Abgeordnete debattieren weiters über EU-Jahresvorschau und Initiativen der SPÖ zu
sozialpolitischen Themen
Wien (pk) – Einen ersten Vorgeschmack auf die Auseinandersetzung über den 12-Stunden-Tag lieferte am
14. Juni im Nationalrat eine Debatte zu sozialen Themen. Die Regierung sah sich dabei mit scharfer Kritik seitens
der SPÖ und der Liste Pilz an ihren Plänen konfrontiert, die Arbeitszeit zu flexibilisieren. ÖVP
und FPÖ sowie die Sozialministerin wiesen insbesondere den Vorwurf, dies sei ein Anschlag auf die ArbeitnehmerInnen,
mit Nachdruck zurück.
Eigentlicher Gegenstand der Debatte war ein Bericht von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein über die Jahresvorschau
2017 der EU im Sozialbereich, der letztlich mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde. Auf der Tagesordnung standen
zudem Anträge der SPÖ zu den Themen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit, mehr Einkommenstransparenz sowie
Ausbildungsgarantie bis 25. Diese Initiativen fanden keine Mehrheit.
Zankapfel Europäische Arbeitsbehörde
In dem Papier betreffend die Vorhaben der Europäischen Union informiert die Ressortleiterin vor allem
über die Pläne Brüssels zur Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer sowie
in Bezug auf die Errichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde. Hier hakte die SPÖ ein und appellierte
namens ihres Sozialsprechers Josef Muchitsch an die Regierung, den Plan der Errichtung der Behörde mit Sitz
in Wien zu unterstützen. Eine europäische Arbeitsbehörde sei unumgänglich, da die Unternehmen
sich nicht an die Spielregeln halten und Sanktionen an den Staatsgrenzen enden, unterstrich auch Daniela Holzinger-Vogtenhuber
von der Liste Pilz.
Die Standortfrage sei nur sekundär, im Mittelpunkt stehen vielmehr die Aufgaben der Behörde, erwiderte
Michael Hammer (ÖVP) und warnte vor einer zusätzlichen Aufblähung der Verwaltungsbürokratie.
Ein Mehr an Arbeitsbürokratie befürchtete auch NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Die EU-Arbeitsbehörde
würde auch europäisches Arbeitslosengeld bedeuten, das wolle ihre Fraktion nicht, betonte FPÖ-Sozialsprecherin
Dagmar Belakowitsch, die zudem das Problem bei der Entsenderichtlinie ortete und unter Hinweis auf eine entsprechende
Zustimmung auf europäischer Ebene den Ball an die SPÖ zurückspielte. Es sei noch nicht klar, worin
die Aufgaben der Arbeitsbehörde bestehen sollen, wandte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein ein. Als Standort
stehe jedenfalls bereits Bratislava und nicht Wien fest.
Bei der Diskussion über die Jahresvorschau griffen die Abgeordneten aber auch andere Themen im europäischen
Kontext auf. So sprach sich ÖVP-Mandatar Ernst Gödl gegen eine europäische Sozialunion und für
die Indexierung von Familienleistungen bei im Ausland lebenden Kindern aus, wobei er dies als Ausdruck sozialer
Gerechtigkeit bezeichnete. Peter Wurm (FPÖ) wiederum erwartete sich europäische Regelungen im Interesse
der KonsumentInnen, etwa in den Bereichen unlautere Geschäftspraktiken von Konzernen oder Datensicherheit
bei Smart-Metern sowie in Sachen Verbandsklage. Seine Fraktionskollegin Petra Wagner unterstützte die Harmonisierung
der Standards für Barrierefreiheit auf europäischer Ebene. SPÖ-Abgeordnete Birgit Silvia Sandler
richtete den Blick auf die Schwerpunkte Österreichs für den EU-Vorsitz und bemängelte, es sei darin
kein Wort über Barrierefreiheit, transparente Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit, Vereinbarkeit von Familie
und Beruf sowie Gleichbehandlung zu finden. Josef Muchitsch (SPÖ) übte schließlich heftige Kritik
an der Deckelung bei Strafen wegen Meldeverstößen durch Unternehmen, wobei er von einer "Sozialbetrugspauschale"
sprach und eine Reparatur des Budgetbegleitgesetzes forderte. Ein entsprechender Entschließungsantrag seiner
Fraktion blieb allerdings in der Minderheit.
12-Stunden-Tag bleibt umstritten
Nicht hinnehmen will die SPÖ die von ÖVP und FPÖ geplante Arbeitszeitflexibilisierung und insbesondere
den 12-Stunden-Arbeitstag. Gabriele Heinisch-Hosek, Alois Stöger, Philip Kucher und Markus Vogl richteten
schwere Vorwürfe an die Bundesregierung und stellten dabei fest, von der proklamierten neuen sozialen Gerechtigkeit
könne angesichts dieses Vorhabens keine Rede sein. Muchitsch etwa sprach von einem "Verrat" an den
3,7 Millionen Beschäftigten. Ein Anschlag auf die Frauen sei dies, legte Gabriele Heinisch-Hosek nach.
