SPÖ-Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung abgelehnt
Brüssel/Wien (pk) - Ob von dem Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA vor allem die kleinen und mittleren
Betriebe profitieren werden oder ob in Zukunft mit Konzernklagen gegen unliebsame Gesetze zu rechnen ist, wird
wohl erst die Praxis zeigen. Weder die Proteste außerhalb des Parlaments, noch die massiven Einwände
von Seiten der SPÖ und der Liste Pilz konnten jedenfalls die endgültige Genehmigung des Vertrags, der
am 13. Juni im Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und NEOS beschlossen wurde, verhindern (
152 d.B.). Damit treten auch jene Teile des Abkommens in Kraft, die u.a. einen Investorenschutz und Sonderklagerechte
für ausländische Investoren enthalten. Die von der SPÖ und der Liste Pilz geforderte Durchführung
einer Volksabstimmung über CETA fand keine Mehrheit; ebenso abgelehnt wurden zwei SPÖ-Zusatzanträge,
bei denen es einerseits um die verpflichtende Einbeziehung des Nationalrats bei künftigen Vertragsänderungen
und andererseits um einen völkerrechtlichen Vorbehalt gegen die CETA-Sonderklagerechte ging.
Angesichts der schwierigen globalen Rahmenbedingungen sei es umso wichtiger, dass die EU gemeinsam agiert, betonte
Wirtschaftsministerin Schramböck, die - ebenso wie die ÖVP-MandatarInnen - CETA als Unterstützung
gerade für die KMU verstand. Nicht ganz so euphorisch war FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger gestimmt, der
einräumte, dass sich seine Partei dafür entschied, "die Krot zu fressen", um weiteren Stillstand
im Land zu verhindern. Außerdem hätte man mit der SPÖ CETA sowieso bekommen.
Um in die Regierung eintreten zu können, habe FPÖ-Klubobmann Strache seine WählerInnen verraten,
erklärte Jörg Leichtfried (SPÖ), der vom größten Umfaller in der Geschichte des Parlamentarismus
sprach. Dem Vertrag wurden keineswegs die Giftzähne gezogen, erklärte Bruno Rossmann von der Liste Pilz,
da die Bestimmungen über die Schiedsgerichtsbarkeit zu einer Paralleljustiz führen. Außerdem warf
er der Regierung vor, den Vertrag auf Biegen und Brechen durchpeitschen zu wollen, ohne die Entscheidung des EuGH
in Sachen CETA abzuwarten.
SPÖ: Verrat und Selbstentmachtung des Parlaments gegenüber späteren Änderungen im CETA-Vertrag
Mit dem heutigen Beschluss werde nicht nur ein Verrat an den WählerInnen, sondern auch an der parlamentarischen
Demokratie begangen, beklagte SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried. Einen besonderen Umfaller habe Vizekanzler
Heinz-Christian Strache hingelegt, der im Wahlkampf noch Nein zu CETA gesagt und eine verbindliche Volksabstimmung
versprochen habe. Es sei nämlich nicht richtig, dass dem Abkommen in der Zwischenzeit die Giftzähne gezogen
worden sei; vielmehr habe sich überhaupt nichts geändert. Niemand stelle den Handelsteil des Vertrags,
der Erleichterungen für die heimische Industrie und Wirtschaft bringt, in Abrede, unterstrich Leichtfried,
aber es gebe keinen vernünftigen Grund dafür, private Tribunale oder Sonderrechte für Konzerne einführen.
Während internationale Tabakkonzerne in Zukunft gegen nationale Nichtraucherschutzbestimmungen vorgehen können,
kann sich der österreichische Pensionist nicht gegen Bankomatgebühren von ausländischen Betreibern
zur Wehr setzen, meinte er.
Besonders bedauerlich sei auch, dass ÖVP und FPÖ mit der heutigen Entscheidung Österreichs Souveränität
einschränken, weil spätere Änderungen im CETA-Vertrag nicht mehr dem Parlament vorgelegt werden
müssen. Überdies komme die Ratifizierung zum falschen Zeitpunkt, weil die Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs zu CETA noch ausstehe. Leichtfried war überzeugt davon, dass die Bevölkerung diesen Verrat
nicht vergessen werde. Schließlich brachte er einen Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung über
CETA an, der auch von der Liste Pilz mitgetragen wurde.
Besonders ärgerte sich Kai Jan Krainer (SPÖ) über das rasche Durchbringen der Materie im Parlament.
