Zwischen Tatortkoffer und Giftflaschen
Graz (universität) - Was kann man aus einem Schuhabdruck alles ablesen? Und wie unterscheidet man echtes
Geld von Falschgeld? Das Hans-Gross-Kriminalmuseum an der Universität Graz ist heutzutage noch essenziell
für die Kriminal-Forschung und weltweit einzigartig in seiner Art und Weise. Das im Jahre 1896 als Lehrmittelsammlung
gegründete Museum ist nicht nur ein Streifzug durch die steirische Sozialgeschichte der letzten 140 Jahre,
sondern gilt als unverzichtbarer Wissensschatz für die Kriminalistik und Kriminologie.
Die Universität Graz ließ in den vergangenen fünf Jahren rund 2000 Objekte – von diversen Hieb-
Stich- und Schlaggegenständen angefangen über Schusswaffen, Diebes- und Raubgut, Fälschungen (Geld,
Siegel, Urkunden) und Glücksspielutensilien – reinigen, konservieren und digitalisieren. Das Kriminalmuseum
steht ab morgen Mittwoch, dem 20. Juni 2018, in den neuen Räumlichkeiten in der Heinrichstraße 18 auf
50 Quadratmeter für die Öffentlichkeit zur Verfügung. Namensgeber des Museums ist der Grazer Pionier
der Kriminalwissenschaft Hans Gross.
„Gross hat als Gründer der modernen Kriminologie ein neuartiges Instrumentarium und eine bedeutende Sammlung
hinterlassen, die den Kern des Kriminalmuseums bilden. Dieses dient sowohl als Quelle weiterer wissenschaftlicher
Arbeit als auch als Ort der Wissensvermittlung und vereint somit alle Kernaufgaben einer heutigen Universität
als Stätte für Forschung, Lehre und Weiterbildung mit höchster gesellschaftlicher Relevanz“, sagt
Peter Scherrer, Vizerektor für Forschung und Nachwuchsförderung.
„Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Wissenschaftsgeschichte: Die Entwicklung der Kriminaltechnik und der
Verbrechensaufklärung wird anhand zahlreicher Objekte nachvollziehbar“, zeigt sich Nikolaus Reisinger, Leiter
der Grazer Universitätsmuseen, begeistert.
Für Kurator Christian Bachhiesl ist der Bezug der neuen Räumlichkeiten in der Heinrichstraße auch
ein Neuanfang des Museums. „Wir konnten in den vergangenen Jahren die Schauobjekte unserer Sammlung nicht nur reinigen
und konservieren, sondern auch digitalisieren und neu ordnen“, erzählt er. „Neben den altbekannten Stars der
Ausstellung, wie etwa dem berühmten Tatortkoffer von Hans Gross, stellen wir nun auch eine Weiterentwicklung
des Koffers aus der DDR aus.“ Weiters werden neu präsentiert: ein Set zum Abnehmen von Fingerabdrücken,
ein Farbspektrometer und als besonderes Highlight ein großes Vergleichsmikroskop aus der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts, das bei der Erstellung von ballistischen Gutachten, Schriftuntersuchungen und anderen forensischen
Untersuchungen verwendet wurde.
Jedes Schaustück hat seine Geschichte
Die Kriminalgeschichte der Steiermark liest sich wie ein Horror-Thriller, davon zeugt jedes einzelne corpus
delicti in den Schaukästen. Da war zum Beispiel der Raubmord an Theresia Säumel, die von zwei Landstreichern
in ihrem Bauernhaus nahe Knittelfeld erschlagen wurde. Das Kriminalmuseum zeigt die Tatwaffe, Fotos und die Schädeldecke
des Opfers. Oder der grausame Fall der Wäscherin Anna Bachhofer, die 1913 in Kindberg ihren Sohn ertränkte.
Dieser Mord ist durch zahlreiche Fotos und Texte gut dokumentiert.
Neben der Kriminalistik wird auch die Kriminologie in ihrer Entwicklung dokumentiert. Hierbei geht es um die theoretische
Erklärung der Entstehung und Prävention von Kriminalität – und damit immer auch um Politik und Weltanschauung.
Anhand vieler Objekte können auch Verbindungen zu anderen Wissensgebieten geknüpft werden. „Die Kriminalwissenschaft,
wie Hans Gross sie konzipierte, war von Anfang an interdisziplinär angelegt“, betont Bachhiesl. Die umfangreiche
Sammlung von Giften etwa ermöglicht Verweise auf die Chemie, Präparate von Körperteilen und Schädelfragmente
führen zur Medizin, die Aussageforschung zur Psychologie, und die Mikroskope und anderen kriminaltechnischen
Geräte führen hinein in die Physik und die technischen Disziplinen. Geschichte und Soziologie sind als
„Hintergrunddisziplinen“ dieser historischen Sammlung ohnehin immer präsent.
Das Kriminalmuseum gehört neben dem UniGraz@Museum und dem Haus der Wissenschaft zum Verbund „Unimuseen“ der
Universität Graz.
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