"Wir brauchen dringend digitale Grundrechte."

 

erstellt am
18. 06. 18
13:00 MEZ

Der Bundespräsident hält im Haus der Europäischen Union eine Grundsatzrede zu Europa. Das Motto der Veranstaltung wenige Tage vor der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch Österreich lautet „Europa: Was sonst?“
Wien (apa/prk) - "Wir brauchen dringend digitale Grundrechte." Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht die Freiheit der persönlichen Meinungsbildung durch Internetriesen wie Facebook und Google gefährdet, wie er am 18. Juni in einer Grundsatzrede zu Europa im Haus der Europäischen Union in Wien erklärte.

"Europa: Was sonst?" lautete das Motto der Veranstaltung wenige Tage vor der turnusmäßigen Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch Österreich. Der Bundespräsident stellte den Begriff der Freiheit als einen, "der Europa geprägt hat wie kein anderer", in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Diese Freiheit bedeute auch "die Freiheit zu wissen, auf welcher Grundlage unsere Meinung und letztlich unser Bewusstsein gebildet wird".

Diese Freiheit sieht der Bundespräsident bedroht, etwa durch "die sogenannten Algorithmen, die etwa bei Facebook bestimmen, welche Nachrichten wir wann zu sehen bekommen". Vieles deute darauf hin, "dass diese Unternehmen durch ihre intransparenten Algorithmen alles fördern, was Kontroverse, was Aufregung, was Polarisierung erzeugt. Das Ausgleichende, Differenzierte, Sachliche wird ausgeblendet", weil die Konzerne dadurch mehr Aufmerksamkeit erreichen und letztlich mehr Geld verdienen wollten.

Die von ihm geforderte "Wiedererlangung der Freiheit, uns unsere Meinung auf Basis von Fakten und nicht Fake-News zu bilden", so Alexander Van der Bellen, werde aber nicht von Einzelstaaten erreicht werden, sondern nur "durch eine Europäische Union und der Kraft und dem Willen der Vielen".

Freiheit wird „scheibchenweise“ reduziert
Die Freiheit des Einzelnen sieht Van der Bellen aber auch durch die "Salamitaktik" - "und das ist keine Anspielung auf Ungarn" - gefährdet, durch die "scheibchenweise Kleinigkeiten abgezwackt werden und es fällt nicht weiter auf", wie der Bundespräsident sagte, ohne konkret auf entsprechende Aktivitäten rechtskonservativer Regierungen einzugehen. "Bis am Ende nichts mehr da ist von dieser Freiheit und es zu spät ist."

In Bezug auf die in Europa im Vormarsch befindlichen nationalistischen Bewegungen, die die EU für obsolet erklärten und nationale Souveränität über den europäischen Gedanken stellten, meinte der Bundespräsident. "Diesen Standpunkt kann man vertreten, wenn man dazusagt: Der europäische Zwergstaat, wenn er allein ist, ist einfach allein und sonst gar nichts - und als Zwergstaat Spielball mächtigerer Staaten."

Prinzipiell forderte Alexander Van der Bellen die Nationalisten Europas "und andere Vertreter der Zwergstaaterei" auf: "Hören sie auf damit, darauf zu beharren, dass nur Sie im alleinigen Besitz der Wahrheit sind (...) Akzeptieren Sie die Welt, wie sie ist, in allen ihren Brüchen und Ungereimtheiten, in all ihrer anstrengenden Unordentlichkeit und seien Sie offen für Ihr Gegenüber."

In diesem Sinn brach der Bundespräsident auch eine Lanze für die "österreichische Lösung", die, anders als radikale Standpunkte, "zur Kenntnis nimmt, dass die Welt nicht in Schwarz und Weiß, in Null und Eins geteilt ist, sondern dass Grauwerte und Schattierungen existiere, ja existieren müssen". Europa könne in diesem Sinn ruhig "ein bisschen österreichischer werden", meinte Alexander Van der Bellen.

Ohne die Flüchtlingsproblematik explizit anzusprechen, bezeichnete sich der Bundespräsident als "glücklichen Menschen", der das Privileg gehabt habe, "als freier Mensch auf dem schönen Kontinent Europa geboren" zu sein. Europäer zu sein, meinte Van der Bellen, "ist ein Glück, das wir uns im Nachhinein verdienen müssen." Unter anderem dadurch, zur Kenntnis zu nehmen, "dass wir nicht allein sind auf dieser Welt. Und dass wir deshalb niemanden alleine lassen dürfen."

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.bundespraesident.at

 

 

 

 

 

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