Volksanwaltschaft: Handlungsbedarf
 vom Gewaltschutz bis zur Pflege

 

erstellt am
14. 06. 18
13:00 MEZ

Nationalrat debattiert Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle; Zanger nimmt gegenüber Sexismus-Vorwurf Stellung
Wien (pk) - "Die Volksanwaltschaft wirkt, dennoch gibt es noch viel zu tun", sagte Volksanwältin Gertrude Brinek am 13. Juni im Nationalratsplenum anlässlich der Debatte über den jüngsten Bericht der Volksanwaltschaft. Handlungsbedarf sieht die Ombudsstelle etwa beim Gewaltschutz, in der Pflege, im Katastrophenschutz oder bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung. Die Arbeit der Volksanwaltschaft für Bürgeranliegen wurde fraktionsübergreifend gelobt, vonseiten der NEOS kam allerdings erneute Kritik am Bestellmodus der drei VolksanwältInnen. Die Oppositionsfraktion fordert ein verpflichtendes und transparentes Hearing, um für Österreich einen A-Status im Menschenrechtskomitee der UNO zu erlangen.

Volksanwalt Günther Kräuter meinte dazu, dass die Einführung eines Hearings alleinige Sache des Parlaments sei. Die Volksanwaltschaft habe sich bereits vor einiger Zeit dafür ausgesprochen. Was den Beobachter-Status Österreichs angeht, sagte Kräuter allerdings, dass sich die österreichische Volksanwaltschaft mit Ländern wie Schweden in guter Gesellschaft fühle. Zumal etwa Länder wie Russland oder Aserbaidschan einen A-Status vom UN-Menschenrechtskomitee bekommen hätten.

Aus der Sicht von Stefanie Krisper (NEOS) handelt es sich angesichts des Menschenrechtsauftrags der Ombudsstelle um einen Schönheitsfehler, dass die VolksanwältInnen nicht unabhängig bestellt werden. Im Zusammenhang mit Polizeigewalt bemängelte sie, dass es keine schnellen und unabhängigen Beschwerdeverfahren in Österreich gibt. Dieser Umstand werde auch international immer wieder kritisiert. Einer externen Beratungsstelle im Fall von Polizeimisshandlungen stehe die Volksanwaltschaft positiv gegenüber, meinte dazu Volksanwalt Peter Fichtenbauer.

Die von Fichtenbauer aufgeworfene Forderung nach einer Haftpflichtversicherung für Naturkatastrophen wurde von der Freiheitlichen Carmen Schimanek unterstützt. Es gebe hier eine reale Lücke im Rechtssystem, die zu schließen sei. Zur Zeit seien höchstens 10% des Gebäudewertes von Versicherungen erstattbar. "Die Leute bleiben auf 90% des Schadens sitzen", so Fichtenbauer.

Den datenschutzrechtlichen Bedenken Fichtenbauers gegenüber intelligenten Stromzählern, die sogenannten Smart Meter, schloss sich Werner Herbert (FPÖ) an. Diese Stromzähler könnten nicht nur detailgenaue Benutzerprofile erstellen, sondern auch kriminellen Handlungen oder terroristischen Manipulationen Tore öffnen.

Pflege: Keine Einzelfälle, sondern Strukturprobleme
Mehr Bemühungen braucht es laut Volksanwalt Günther Kräuter künftig in der Pflege. Die Menschenrechtskontrollen haben ergeben, dass 47% der Nachtdienste unterdurchschnittlich besetzt sind, in 58% der Alten- und Pflegeheime werden bedenkliche Medikationen verabreicht. Es handle sich dabei um keine Einzelfälle, sondern um Strukturprobleme, die dringend gelöst werden müssten. Angesichts des politischen Konsens, die Pflege zuhause fördern zu wollen, sei es notwendig, das Pflegegeld anzuheben. In Sachen 24-Stunden-Plfege brauche es zudem Qualitätskriterien für Agenturen.