In Aussicht gestellte Verbesserungen sollten abgewartet werden, sagte er. Konzerne stehen nun außerhalb der
staatlichen Gerichtsbarkeit, klagte Fraktionskollege Peter Wittman und sah dadurch die österreichische Bevölkerung
im Stich gelassen.
Cornelia Ecker (SPÖ) prangerte insbesondere die Schwächung der unabhängigen Justiz an, da durch
CETA eine Paralleljustiz etabliert werde. Sie zeigte sich auch besorgt darüber, dass das Abkommen in ein,
zwei Jahren ganz anders aussehen werde als heute. In einem von ihr eingebrachten Zusatzantrag wird daher gefordert,
dass sich der Nationalrat die Genehmigung vereinfachter Änderungen des gegenständlichen Abkommens vorbehält.
Auch ihre FraktionskollegInnen Maximilian Unterrainer und Doris Margreiter hoben die Problematik der Schiedsgerichte
hervor. Diese brauche man nur dann, wenn die Rechtsstaatlichkeit in den jeweiligen Ländern, mit denen Abkommen
abgeschlossen werden, nicht gewährleistet sei. Unterrainer brachte einen weiteren Zusatzeintrag ein, mit dem
erreicht werden sollte, dass CETA-Sonderklagerechte in Österreich keine Wirkung zeigen.
ÖVP wirft der SPÖ einen Zick-Zack-Kurs vor und streicht die Vorteile von CETA heraus
Im Gegensatz zur SPÖ habe die ÖVP immer eine klare Linie beim Thema CETA gehabt, entgegnete ÖVP-Wirtschaftssprecher
Peter Haubner den KritikerInnen aus den Reihen der Sozialdemokratie. So sei es auch Ex-Bundeskanzler Christian
Kern gewesen, der noch vor einigen Monaten vom "besten Abkommen, das die EU je verhandelt hat" gesprochen
habe. Gerade ein kleines, exportorientiertes Land brauche gute Handelsabkommen, um den heimischen Betrieben einen
ungehinderten Zugang zu den Auslandsmärkten zu ermöglichen. Ein Blick in die Vergangenheit zeige, dass
Handelsabkommen äußerst positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und das Wirtschaftswachstum gehabt
hätten. Allein die Zahl der im Export tätigen Unternehmen sei seit dem Ende der achtziger Jahre von 12.000
auf 55.000 gestiegen.
Außerdem ist Haubner überzeugt davon, dass das Handelsabkommen mit Kanada vor allem den KMU nutzen wird.
Was die Verfahren vor Schiedsgerichten angeht, so hätten ExpertInnen beim Hearing im Wirtschaftsausschuss
bestätigt, dass diese transparenter ausgestaltet sind als die meisten zivilrechtlichen Verfahren in der EU.
Angelika Winzig (ÖVP) machte darauf aufmerksam, dass CETA bereits seit neun Monaten vorläufig angewandt
wird und keine Weltuntergangsszenarien eingetreten seien. Auch das Vorsorgeprinzip sei trotz anderslautender Meinungen
nicht gefährdet, da es im EU-Primärrecht verankert ist. Generell gebe es viele falsche Mythen, die sich
um CETA ranken, bedauerte die Rednerin, die u.a. auf das "right to regulate" hinwies. Fraktionskollege
Georg Strasser versprach, die künftige Dynamik des Abkommens mit kritischem Blick zu beobachten.
Österreich habe in den vergangenen Jahren besonders vom Freihandel profitiert, unterstrich Maria Theresia
Niss (ÖVP). Seit CETA in Anwendung stehe, sei der Export nach Kanada um 25% gestiegen, hob sie die positiven
Wirkungen hervor. Nun sei es an Österreich, Rechtssicherheit gegenüber Kanada zu schaffen. Aus Angst
kann Mut erwachsen, warb Karl Nehammer (ÖVP) um Unterstützung des Abkommens. Es habe positive Auswirkungen
auf den österreichischen Arbeitsmarkt, denn der Handel mit Kanada sei neben dem generellen Anstieg, im Bereich
der Landwirtschaft sogar um 40% in die Höhe gegangen.
