EU-Ratsvorsitz: Regierung betont
 Wertegemeinschaft Europa

 

erstellt am
15. 06. 18
13:00 MEZ

Kurz und Hofer präsentieren im Nationalrat Programm für den Ratsvorsitz Österreichs
Wien (pk) - In zweieinhalb Wochen ist es soweit: Österreich übernimmt ab 1. Juli bis Jahresende den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Bundeskanzler Sebastian Kurz und Verkehrsminister Norbert Hofer nutzten daher die Nationalratssitzung vom 14. Juni, um die Abgeordneten über die Zielsetzungen der EU-Politik im zweiten Halbjahr 2018 genauer zu informieren. Beide betonten im Einklang mit den Fraktionen, Europa als Wertegemeinschaft zu begreifen. Sicherheit in allen Lebensbereichen spiele dabei eine zentrale Rolle. Dementsprechend, so Kurz, laute das Motto der Regierung für die österreichischen Ratspräsidentschaft, "Ein Europa, das schützt", wobei dem Schutz der EU-Außengrenzen für die Eindämmung der illegalen Migration, der Sicherung des Wohlstands und der Wettbewerbsfähigkeit durch Digitalisierung sowie der Stabilität in den Nachbarländern Südosteuropas besonderes Augenmerk gewidmet werde.

Scharfe Töne von Oppositionsseite gab es jedoch zu mehreren Punkten der Regierungspläne, etwa bei der Asylpolitik der EU. Bruno Rossmann (PILZ) verglich die "Achse der Willigen", die Kurz mit Berlin und Rom zur Sicherung der Außengrenzen bilden möchte, sogar mit dem Pakt zwischen Adolf Hitler und Benito Mussolini, woraufhin sich Minister Hofer eine derartige "Gleichsetzungen" auf das Schärfste verbat. Die Bestie Hitler, verantwortlich für die Vernichtung von Millionen von Menschen, mit der aktuellen Politik zu vergleichen, sei eine Verharmlosung seiner Verbrechen. Kanzler Kurz sagte zur angespannten Stimmungslage unter den EU-Mitgliedern, tatsächlich erkenne er angesichts der innereuropäischen Grenzkontrollen nun erstmals eine Gefahr für die Grundfreiheiten der EU. Verantwortlich dafür seien jene, die in der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 die falschen Entscheidungen getroffen hätten, befand er und versicherte: "Wir bringen das wieder in Ordnung". Konkret will er einen umfassenden Schutz der Außengrenzen erreichen, sodass ein Europa ohne Grenzen im Inneren wieder Realität wird.

Kurz: Geeintes Europa in Zeiten des Umbruchs
"Der österreichische Ratsvorsitz findet in einer Zeit des Umbruchs statt", erklärte Bundeskanzler Kurz mit Hinweis auf Herausforderungen wie den anstehenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union, den Brexit. Da sich ein starkes Nettozahlerland verabschiede, würden auch die Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU, der ab 2021 wirksam wird, nicht einfach. Dazu kämen internationale Spannungen, eine "unberechenbare Situation in den USA", aber auch ein Auseinanderdriften der Staaten innerhalb der Union. Eine Gefahr ortet Kurz, wenn die EU sich zu einem Bündnis aus "Mitgliedsstaaten erster und zweiter Klasse" entwickelt. Österreich setze daher alles daran, dass die EU geeinter auftritt, nach der Maxime "In Vielfalt geeint statt in Einheit getrennt". Unterschiedlichen Zugänge der EU-Länder sollten auf Augenhöhe und im respektvollen Umgang miteinander ausdiskutiert werden, mit dem Ziel, "dass Stabilität, Sicherheit und Wohlstand auch in Zukunft eine Selbstverständlichkeit in Europa sind".

Gerade zum Erhalt der inneren Sicherheit in Europa müsse der Fokus auf den Außengrenzschutz der EU gerichtet sein, unterstrich Kurz. Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) sei nicht nur finanziell und personell rascher zu stärken – das EU-Ziel zur Frontex Aufstockung auf 10.000 BeamtInnen sei mit 2027 zu spät angesetzt –, sie brauche auch eine Ausweitung ihres Mandats, um den aktiven Kampf gegen Schlepper aufnehmen zu können und mit Drittstaaten zu kooperieren. Der Europäische Rat am 20. September werde sich damit befassen, sodass man die Kontrolle innerhalb der EU zurückgewinne. Zur Absicherung des Wohlstands gelte es, die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, führte Kurz weiter aus und nannte dabei die Vollendung des Digitalen Binnenmarkts, die Besteuerung von "Internetgiganten" wie Google und Facebook sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung als Schwerpunkte.