Vor einem Mangel beim Pflegepersonal warnte Manfred Hofinger (ÖVP). Allein Oberösterreich brauche in den nächsten Jahren rund 700 PflegerInnen, weshalb das Bundesland den Pflegeberuf als Lehre ermöglichen will. Was die Indexierung der Familienbeihilfe für Kinder von ausländischen PflegerInnen betrifft, wird sich die Pflegesituation aus seiner Sicht dadurch nicht verändern. Rund 75% der PflegerInnen, die aus dem Ausland kommen, hätten Kinder über 20 Jahre, so Hofinger.

Handlungsbedarf sieht Volksanwalt Kräuter zudem bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung, vor allem am Arbeitsmarkt. Derzeit würden rund 23.000 Menschen mit Behinderung in Tageswerkstätten arbeiten. Österreich müsse endlich aufhören, erwachsene Menschen mit Behinderungen wie Kinder zu behandeln. 2019 wird es laut Kräuter dazu eine Staatenanhörung geben. Er fordert, eine Sozial- und Pensionsversicherung für diese Menschen einzuführen.

Gewaltschutz: Täter-Opfer-Spirale muss durchbrochen werden
Engagieren will sich die Volksanwaltschaft in Hinkunft verstärkt in der Gewaltprävention und im Opferschutz für Frauen, wie Volksanwältin Brinek sagte. Ihr Anliegen sei es insbesondere, die Täter-Opfer-Spirale zu durchbrechen. FPÖ-Abgeordnete Carmen Schimanek bedauerte in diesem Zusammenhang, dass es für das Thema Gewalt - wie von der Ombudsstelle berichtet – in Österreich keine Forschungsstatistik gibt. Sie sprach sich für ein starkes Signal gegen Gewalt an Frauen aus. Abgeordneten Peter Pilz richtete sie in ihrer Wortmeldung aus, dass er eine "Schande für das Parlament" sei.

Geht es nach Sabine Schatz (SPÖ), muss der Opferschutz oberste Priorität haben. Aus ihrer Sicht fehlt die verpflichtende Täterarbeit, ExpertInnen würden immer wieder darauf hinweisen, dass rasch einsetzende Therapiemöglichkeiten innerhalb von 72 Stunden nach der Gewalttat unentbehrlich seien.

Auf den überwiegenden Anteil von ausländischen Häftlingen in Österreichs Justizanstalten machte Efgani Dönmez (ÖVP) aufmerksam. Die meisten von den 9.180 Inhaftierten seien mit 55% aus Serbien, Rumänien, Afghanistan oder der Türkei. "Das sollte zu denken geben", meinte Dönmez. Wenn Österreich diese Menschen in ihre Herkunftsländer zurücküberstellen wolle, bekäme es die schwierige menschenrechtliche Situation als Antwort, bemängelte er.

Hinsichtlich der Kontrollen in Polizeianhaltezentren sagte Christian Ries (FPÖ), dass die Volksanwaltschaft hier nicht nur an der Oberfläche gekratzt habe. Der sensible Umgang mit Schubhäftlingen sei für Beamte eine große Herausforderung. Lob gab es vom Abgeordneten für Innenminister Herbert Kickl. Unter dem Minister werde der Schubhaftvollzug ein vorwiegend offener sein. Von der Opposition werde dem Innenminister fälschlich unterstellt, die Menschenrechte nicht zu achten.

Auf die hohe Zahl von Fremdunterbringungen von Kindern und Jugendlichen gingen Muna Duzdar (SPÖ) und Martina Kaufmann (ÖVP) ein. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern sei nicht jedes Kind in Österreich gleich viel wert, kritisierte Duzdar. Es brauche dieselben Qualitäts- und Ausbildungskriterien für BetreuerInnen bzw. bundesweit einheitliche Standards. Stattdessen plane die Regierung, die Jugendfürsorge ausschließlich zur Ländersache werden zu lassen. Das bedeutet weitere Ungerechtigkeit und Zersplitterung.