Liste Pilz: Rossmann warnt vor einer Paralleljustiz und spricht von einem Knebelvertrag
Natürlich sei Österreich als kleine Volkswirtschaft auf offene und faire Handelsbeziehungen mit anderen
Ländern angewiesen, räumte Bruno Rossmann von der Liste Pilz ein. Ein gravierendes Problem liege jedoch
darin, dass CETA kein reines Handelsabkommen sei, sondern auch den Investorenschutz beinhalte. Damit erhalten ausländische
Konzerne Sonderklagerechte, die kleinen heimischen Unternehmen aber nicht im selben Ausmaß zustehen. In Richtung
der FPÖ stellte Rossmann zudem klar, dass sich der Vertrag seit der Ratifizierung zwischen der EU und Kanada
im Oktober 2016 in Brüssel überhaupt nicht verändert habe. Es sei nach wie vor so, dass in strittigen
Fragen nicht unabhängige RichterInnen entscheiden werden, stellte Rossmann fest. Am Ende zähle die Rechtsmeinung
privater JuristInnen. Kritik übte er auch an der sogenannten regulatorischen Kooperation. Sie könne dazu
führen, dass etwa Umwelt-, Arbeitnehmerschutz- oder Konsumentenschutzstandards unterlaufen werden. Außerdem
enthalte das Abkommen gewisse Liberalisierungsklauseln, durch die starker Druck auf öffentliche Dienstleistungen
und die Daseinsvorsorge ausgeübt werden könne. Da helfen auch keine Auslegungserklärungen, gab Rossmann
zu bedenken. Aus all diesen Gründen müsse daher der Bevölkerung die Möglichkeit gegeben werden,
über den Vertrag zu entscheiden.
Nicht nachvollziehbar ist für ihn die Tatsache, warum die österreichische Regierung – im Gegensatz zu
Deutschland - nicht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen CETA abwartet. Den größten
Bauchfleck lege aber wohl die FPÖ hin, urteilte Rossmann, der auf zahlreiche Interviews von Heinz-Christian
Strache verwies, der sich sogar - als er schon Vizekanzler war – für eine Volksabstimmung über CETA ausgesprochen
habe. Wieder einmal hätten die Freiheitlichen die kleinen Leute verraten, wie schon beim Familienbonus, bei
der Mindestsicherung oder der Aktion 20.000, merkte Rossmann kritisch an. Ähnlich kritisch sah auch Peter
Pilz den Wandel der FPÖ.
In Anlehnung an die Kritik der SPÖ äußerte Pilz den Wunsch nach einem ordentlichen parlamentarischen
Verfahren und wollte deshalb die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten. Mit der Forderung nach
einer Volksabstimmung unterstrich er seine Bedenken gegenüber dem Vertrag.
FPÖ rechtfertigt Vorgangsweise in Sachen CETA und verweist auf zahlreiche Erfolge der Regierung
Er habe in seinen Reden immer wieder betont, dass CETA kein reines Handelsabkommen ist, sondern mehr umfasse, konstatierte
FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger. Seine Partei habe kein Problem damit, wenn Zölle abgebaut, einheitliche
Standards geschaffen oder Deregulierungen herbeigeführt werden. Es sei aber kein Geheimnis, dass die Freiheitlichen
den Schiedsgerichten immer kritisch gegenüber gestanden und für eine Volksabstimmung eingetreten seien.
Da die freiheitliche Partei aber nicht 100% der Wählerstimmen erzielt habe und dem Land eine weitere "Stillstandsregierung"
ersparen wolle, sei man mit der ÖVP eine Koalition eingegangen, um endlich Veränderungen in der Republik
anzustoßen. Dies sei auch der eindeutige Auftrag der WählerInnen, die Aufbruch und Veränderung
wollten.
In Richtung der SPÖ erinnerte Roman Haider (FPÖ) daran, dass Ex-Bundeskanzler Kern noch zu einem Zeitpunkt
für CETA war, als die ganzen Giftzähne (z.B. in Bezug auf die Daseinsvorsorge oder die Lebensmittelstandards)
im Vertragstext enthalten waren. Der nunmehr vorgesehene Investitionsgerichtshof garantiere ein transparentes Verfahren
und habe auch nicht die Kompetenz, nationale Gesetze aufzuheben. Dies sollte auch die SPÖ zur Kenntnis nehmen.
Es sei nicht zu erwarten, dass der EuGH das Freihandelsabkommen kippt, meinte Wolfgang Klinger (FPÖ) in Richtung
SPÖ und der Liste Pilz. Österreich und Kanada seien beides Staaten mit einem hoch entwickelten Rechtssystem.