Stabilität und Sicherheit sei für Europa nicht zuletzt im benachbarten Südosteuropa wichtig, hob Kurz schließlich hervor. Den Ländern des Westbalkans sicherte er Unterstützung bei ihrer "europäischen Perspektive" zu. Einen ersten bedeutenden Schritt hätten bereits Griechenland und Mazedonien mit der Lösung ihres Namenstreits getan. Insgesamt appellierte der Bundeskanzler, "in diesem halben Jahr parteiübergreifend an einem Strang zu ziehen, zum Wohle Österreichs und zum Wohle der Europäischen Union".

Hofer: Europa ist eine Wertegemeinschaft
Norbert Hofer, Chef des Ministeriums für Verkehr, Technologie und Innovation, richtete den Blick in die Zukunft. Jugendliche von heute würden das Leben außerhalb der EU nicht mehr kennen. "Europa steht für Freiheit, für Demokratie, für Chancen", die EU sei nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch eine Wertegemeinschaft. "Soziale Gerechtigkeit innerhalb der EU ist einer dieser Werte". Zum Austritt der Briten aus der Europäischen Union bekräftigte Hofer, eine enge Zusammenarbeit müsse in wirtschaftlicher Hinsicht wie im Sicherheitsbereich bestehen bleiben. Bei der zweiten großen Herausforderung, die Österreich als Ratsvorsitzland zu bewältigen hat, der Erstellung des mehrjährigen Finanzrahmens, habe man schon aufgrund des Brexit die "Maßstäbe Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit" anzulegen, so der Minister. Hinwirken wolle man auf einen Abbau von Bürokratie und eine Steigerung der Effizienz in der EU-Politik, damit die Union "auf die wesentlichen Themen fokussiert". Abzustellen gelte überdies die Übererfüllung von EU-Richtlinien durch die Nationalstaaten. "Wenn man es gut meint mit der EU, dann soll es auch möglich sein, Kritik auszusprechen, denn wir leben in einer freien Gesellschaft". Auch bei den Sitzungen der Ratsgremien erwartet er "ein offenes Wort".

Das zentrale Thema Sicherheit skizzierte Hofer zum einen anhand der Vorhaben für die Bewältigung der Migrationsbewegungen nach Europa, die besser zu organisieren seien als bei der Flüchtlingskrise 2015. Zum anderen legte er viel Gewicht auf Schutzmaßnahmen im Verkehrswesen – Stichwort Mobilitätspaket - und für digitale Netze, die ihm zufolge künftig alle Lebensbereiche noch viel weiter durchdringen werden. "Angriffe auf diese Netze bilden eine ernste Gefahr, wenn im "Internet der Dinge" alles miteinander verbunden ist", zog er den Kreis zu Verteidigungsausgaben. Bei den zahlreichen Verhandlungen in den Ratsarbeitsgruppen werde man als "fairer Makler" den Vorsitz führen, mit Österreichs Interessen im Vordergrund, aber immer um Ausgleich bemüht. Als Beispiel für den Vermittlungsbedarf zwischen einzelnen Gruppen erwähnte er die Gespräche über den LKW-Transit, bei dem soziale Standards aus Kostengründen nicht unter die Räder kommen dürften.

In einem Punkt stimmten die Parteien im Parlament überein: Die Europäische Union stehe an einem Wendepunkt ihrer Weiterentwicklung, der Zusammenhalt müsse daher gesichert werden. Sehr viel weiter reichte der Konsens zwischen Opposition und Regierungsfraktionen aber nicht.

Kern und Rossmann mahnen Sozialunion ein
Die Klubobmänner Christian Kern (SPÖ) und Bruno Rossmann (PILZ) vermissen im Ratsprogramm der Regierung klare Maßnahmen gegen die Steuerflucht von Großkonzernen. Kern äußerte dazu seine Sorge, die Solidarität in der EU bleibe nicht intakt, wenn "Steuerfluchtrouten" nicht geschlossen werden. Immerhin flössen jährlich 600 Mrd. € in Steueroasen. Damit kein Steuerwettbewerb nach unten eintritt, benötigt die EU in seinen Augen außerdem dringend eine Harmonisierung der Steuersätze. "Wir brauchen das Verständnis, dass es unsere Schicksalsgemeinschaft ist", will er die Einstellung der EU-BürgerInnen auf das Gemeinsame gerichtet wissen. Die soziale Säule der EU ist für Kern daher entscheidend, schon um "eigene Standards zu schützen". Eine Einschränkung der Personenfreizügigkeit bilde keine nachhaltige Lösung gegen Lohn- und Sozialdumping. "Gesetze, die beschlossen worden sind, müssen auch wirklich kontrolliert werden", erhofft er sich eine derartige Kontrolle durch eine neue Arbeitsagentur der EU.