Um den steigenden Fremdunterbringungen von Kindern entgegenzuwirken, müsse die ambulante Hilfe forciert werden, meinte Kaufmann. In Graz gebe es etwa bereits ein Pilotprojekt, in dem Familien in einer Trainingswohnung u.a. begleitende Elterncoachings bekommen.

Einen Mangel an Gymnasialplätzen im Bezirk Deutschlandsberg in der Steiermark beklagte Günter Kumpitsch von den Freiheitlichen. 2.150 VolksschülerInnen würden acht Neue Mittelschulen, aber keine AHS-Unterstufe zur Verfügung stehen. Eine Elterninitiative fordere bereits seit längerem Bildungsgerechtigkeit ein, er hoffe, dass mit der neuen Regierung nun Vernunft einkehre.

Zwischenrufe: Zanger nimmt Stellung gegenüber Sexismus-Vorwurf
Zu dem Sexismus-Vorwurf nach seinem Zwischenruf ("Alma, bei mir bist du sicher") während der Rede von Abgeordneter Alma Zadic in der Sondersitzung am Montag sagte Wolfgang Zanger (FPÖ), dass er Frauen im Hohen Haus seit 12 Jahren mit Respekt und Wertschätzung gegenübertrete. Umso erstaunter sei er gewesen, als er aus den Medien entnommen hätte, dass er nach dem "liebevoll gemeinten und mit steirischem Charme versehenen" Zwischenruf als Sexist hingestellt worden sei. Er halte Zadic für eine selbstbewusste, erfolgsorientierte Kollegin, auch eine Aussprache habe es bereits gegeben. Es sei allerdings auch nicht Zadic gewesen, die ihn ursprünglich beschuldigt hätte. "Feministen-Männer gehen her und lancieren Sexismus-Vorwürfe auf Twitter", meinte Zanger, damit sei eine selbstbewusste Frau in eine Opferrolle gedrängt worden.

Erneutes Beschwerdeplus bei der Behördenkontrolle
2017 haben sich 20.097 BürgerInnen von Österreichs Behörden ungerecht behandelt gefühlt. Das bedeutet ein erneutes Beschwerdeplus in der Kontrolle der öffentlichen Verwaltung. Im Jahr davor waren es noch rund 18.500 BürgerInnen, die sich mit ihren Behördenproblemen an die Volksanwaltschaft wandten. Das Vertrauen der BürgerInnen in die Volksanwaltschaft wurde insbesondere von Abgeordneter Martina Diesner-Wais (ÖVP) betont.

In 80,1% (10.333) der Fälle wurde ein Prüfverfahren eingeleitet, 42,3% (3.026) aller Verfahren fielen dabei in den Bereich der inneren Sicherheit aufgrund der hohen Anzahl asylrechtlicher Beschwerden. Die zweitmeisten Prüfverfahren verzeichnet 2017 mit Problemen beim Arbeitsmarktservice, bei der Pflegeeinstufung oder bei der Auszahlung von Pensionen der Sozialbereich (21,5%) – gefolgt von der Justiz (13,4%) mit Schwierigkeiten durch lange Gerichtsverfahren, in Verfahren der Staatsanwaltschaft oder im Strafvollzug, wie aus dem Volksanwaltschaftsbericht 2017 hervorgeht.

Bei den 495 präventiven Menschenrechtskontrollen, die 2017 in Anhalteorten wie Psychiatrien oder Alten- und Pflegeheimen durchgeführt wurden, zeigt die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht auf, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Österreich unterversorgt ist. Zudem wurde eine Gewaltzunahme in Kinderheimen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung festgestellt. Alten- und Pflegeheime sind laut Volksanwaltschaft außerdem nicht ausreichend für die Zukunft gerüstet.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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