In diesem Sinne gab auch Johann Gudenus (FPÖ) mit gutem Gewissen seine Zustimmung zu dem Vertrag. Gudenus
bezeichnete Peter Pilz als "Plakatbeschmierer", nachdem dieser ein altes FPÖ-Plakat, auf dem die
FPÖ eine Volksabstimmung über CETA fordert, am Rednerpult umformuliert hatte.
Unter den CETA-Gegnern befinden sich "Datenklauer", berichtete Walter Rosenkranz (FPÖ) von einem
Anti-CETA-Mail, das von einer seiner Mailadressen an ihn verschickt wurde. Es habe nicht viele Giftzähne gegeben,
meinte er in Bezug auf das Abkommen, jene bei den Schiedsgerichten seien gezogen worden.
NEOS: Wichtiges Zeichen zur richtigen Zeit
Die Ratifizierung von CETA sei ein wichtiges Zeichen zur richtigen Zeit, unterstrich die NEOS-Mandatarin Claudia
Gamon. Angesichts der zahlreichen aktuellen Probleme, die von der Verhängung von Strafzöllen bis hin
zu katastrophalen G7-Treffen reichen, seien moderne Freihandelsabkommen wie CETA bedeutsamer denn je. Durch den
Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen werde gerade den kleinen und mittleren Betrieben der Zugang zur
Welt erleichtert, ist Gamon überzeugt. CETA sei ein Vertrag, der sicherstellt, dass die europäischen
Standards erhalten bleiben. Außerdem weisen die Schiedsgerichte, die zur Rechtsdurchsetzung und zur Vollstreckung
der Urteile unbedingt notwendig seien, eine Transparenz auf, die seinesgleichen suche. Den Kniefall der SPÖ
und der Liste Pilz vor der populistischen Lobby, die zurück in die Steinzeit wolle, könne sie daher nicht
nachvollziehen. Sie hielt dies für verantwortungslos gegenüber der europäischen Bevölkerung.
Ein nächster wichtiger Schritt wäre aber die Einrichtung eines multilateralen Handelsgerichtshofs, schlug
Gamon vor. Dieses Projekt sollte die Regierung während des Ratsvorsitzes vorantreiben.
In guten Zeiten wird ein Abkommen für schlechte Zeiten geschlossen, argumentierte Douglas Hoyos-Trauttmansdorff
(NEOS). Die Bedenken gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit wurden seiner Meinung nach beim Expertenhearing
im Wirtschaftsausschuss ausgeräumt. Das Freihandelsabkommen CETA schaffe zahlreiche Vorteile für Klein-
und Mittelbetriebe, die am österreichischen Markt eine hohe Relevanz haben.
Schramböck: CETA ist ein Garant für den Schutz von Investitionen
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck zeigte sich erfreut über die positive wirtschaftliche Entwicklung
in Österreich, was sich durch verschiedene Parameter belegen lasse. Auch beim aktuellen IMD-Ranking, das die
Wettbewerbsfähigkeit eines Landes bewertet, sei Österreich von Platz 25 auf Platz 18 vorgerückt.
Dies sei der höchste Zuwachs, den jemals ein Staat erreicht hat. 6€ von 10€ des österreichischen BIP
würden aus dem Export generiert, zudem hänge jeder zweite Arbeitsplatz davon ab, hob Schramböck
weiters hervor. Die Politik von US-Präsident Donald Trump erfordere stärkeren Zusammenhalt in der EU.
CETA, das Abkommen mit Kanada, sei ein wichtiger Beitrag dazu, da es sehr wohl den kleinen und mittelständischen
Unternehmen nütze.
Über 1.400 heimische Betriebe exportieren nach Kanada, informierte die Ressortchefin. Außerdem unterstütze
das Abkommen die kanadischen Unternehmen in Österreich wie z.B. Magna oder Bombardier, die 20.000 Arbeitsplätze
im Inland geschaffen haben. Seit dem Inkrafttreten des Vertrags sind die Exporte nach Kanada bereits um 24,4% gestiegen,
bei den Lebensmitteln betrug der Zuwachs sogar 41,9%. Schramböck stellte zudem erneut fest, dass CETA keine
Schiedsgerichte enthält, sondern einen Investitionsgerichtshof, in den unabhängige JuristInnen entsandt
werden. CETA ermögliche daher einen qualitativ hochwertigen Schutz der Investitionen, resümierte die
Ministerin.
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