Für Unmut bei der Opposition sorgte auch die Zuweisung des entsprechenden Antrags an den Wirtschaftsausschuss,
wobei die SPÖ eine Behandlung durch den Sozialausschuss gewünscht hätte. Hinter der unüblichen
Vorgangsweise stehe das schlechte Gewissen der Koalition, meinte Andreas Schieder (SPÖ), der die Zuweisung
an den Wirtschaftsausschuss als Indiz dafür wertete, dass ausschließlich den Interessen der Wirtschaft,
und nicht jenen der ArbeitnehmerInnen Rechnung getragen wurde. Bruno Rossmann (PILZ), der sich der Kritik der SPÖ
vollinhaltlich anschloss, bemerkte, die Regierung torpediere damit eine seriöse Behandlung im Parlament. Seitens
der NEOS zeigte Gerald Loacker wenig Verständnis für die Eile der Regierung.
ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger hingegen bekräftigte, man bleibe bei der Fünf-Tage Woche,
es handle sich lediglich um die Weiterentwicklung des Acht-Stunden-Tags. Er plädierte zudem ebenso wie FPÖ-Mandatar
Walter Rosenkranz für eine zweieinhalbwöchige Ausschussbegutachtung und eine Beschlussfassung noch vor
dem Sommer. Wirtschaft sind Unternehmer und ArbeitnehmerInnen gemeinsam, bekräftigte sein Fraktionskollege
Peter Haubner und rief zu Gemeinsamkeit auf. Gabriela Schwarz (ÖVP) schließlich argumentierte, gerade
Familien komme das Modell der Flexibilisierung zugute. Die Möglichkeit eines 12-Stunden-Arbeitstages bestehe
bereits als Kollektivvertrags-Vereinbarung, erinnerte FPÖ-Mandatarin Andrea Michaela Schartel, die kein Verständnis
für den Protest der SPÖ gegen eine Aufnahme ins Gesetz zeigte.
Altersteilzeit, Einkommenstransparenz, Ausbildungsgarantie: SPÖ Anliegen bleiben in der Minderheit
Zunächst drängte Alois Stöger in seinem Antrag auf einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit in Betrieben
mit mehr als zehn MitarbeiterInnen, was er vor allem mit dem Wunsch vieler Beschäftigter begründete,
früher als derzeit möglich die Arbeitszeit zu reduzieren. Die geltende Regelung hingegen würde die
Menschen früher in Pension zwingen, gab er zu bedenken. ÖVP und FPÖ wollen mit der Verschiebung
beim Antrittsalter für die Altersteilzeit die Pensionsreform 2003, "den größten Raub an der
Bevölkerung", nun fortführen, zeigte er sich empört. Der Regierung seien die Menschen, die
bereits ihre Lebensplanung eingeteilt haben, völlig egal, pflichtete ihm Dietmar Keck (SPÖ) bei. Norbert
Sieber (ÖVP) hingegen verteidigte die Verschiebung des Antrittsalters und argumentierte, dadurch wäre
es möglich, einer Verringerung der Pension entgegenzuwirken. Gerald Loacker (NEOS) schließlich vermisste
Finanzierungsvorschläge im Antrag der SPÖ.
SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek wiederum forderte umfassende innerbetriebliche Gehaltstransparenz,
um mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen zu erreichen. Konkret tritt sie in ihrer Initiative
etwa für die Offenlegung der Gehaltslisten in den Unternehmen und für eine Ausweitung der Einkommensberichte
ein. Mit der heutigen Ablehnung dieses Antrages verabschiede sich die Regierung von allen Bekenntnissen zur Gleichbehandlung,
meinte Heinisch-Hosek und kündigte an, diesen Antrag immer wieder aufs Neue einzubringen. Keinen Bedarf an
weiteren Berichten sah hingegen ÖVP-Mandatarin Tanja Graf. Dies würde nur zusätzliche bürokratische
Schikanen für die Unternehmen bringen und überdies Datenschutzfragen aufwerfen, gab sie zu bedenken.
Druck machte die SPÖ auch für die Weiterführung der Ausbildungsgarantie bis 25. Sozialsprecher Josef
Muchitsch kritisierte das geplante Auslaufen dieses noch unter der rot-schwarzen Regierung beschlossene Programms
Ende dieses Jahres. Unterstützt wurde diese Initiative auch von Daniela Holzinger-Vogtenhuber (PILZ), die
in einem Entschließungsantrag, der letztlich aber keine Mehrheit fand, die Regierung dazu aufrief, die Ausbildungsgarantie
bis 25 als unbefristetes Mittel aktiver Arbeitsmarktpolitik fortzuführen. Klaus Fürlinger (ÖVP)
hingegen verteidigte das Auslaufen des Modells mit dem Hinweis auf die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt und auf die
geringe Nachfrage nach dieser Fördermaßnahme.
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