Aussprache mit Brexit-Chefverhandler Michel Barnier im Parlament
Brüssel/Wien (pk) – Zu einer Aussprache über die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien
traf Brexit-Chefverhandler Michel Barnier am 18. Juni mit MandatarInnen der fünf Parlamentsfraktionen
zusammen. In den Verhandlungen zum Austritt der Briten aus der Union sind die "heikelsten Themen" wie
Nordirland noch offen. Geht es um die künftigen Beziehungen zu Großbritannien, sollen diese in gemischten
Verträgen geregelt werden. Demnach braucht es für die Ausgestaltung der gemeinsamen Zukunft mit Großbritannien
die Ratifikation aller nationalen Parlamente der verbleibenden EU-27. Deshalb setze er seit Beginn der Verhandlungen
auf Transparenz, wie Barnier sagte.
Kommt es in Nordirland oder in Fragen des Binnenmarkts zu Fortschritten, können die Verhandlungen im Oktober
wie geplant unter österreichischem EU-Ratsvorsitz abgeschlossen werden. "Aber es gibt immer ein Risiko",
so Barnier. Er appellierte, sich auch darauf vorzubereiten, dass es zu keiner Einigung mit den Briten kommt. Für
den Fall eines solchen "no deal" werde von der Kommission ein Notfallszenario vorbereitet. Sein Ziel
sei es, einen geordneten Austritt zu schaffen, eine gemeinsame Stimme innerhalb der EU sei dabei ein wichtiger
Schlüssel.
Barnier: Österreichs EU-Vorsitz entscheidend
Er erwartet sich von Österreichs Regierung, diese Einheitlichkeit auch während des EU-Vorsitzes einzuhalten.
"Ihre Ratspräsidentschaft ist entscheidend", so Barnier auf Nachfrage von Bruno Rossmann (PILZ).
Der Brexit dürfe nicht dazu führen, dass die Union entzweit oder geschwächt wird.
Bleiben die roten Linien der Briten bei ihrem angestrebten Austritt aus dem Binnenmarkt und der Zollunion unverändert,
fasst die Kommission ein Freihandelsabkommen ins Auge. Das aus Sicht Barniers einzig friktionsfreie Modell für
die künftigen wirtschaftlichen Beziehungen zur EU wäre ein sogenanntes "Norwegen plus". Damit
wären die Briten ein Mitglied im Binnenmarkt samt zusätzlicher gemeinsamer Zollunion, was allerdings
von Großbritannien abgelehnt wird. Im Fall von Nordirland gehe es in erster Linie darum, eine harte, materielle
Grenze zu vermeiden. Die Stabilität der irischen Insel sieht Barnier sonst als gefährdet.
Es müssten seitens der EU jedenfalls Instrumente gefunden werden, um Sozial-, Umwelt- und Steuerdumping zu
vermeiden. Für die Landwirtschaft erwartet er durch den Brexit erhebliche negative Folgen, wie Barnier gegenüber
Andreas Schieder (SPÖ) und Georg Strasser (ÖVP) sagte. Ein noch strittiger Punkt in den Verhandlungen
sind zudem auch geografische Herkunftsangaben für Agrar- und Lebensmittelprodukte.
Brexit klares "lose-lose"
Auf die Frage von FPÖ-Abgeordnetem Georg Schuster nach möglichen Vorteilen des Brexit, sagte Barnier,
dass der Austritt Großbritanniens ein klares "lose-lose" für alle Beteiligten sei. "Es
gibt nur Verlierer", so der Chefverhandler.
Dem Vorstoß Claudia Gamons (NEOS), die Zusammenarbeit mit Großbritannien im Bereich der Forschung fortzusetzen,
pflichtete Barnier bei. Gerade die Briten würden es schaffen, den europäischen Schnitt in internationalen
Rankings hochzuhalten, so die Abgeordnete.
Eine weitere Partnerschaft zu Großbritannien wird seitens der Kommission außerdem in der Sicherheits-,
Verteidigungs- und Außenpolitik angestrebt.
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