Vor dem Hintergrund der vergangenen Finanzkrise, müsse überdies "das Projekt Finanztransaktionssteuer Fahrt aufnehmen", drängte Kern auch auf ein geschlossenes Vorgehen gegen Spekulationen gegen ganze Länder. Für die Arbeit an einer kraftvollen Union sagte er Kanzler Kurz über Parteigrenzen hinweg seine Zusammenarbeit zu, gebe es angesichts globaler Krisen und Vormachtskämpfe doch nur eine Parole: "Europe united". Nationalismus dürfe hier keinen Platz haben.

Nach seiner Durchsicht des Ratsprogramms habe er "wenig Konkretes" gefunden, bemängelte Bruno Rossmann (PILZ). Vor allem in Bezug auf die soziale Sicherheit in der EU seien mehr Anstrengungen nötig, um Spaltungen in der Gemeinschaft entgegenzuwirken. Rossmann verbindet dies mit einem "Steuerpakt für mehr Steuergerechtigkeit" auf EU-Ebene, inklusive, Vermögensbesteuerung und - ähnlich wie Kern - der Schließung von Steuerfluchtrouten großer Konzerne. Ein großes Manko sieht der frühere Grünen-Abgeordnete beim Thema Klimaschutz: Von der Regierung fehle ein "klares Bekenntnis zu CO2-Steuern" im Rahmen einer ökologischen Steuerreform. Fragen zur Einsetzung eines EU-Finanzministers oder zur Bildung eines Eurozonenbudgets würden ebenfalls nicht behandelt, monierte Rossmann und attestierte der Regierung, bei den Vorgesprächen zum mehrjährigen Finanzrahmen eine "unrühmliche Rolle" eingenommen zu haben. Forderungen, bei geringeren Beiträgen ein Mehr an Leistungen zu erhalten, vor allem für die Landwirtschaft, zeugten von einer "erbärmlichen Haltung".

   

Wie die Regierung setze sich die Liste Pilz für ein gemeinsames und starkes Europa ein, allerdings forderte Rossmann dafür ein eindeutig proeuropäisches Verhalten der Regierungsmitglieder. Dieses könne er nicht erkennen, spielte er unter anderem auf Überlegungen an, die Familienbeihilfe für EU-AusländerInnen zu indexieren oder die Personenfreizügigkeit einzuschränken. Ebenso sei es bedenklich, Ungarns Umgang mit Flüchtlingen gutzuheißen oder neue Migrationsrouten heraufzubeschwören, die es überhaupt nicht gebe. "Sie spielen auf der Klaviatur des Populismus ein sehr gefährliches Spiel", mahnte er Kanzler Kurz.

Strolz: EU nicht auf Herausforderungen vorbereitet
Klubobmann Matthias Strolz (NEOS) stimmte in diese Kritik ein. Besorgt betrachtete er die Allianzen, die seiner Meinung nach von der Regierung gebildet werden, nämlich mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, Italiens Innenminister Matteo Salvini und dessen Amtskollegen aus Deutschland, Horst Seehofer, die einem gemeinsamen europäischen Kurs in puncto Asylpolitik entgegenstünden. Gleichermaßen wertete er das Agieren von Kanzler Kurz gegenüber Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel als "seelenlose Politik" und "grundfalsch". Europa stehe in "einem Ring aus Feuer", umringt von Krisen und Kriegen in Afrika, Syrien, der Ukraine und im Nahen Osten, ohne darauf vorbereitet zu sein. Die Vereinigten Staaten seien unter Präsident Donald Trump "völlig unberechenbar" geworden, Russland habe seinen Status unter Missachtung von Demokratie und Menschenrechten in der Weltpolitik "herbeigebombt". Das alles sollte Stolz zufolge als Weckruf für die EU verstanden werden, "die Geschicke in die eigene Hand zu nehmen".

