Hindernisse sind Bürokratie und Angst vor Einflussnahme großer Konzerne
Wien (freie berufe) - Wie werden sich die Freien Berufe verändern? Wird es künftig auch noch am
Land den Hausarzt, die selbstständige Pferdetierärztin, den Rechtsanwalt mit kleiner Kanzlei geben? Wie
wollen die Jungen ihre Arbeitszeit gestalten? Diesen Fragen ist die Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs
(BUKO) mit einer vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Akonsult durchgeführten Meinungsumfrage unter knapp
900 Befragten nachgegangen.
72 % wollen sich selbstständig machen
„Der Wunsch nach einer selbstständigen Tätigkeit ist einer der Hauptgründe, warum ein Freier
Beruf angestrebt wird.“ erklärt die Studienautorin Kristin Allwinger des Markt- und Meinungsforschungsinstituts
Akonsult. 72 % der Befragten planen, sich selbstständig zu machen bzw. haben sich schon selbstständig
gemacht.
Der Präsident der Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs (BUKO), Kurt Frühwirth sieht mit
diesem Ergebnis den Einsatz der BUKO für die kleinen Selbstständigen unter den Freien Berufen bestätigt.
Frühwirth erklärt: „Das Wesen des Freien Berufes ist es, selbstständig und unabhängig zu sein.
Auch wenn wir heute schon bei einigen Gruppen der Freien Berufe, wie etwa den Apothekern, viele Angestellte haben,
freut mich dieses klare Bekenntnis unseres Nachwuchses zur Selbstständigkeit.“
Selbstständig mit 40 plus
Jene 28 % der Befragten, die angeben, derzeit keine Selbstständigkeit anzustreben, wurden noch weiter
befragt. Hier hat jede/r 5. im Hinterkopf, sich im Laufe des Berufslebens, mit 40 plus noch selbstständig
zu machen. BUKO Präsident Kurt Frühwirth meint dazu: „Das ist durch die lange und fundierte Ausbildung
bei den Freien Berufen zu erklären. Ein Tierarzt oder eine Tierärztin beispielsweise durchläuft
ein langes aufwendiges Studium, will dann als Assistent oder Assistentin Erfahrung sammeln und erst später
eine eigene Praxis oder Klinik eröffnen.“
80 %: „Gemeinsam selbstständig!“
Fast 80 % der Befragten wollen sich gemeinsam mit BerufskollegInnen selbstständig machen.
Rudolf Kolbe, Vizepräsident der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen und Präsident des Europäischen
Rates der Freien Berufe CEPLIS sieht darin einen Trend der Zeit. „Die junge Generation arbeitet mit Elan, will
aber auch Zeit für Familie und Freizeit haben, während meine Generation noch viel mehr in den Beruf gesteckt
hat. Auch ist zum Beispiel bei den Ziviltechnikern festzustellen, dass sich aus den Einzelkämpfern früherer
Zeiten immer mehr teamorientierte Kollegen entwickelt haben.“
Ärgernis Bürokratie
„Nicht noch mehr Vorschriften wie Registrierkasse, Meldefristen, Datenschutzgrundverordnung!“ lautet ein Zitat
aus den offenen Antworten der knapp 900 Befragten auf die Frage, was sie sich von der Politik wünschen.
66 % der Befragten sehen in der Einhaltung der Bürokratie und der Vorschriften die größte Herausforderung
der Selbstständigkeit.
Damoklesschwert Kapitalinvestoren
Die EU Kommission erhöht ständig den Druck - auch auf Österreich, um die mehrheitliche Beteiligung
von Finanzinvestoren und großen Unternehmen bei den Freien Berufen zu ermöglichen. Das sieht der Großteil
der Befragten negativ. 82 % der StudienteilnehmerInnen befürchten durch Beteiligungen ausländischer Konzerne
an Arztpraxen, Anwaltskanzleien etc. eine Einflussnahme auf die Berufsausübung. Fast ebenso viele erwarten
dadurch eine Monopolisierung.
„Die drohenden mehrheitlichen Unternehmensbeteiligungen sind ein Damoklesschwert für die Freien Berufe, wie
wir sie heute haben.“ sagt BUKO Präsident Kurt Frühwirth. „Wir erleben bereits jetzt, dass sich - finanziert
durch ausländische Kapitalinvestoren - Tierarztketten etablieren und sich damit die Praxisstruktur nachhaltig
verändert. Bei entsprechender Marktbeherrschung steigen die Honorare deutlich an, wie man in anderen Ländern
auch bereits sieht. Die Leistbarkeit wird für viele Kunden damit zur existentiellen Herausforderung.“
CEPLIS Präsident Rudolf Kolbe meint dazu: „Im Europäischen Rat der Freien Berufe setzen wir uns in Brüssel
dafür ein, dass die Bedeutung der Freien Berufe für die Gesellschaft nicht nur erhalten bleibt, sondern
weiter ausgebaut wird.“
Appell an Bundesregierung zu Beginn der EU-Präsidentschaft
BUKO Präsident Kurt Frühwirth und CEPLIS Präsident Rudolf Kolbe appellieren anlässlich
der mit 1. Juli 2018 beginnenden EU-Ratspräsidentschaft an die österreichische Bundesregierung, sich
dafür einzusetzen, dass es auch weiterhin kleine VertreterInnen der Freien Berufe gibt und gegen Druck der
EU-Kommission, die mehrheitliche Beteiligung von Kapitalgesellschaften bei den Freien Berufen zuzulassen, aufzutreten.
Meinungsforscherin Allwinger „Haben Nerv getroffen.“
Die Markt- und Meinungsforscherin Kristin Allwinger von Akonsult ist überrascht vom großen Feedback
der Befragten: „Wir haben auch offene Fragen gestellt und die sind auf großes Interesse gestoßen. Sehr
viele der fast 900 Befragten haben sich die Mühe gemacht, ihre Wünsche und Anregungen zu notieren. Das
zeigt mir, dass wir den Nerv der Berufseinsteiger in den Freien Berufen getroffen haben.“
Methoden der Studie
Auftraggeber: Bundeskonferenz der Freien Berufe
Methode/ Zielgruppe: Befragungen (CAWI/Face2Face), VertreterInnen der Freien Berufe: ApothekerInnen, ArchitektInnen,
ÄrztInnen, NotarInnen, PatentanwältInnen, RechtsanwältInnen, SteuerberaterInnen und WirtschaftsprüferInnen,
TierärztInnen, ZahnärztInnen und ZiviltechnikerInnen. Stichprobengröße: n = 856, Untersuchungs-
zeitraum: 9. April bis 28. Mai 2018.
Freie Berufe
Die Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs (BUKO) ist der Dachverband der 9 Freiberufskammern in
Österreich. Die BUKO vertritt 80.000 Mitglieder. 170.000 Beschäftigten arbeiten in den Freien Berufen.
Zu den Freien Berufen zählen in Österreich die medizinischen Berufe ÄrztInnen, ApothekerInnen, ZahnärztInnen
und TierärztInnen, die juristischen Berufe NotarInnen, RechtsanwältInnen, PatentanwältInnen sowie
die SteuerberaterInnen und WirtschaftsprüferInnen sowie ZiviltechnikerInnen.
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