Wassermoleküle können komplizierte brückenartige Strukturen bilden, wenn sie
sich an Oberflächen anlagern. Vermutet hatte man das bereits, einem Team der TU Wien gelang nun der Beweis.
Wien (tu) - Wasser ist eine erstaunlich komplizierte Flüssigkeit. Wie sich einzelne Wassermoleküle
an unterschiedlichen Materialien anlagern ist das für viele wichtige Vorgänge entscheidend – etwa für
Korrosion und Verwitterungseffekte oder für das optimale Funktionieren von Katalysatoren. Einem Team der TU
Wien gelang es nun, die Struktur von Wassermolekülen auf Eisenoxid-Oberflächen genau zu entschlüsseln.
Wie sich dabei zeigte, können sich die Wassermoleküle auf der Oberfläche zu komplizierten, brückenartigen
Strukturen zusammenfinden. Diese Strukturen spielen für chemische Reaktionen an der Oberfläche eine wichtige
Rolle.
Wasser ist anders
„Das Besondere an Wassermolekülen ist, dass sie sogenannte Wasserstoff- Brückenbindungen ausbilden können“
erklärt Prof. Gareth Parkinson vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. „Die elektrische Ladung
ist nicht gleichmäßig verteilt. Das Sauerstoff-Atom ist ein bisschen negativ geladen, die Wasserstoffatome
ein bisschen positiv.“ Dadurch können sich Bindungen zwischen Wassermolekülen bilden - die berühmten
Wasserstoff-Brückenbindungen - oder es können auch Bindungen zwischen einem Wassermolekül und anderen
Molekülen entstehen.
Das hat weitreichende Auswirkungen: So sind die Wasserstoff-Brückenbindungen etwa dafür verantwortlich,
dass Wasser erst bei einer recht hohen Temperatur von 100°C kocht, und auch für die Struktur von Proteinen
spielen Wasserstoff-Brückenbindungen eine wichtige Rolle.
Sogar für völlig unwissenschaftliche Behauptungen müssen diese Bindungen immer wieder herhalten
– so sollen sie angeblich für Wassercluster verantwortlich sein, durch die sich im Wasser mysteriöse
„Information“ speichern lassen soll. Das ist physikalisch nicht möglich, weil die Wasserstoff-Brückenbindungen
sehr schwach sind, und in flüssigem Wasser innerhalb von Sekundenbruchteilen wieder zerstört werden.
Doch wenn sich Wassermoleküle an Oberflächen anlagern, kann die Sache ganz anders aussehen: Bei niedrigen
Temperaturen entstehen erstaunlich komplexe, stabile Strukturen.
An den Grenzen des Möglichen
„Indirekte Hinweise auf eine solche Strukturbildung gab es bereits“, sagt Ulrike Diebold (TU Wien). „Aber um die
Struktur des Wassers auf Eisenoxid-Oberflächen wirklich sichtbar zu machen, mussten wir die neuesten und besten
Messmethoden noch weiter verbessern und ganz an die Grenzen des Möglichen gehen.“
Bei niedrigen Temperaturen wird zunächst im Vakuum ein Strahl von Wassermolekülen auf die Oberfläche
geblasen. Dann wird wird die Oberfläche vorsichtig erwärmt, bis zu einer Temperatur von ungefähr
-30°C. Dabei werden die Wasser-Strukturen nach und nach aufgebrochen. Die Wassermoleküle verlassen einzeln
die Oberfläche und werden an einem Detektor aufgefangen. „Wir können genau messen, wie viele Wassermoleküle
bei welcher Temperatur die Oberfläche verlassen. Daraus kann man auf die Bindungsenergie schließen –
und das sagt uns, um welche Molekül-Strukturen es sich gehandelt hat“, erklärt Gareth Parkinson.
Gleichzeitig wurden mit Hilfe eines speziellen vibrationsgedämpften Hochleistungs- mikroskops hochauflösende
Bilder von der Oberfläche erstellt, auf denen man die Wasser-Strukturen erkennen kann, und zusätzlich
wurden aufwändige Computersimulationen entwickelt, um die geometrische Anordnung der Wassermoleküle auf
Quanten-Ebene zu erklären. „Wir haben somit drei Werkzeuge zur Verfügung, um die Wasser-Strukturen zu
untersuchen, und das ist auch nötig, um ein zuverlässiges Resultat zu erhalten“, sagt Gareth Parkinson.
„Alle drei Analysen stimmen bestens überein, daher können wir mit großer Sicherheit sagen, dass
wir die Strukturbildung von Wasser auf Eisenoxid-Oberflächen nun verstehen.“
Wie sich zeigt bilden sich mehrere Strukturen: Kaum ein Wassermolekül sitzt alleine auf der Oberfläche,
man findet Paare und Dreiergruppen von Wassermolekülen, und zusätzlich treten komplexere Strukturen aus
6 oder 8 Molekülen auf, die sich wie elliptisch gekrümmte Brückenbögen über die Eisenoxid-Oberfläche
spannen.
„Unser Hauptziel war, die Analysemethoden so weiterzuentwickeln, dass solche Molekül-Strukturen eindeutig
nachweisbar werden – und das ist uns gelungen“, sagt Ulrike Diebold. „Die Methode, die wir hier für Eisenoxid
eingesetzt haben, lässt sich genauso auch auf andere Materialien übertragen.“
Originialpublikation: Water agglomerates
on Fe3O4(001), Meier et al., PNAS (2018). DOI: 10.1073/pnas.1801661115 http://www.pnas.org/content/115/25/E5642
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