China sei dabei, mit seinen 1,4 Milliarden EinwohnerInnen bald die weltgrößte Wirtschaftsnation zu werden, womit ein Gestaltungsanspruch einhergehe, der nicht auf europäischen Werten beruhe. Dennoch befindet sich seiner Meinung nach die Regierung "in der Geiselhaft von Populisten", warf er der FPÖ vor, den Austausch mit weit rechts stehenden PolitikerInnen in Europa zu pflegen. Wahlen ließen sich damit gewinnen, aber Europa erhalte dadurch "keine Seele", denn "in Vielfalt vereint" könne die EU nur auf Grundlage der gemeinsamen Werte sein, besonders "am Vorabend wichtiger Entscheidungen".

Wöginger und Steger für ein starkes Europa der Nationalstaaten
Klubobmann August Wöginger (ÖVP) erklärte hingegen, "Wir geben ein klares Bekenntnis zu Europa ab". Sicherheit sei ein Grundbedürfnis der Menschen, deswegen sei alles daran zu setzen, eine geordnete Situation bei der Migration zu erreichen. Damit sich eine Flüchtlingskrise wie im Jahr 2015 nicht wiederholt, werde man die illegale Migration gemeinsam bekämpfen. Natürlich wolle man Menschen retten, doch es liege am funktionierenden Schutz der Außengrenzen, dass "die Glaubwürdigkeit der EU wieder steigt". Vorantreiben werde Österreich in seiner Ratsvorsitzzeit auch die gemeinsame Wirtschaftspolitik im Sinne des allgemeinen Wohlstands, ohne dabei das Prinzip der Subsidiarität aus den Augen zu verlieren. "Europa muss sich nicht um alles kümmern", nicht jede Kleinigkeit in den Nationalstaaten sei auf EU-Ebene zu regeln. Bei großen Themen wie Sicherheit, Soziales, Gesundheit und Beschäftigung solle die Union jedoch näher zusammenrücken, genauso in den Bereichen Digitalisierung, Wissenschaft und Forschung. Auf den Brexit bezugnehmend sagte er, "es muss der Grundsatz gelten, wer die Union verlässt, wird höflich aber fair verabschiedet", ein "Rosinenpicken" werde es nicht geben. Hätte es schon vor der Abstimmung über den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs eine Indexierung der Familienbeihilfe gegeben, wäre das Land EU-Mitglied geblieben, zeigte sich Wöginger überzeugt.

Für die FPÖ verdeutlichte Abgeordnete Petra Steger, "wir wollen ein Europa der starken, unabhängigen Staaten vereint". Der Ratsvorsitz Österreichs werde keine leichte Aufgabe, räumte sie mit Verweis auf den auszuverhandelnden Brexit und den mehrjährigen Finanzrahmen ein. In Bezug auf das EU-Budget lobte sie die Regierung, die "von Anfang an eine klare Position hatte". Die EU müsse im eigenen System sparen, sich effizienter und schlanker aufstellen, anstatt Nettozahler noch mehr zur Kasse zu bitten. Das Sechsmonatsprogramm für den Ratsvorsitz mit der Sicherheit als wichtigstes Thema hat Steger zufolge eine klare Botschaft: Die "unkontrollierte Massenzuwanderung" bei der Flüchtlingskrise von 2015 sei ein komplett falscher Weg gewesen, der nur zu Zwist innerhalb der EU geführt habe. Die Union brauche zum Schutz ihrer BürgerInnen eine "Präventionspolitik anstatt einer Reparaturpolitik", weswegen Außengrenzschutz, die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und Transitzentren als Orte, wo Asyl beantragt werden kann, die richtigen Weichenstellungen seien. Betroffen berichtete Steger im Verbindung mit dem Thema Schutz über eine kürzlich an die FPÖ gerichtete EU-Mail mit Todesdrohungen gegen alle Parteimitglieder als Folge der Zustimmung zum Freihandelsabkommen CETA. Eindringlich richtete sie einen Aufruf an das Plenum, "mit der Rhetorik abzurüsten". Gleichzeitig vertraute sie auf die Sicherheitskräfte, den Ratsvorsitz umfassend zu schützen, gemäß dem Grundsatz eines "starken, neutralen Österreichs".

