzyklus ein eigenes Buch zu widmen. Ihr sei es vor allem darum gegangen, die Umstände, wie die Republik Österreich in den Besitz des so genannten "Beethovenfrieses" kam, ins Bewusstsein zu rufen. Damit wolle sie jenes einseitige Bild zurechtrücken, das in der Öffentlichkeit anlässlich der Diskussion um die Rückgabe des Werkes gezeichnet wurde. Um den Fall zu verstehen, müsse man aber auch die andere Seite und die historischen Hintergründe kennen.

Bei dem Sammlerehepaar August und Szerena Lederer, welche das Fries ab 1915 besaßen, habe es sich um passionierte Förderer der Wiener Moderne gehandelt, schilderte Lillie. Sie trugen mit ihren Käufen wesentlich dazu bei, dass Gustav Klimt, der keine öffentlichen Aufträge erhielt, seine finanzielle Unabhängigkeit sichern konnte. 1938 wurden das Ehepaar Lederer enteignet und war der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Zwar wurde nach dem Zweiten Weltkrieg das Werk an den rechtmäßigen Erben Erich Lederer zurückgegeben, doch ohne Ausfuhrgenehmigung. Nach langen Bemühungen verkaufte Lederer den Fries 1972 schlussendlich um 15 Millionen Schilling an den österreichischen Staat, was ein sehr geringer Preis für ein Kunstwerk von derart eminenter kunsthistorischer Bedeutung gewesen sei, merkte Lillie an.

Das Kunstrückgabegesetz habe unterdessen mit der lange geübten, jedoch sehr fragwürdigen Praxis der Republik, einer Aufhebung des Ausfuhrverbots nur zuzustimmen, wenn im Gegenzug Schenkungen an den österreichischen Staat erfolgten, Schluss gemacht. Im Falle des Beethovenfrieses habe nachweislich eine derartige "faktische Erpressung" stattgefunden, trotzdem sei das Bild bis heute nicht an die Erben nach Erich Lederer zurückgegangen. Für Lillie zeigen sich an dem Fall nach wie vor bestehende Unzulänglichkeiten der staatlichen Restitutionspraxis. Die Republik sei nach wie vor sowohl Richter als auch Partei, die Geschädigten hätten hingegen keine Parteienstellung. Damit würden Restitutionen wenig transparent abgewickelt und die Entscheidungsfindung entspreche keinem rechtsstaatlichen Verfahren, so die Auffassung von Lillie. Sie hoffe, eine Debatte um die ungelösten Fragen der Restitution anstoßen zu können. Das Anbringen von Erklärungstafeln zu Kunstwerken sei zweifellos eine wichtige Forderung. Dabei sei aber darauf zu achten, dass die Geschehnisse klar benannt werden und kein Ausweichen in Euphemismen erfolgt.

Sophie Lillie ist Kunst- und Zeithistorikerin in Wien und hat bereits zahlreiche Publikationen zu den Themen privates Sammeln in Wien vor 1938, Kunstraub und Kunstrestitution veröffentlicht. Ihr Buch "Feindliche Gewalten. Das Ringen um Gustav Klimts Beethovenfries" ist 2017 im Czernin Verlag erschienen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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