Wien (meduni wien) - Der Zellkern ist ein Organell, in dem die DNA des Organismus geschützt und dupliziert
wird. Der Kern dieses organähnlichen Gebildes im Zellplasma ist von einer äußeren und inneren Kernhülle
umschlossen, die mit Öffnungen – sogenannten Kernporen – durchsetzt ist. Die äußere Kernhülle
ist auch mit dem endoplasmatischen Retikulum (ER), einem weiteren Organell, verbunden. Bisher gingen die WissenschafterInnen
davon aus, dass nur das ER und die äußere Kernhülle am Fettstoffwechsel der Zelle beteiligt sind
und die innere Hülle ihre Lipide ausschließlich durch die Kernporen erhält. Ein Team von ForscherInnen
der Max F. Perutz Laboratories, Tochterunternehmen der Universität Wien und der Medizinischen Universität
Wien, hat herausgefunden, dass die innere Membran eine einzigartige metabolische Aktivität aufweist.
MFPL-Gruppenleiter Alwin Köhler und die PhD-Studentin Anete Romanauska verwerfen in einem Beitrag im Top-Journal
„CELL“ die Wahrnehmung der inneren Kernhülle als metabolisch inaktiver „Hinterhof“ des ER. Sie fanden heraus,
dass die innere Hülle am Metabolismus von Fetten beteiligt ist und auch selbst solche Stoffe im Zellkern einlagert.
Dies geschieht in Form von Fetttröpfchen, auch Lipid-Droplets (LD) genannt.
Schon eine erhöhte Zufuhr von Fetten reicht aus, dass sich Droplets im Zellkern bilden. Dort formen die Fetteinlagerungen
spezielle Membranbrücken, die sie mit der inneren Kernhülle verbinden. Die AutorInnen beschreiben in
der aktuellen Studie die Synthese der Lipid-Droplets und zeigen, dass die innere Kernhülle eine eigene Zusammensetzung
von Fetten aufweist. Sie ist somit keinesfalls nur die Erweiterung der äußeren Hülle und des ER,
sondern weist eine einzigartige Funktionalität auf.
Die Forschungsergebnisse veranschaulichen auch, welcher Faktor für den korrekten Austausch von Fetten zwischen
innerer Kernhülle und Lipid-Droplets verantwortlich ist. Beim Menschen löst eine Mutation in diesem Bereich
kongenitale Lipodystrophie aus, eine seltene Stoffwechselerkrankung, die durch einen drastischen Verlust von Körperfett
gekennzeichnet ist. Dadurch öffnen sich neue Forschungspfade, sowohl was die Rolle von Lipiden im Zellkern,
als auch das Verständnis von Lipodystrophie und anderer menschlicher Stoffwechselerkrankungen betrifft.
Der Forschungsprozess gestaltete sich zunächst schwierig. Die WissenschafterInnen mussten zuerst die richtigen
Werkzeuge finden: „Wir haben ein Set von Biosensoren entwickelt, die es uns ermöglichten, die Lipide im Zellkern
zu visualisieren“, erklärt Anete Romanauska. Die wichtigste offene Frage bleibt die genaue zelluläre
Funktion des Fettstoffwechsels im Zellkern des gesunden und kranken Menschen, so beide Forscher unisono.
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