ÖVP: Für Österreich und Europa zu arbeiten, ist kein Widerspruch
Die Europapolitik der Regierung wurde in der Debatte von den Abgeordneten der ÖVP und FPÖ klar verteidigt. In unsicheren Zeiten soll die politische Spitze eines Staates Orientierung geben, das tue die Regierung auch, wenn es um die Sicherheit in Europa oder eine offene freie Gesellschaft geht, sagte Reinhold Lopatka (ÖVP). "Unsere Regierung ist patriotisch als auch europäisch", so der Abgeordnete, das bedeute keinen Widerspruch. Wirtschaftlich gehe es Europa aktuell besser als in den letzten zehn Jahren, jetzt müsste politisch das aufgearbeitet werden, was in Europa zu Rückschlägen – wie die Finanz- und Migrationskrise oder der Brexit – geführt habe. Auch die Westbalkan-Länder dürften ihre Europa-Perspektive nicht verlieren. Das Thema Migration an die Spitze der europapolitischen Arbeit zu stellen, sei richtig.

Lopatka betonte auch die Rolle des Parlaments während des EU-Ratsvorsitzes. Im Rahmen der Parlamentarischen Dimension gebe es mehrere Konferenzen, in denen Abgeordnete aus ganz Europa zusammenkommen würden, um über die Zukunftsthemen Europas zu sprechen. Auch das Parlament werde seinen Beitrag leisten.

"Ein Europa, das schützt" sieht auch Maria Theresia Niss (ÖVP) als richtiges Motto während des EU-Ratsvorsitzes. Sie zeigte sich zuversichtlich, wenn es um die Zukunftsdebatte geht. Europa habe nämlich alles, was es brauche. Abzustellen seien jedoch Bürokratie und eine Politik der Verhinderung. Andreas Ottenschläger rief dazu auf, immer wieder an die Erfolge der EU zu erinnern. Viele europäische Themen, wie der Brenner-Basis-Tunnel, könnten nur gemeinschaftlich zwischen den Mitgliedsländern gelöst werden. Eine gemeinsame europäische Infrastruktur sei auch für einen gemeinsamen europäischen Wirtschaftsstandort von Bedeutung. Abgeordneter Georg Strasser (ÖVP) ging auf die Verhandlungen über das EU-Budget ein, wobei er klarmachte, dass vorgesehene Kürzungen in der Landwirtschaft von zirka 10% nicht akzeptiert werden könnten. Die Ansprüche an die Bauern seien gestiegen, es brauche Vereinfachungen und Entbürokratisierung.

   

FPÖ: Liebe und Treue zu Heimatländern sind Basis für europäische Identität
Susanne Fürst von den Freiheitlichen erinnerte an die Vorstellung von Solidarität und Subsidiarität in der EU, eine Idee, wofür sich die BürgerInnen begeistern könnten. Brüssel habe in den letzten Jahren eine Tendenz zu einem EU-Einheitsstaat mit immer mehr Bürokratie. Es sei Zeit, dem die "Wiener Vision einer EU der Vaterländer" entgegenzusetzen. Die Liebe und Treue zu den Heimatländern sei die Basis für eine positive europäische Identität. Ihr Fraktionskollege Werner Herbert (FPÖ) meinte, es sei unbestritten, dass das Thema Sicherheit Priorität in der EU haben müsse. Innenminister Herbert Kickl habe mit seiner Politik bereits vor Beginn des österreichischen Ratsvorsitzes dafür Vorarbeit geleistet.

Als wichtiges gesamteuropäisches Projekt sieht Brigitte Povysil (FPÖ) in Anlehnung an das Vorsitzprogramm den Bereich der Digitalisierung. Diese würde an den Grenzen nämlich nicht Halt machen.

SPÖ: Regierung will ein "Nachwächter-Europa"
Der SPÖ ist das Vorsitzprogramm der Regierung zu wenig. Es sei nicht viel Neues dabei gewesen, meinte Jörg Leichtfried (SPÖ) zur EU-Erklärung vom Bundeskanzler. Angesichts der BVT-Affäre sei die Forderung nach mehr Sicherheit in Europa nicht glaubhaft. Zumal Kurz zulassen würde, dass sein Koalitionspartner das wirksamste Schwert gegen Terrorismus aus parteipolitischen Gründen zerschlägt. Sicherheit bedeute zudem auch, dass es den Menschen gut geht, etwa durch die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit oder des Steuerbetrugs. "Sie wollen ein Nachtwächter-Europa, ein kaltes Europa. Das ist nicht unser Europa", so Leichtfried.

"Passen sie auf, dass sie nicht zu den Spaltern Europas gehören", so auch Andreas Schieder (SPÖ) in Richtung Bundeskanzler. Weniger Europa sei nicht die Antwort, es brauche ein starkes und geeintes Europa. Nicht Polen sei die richtige Seite, sondern Grundwerte. Die Regierung müsse endlich das große Ganze im Auge haben. Dazu gehöre etwa, Steuerschlupflöcher zu schließen, damit könnten alle Probleme Österreichs finanziert werden.

Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) stand dafür ein, Europa auch im Gesundheitsbereich weiterzudenken. "Da braucht es mehr und nicht weniger an grenzüberschreitenden Lösungen", sagte sie, etwa, wenn es um innovative und leistbare Medikamente in der Krebstherapie geht. Mehr Europa brauche es außerdem im Fall von grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen wie Antibiotika-Resistenzen.

Die europapolitischen Anliegen der SPÖ, nämlich Lohn- und Sozialdumping zu bekämpfen, Konzernklagerechte in EU-Abkommen abzustellen, eine Digital- und Finanztransaktionssteuer einzuführen sowie eine gemeinsame Agrarpolitik mit mehr Verteilungsgerechtigkeit, messbaren Nachhaltigkeitskriterien und einem Verbot für gefährliche Pestizide zu forcieren, wurden im Plenum abgelehnt.

NEOS: Vorsitz-Programm ist ambitionslos und voll mit PR-Erfindungen
Das EU-Ratsvorsitz-Programm sei voll mit PR-Erfindungen und vollkommen ambitionslos, so auch das kritische Urteil von NEOS-Abgeordneter Claudia Gamon. Das Motto "Ein Europa, das schützt" sei zudem defensiv, viel besser wäre "ein Europa, das sich erneuert, gestaltet oder nach vorne schaut" gewesen. Zudem sei das Programm mit EU-Skepsis durchzogen. Es seien nationale Egoismen gewesen, die das Vertrauen der BürgerInnen in die europäischen Institutionen erschüttert haben, nicht die Union selbst. Sie vermisst eine richtige Europapolitik der Regierung.

Diese besteht laut Gerald Loacker (NEOS) nämlich nur aus schönen Überschriften. "Politik ist Arbeit und nicht nur Überschrift", so der Abgeordnete. Am Beispiel des Pan European Pension Product (PEPP) habe man im letzten Sozialausschuss gesehen, wie sehr die schönen Worte von den Taten der Regierung auseinanderklaffen. "Man klopft ein Logo drauf, aber hat keine Ahnung", so Loacker. Gerade PEPP sei ein Klassiker dafür gewesen, bei dem das Subsidiaritätsanliegen umgesetzt hätte werden können. Bei der Regierung handle es sich um "europapolitische Flachwurzler".

Kritik am Vorsitzprogramm kam auch von Nikolaus Scherak (NEOS). Es sei visionslos, im Bereich der Migration würden konkrete Maßnahmen fehlen. Etwa vermisst er dabei den Vorstoß des bulgarischen Vorsitzes in Richtung eines europaweiten Entlastungsschlüssels. Mit Blick auf Mitgliedsländer wie Polen oder Ungarn meinte Scherak zudem, dass die EU eine Wertegemeinschaft sei, in der Solidarität keine Einbahnstraße ist. Diese Länder hätten jahrelang von der EU profitiert, von Belehrung könne keine Rede sein.

Liste Pilz: Kurz hat mit "Achse der Willigen"-Aussage dem Image Österreichs geschadet
Zur Priorität im österreichischen Programm, den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit in der EU durch Digitalisierung zu sichern, meinte Stephanie Cox (PILZ), dass diese Priorität zwar wichtig sei, die EU aber vor großen Herausforderungen stehe. Insofern sei die Rolle Österreichs im nächsten halben Jahr umso wichtiger. Um die EU auch langfristig wettbewerbsfähig zu halten, brauche es neben einem voll ausgeschöpften digitalen Binnenmarkt vor allem auch Förderungen in den Bereichen der Forschung und Innovation sowie der künstlichen Intelligenz. In der Digitalisierung dürfe es kein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben.

Kritik am Bundeskanzler hagelte es von Peter Pilz (PILZ) im Zusammenhang mit der von Kurz jüngst angekündigten "Achse der Willigen Rom-Wien-Berlin". Wie deutsche Tageszeitungen berichten, handle es sich dabei um eine historisch vorbelastete Metapher, auch sei darin davon die Rede, dass der Bundeskanzler mit Nazi-Rhetorik anecke. Kurz habe einen massiven internationalen Image-Schaden für Österreich angerichtet. Insbesondere vor Beginn eines Vorsitzes gehe es um politische und kulturelle Signale, die man an Europa aussendet. "Die ersten großen Botschaften an Europa sind danebengegangen", so Pilz zum Bundeskanzler.

 

 

 

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