Erste umfangreiche epidemiologische Daten zu günstigen Effekten von Spermidin beim Menschen
– Positive Wirkung ab 80 Mikromol Spermidin pro Tag – Überzeugender Zusammenhang von Ernährung und Altern
London/Paris/Graz/Innsbruck (i-med) Gesund zu altern, ist ein langgehegter Wunsch der Menschheit. Die medizinische
Forschung ist seit vielen Jahren bemüht, gesundheitsfördernden und lebensverlängernden Mechanismen
auf die Spur zu kommen. Das natürliche Polyamin „Spermidin“ etwa zeigt in der Zellkultur und bei Tieren lebensverlängernde
Wirkung. Ein großes internationales Forscherteam, geleitet von der Medizin Uni Innsbruck, kann diesen Anti-Aging-Effekt
von Spermidin nun erstmals auch für den Menschen nachweisen.
Wer mit der Nahrung viel Spermidin zu sich nimmt, verlängert damit möglicherweise seine gesunde Lebensspanne.
Diese erfreuliche Erkenntnis bestätigt ein großes internationales Forscherteam im Rahmen des Tiroler
K-Projekts VASCage (COMET, FFG), in dem unter anderem untersucht wird, inwieweit Nahrungsbestandteile in der Lage
sind, systemisch Einfluss auf Entzündungs- und Alterungsprozesse zu nehmen. Die Ergebnisse der neuen Studie,
die unter der Federführung der Medizin Uni Innsbruck und gemeinsam mit der Universität Innsbruck und
dem Krankenhaus Bruneck sowie mit Forschern in Graz, London und Paris entstanden sind, wurden soeben im American
Journal of Clinical Nutrition (AJCN) veröffentlicht.
Starke epidemiologische Hinweise für lebensverlängernden Effekt im Menschen
„Unsere validen Ergebnisse basieren auf Daten von 829 ProbandInnen aus der prospektiven Bruneck Studie und spezifischen
Diätfragebögen zur Berechnung der Nahrungsaufnahme. Damit können wir die aus verschiedenen Modellorganismen
bereits bekannte Wirkung von Spermidin auf altersbedingte Prozesse bestätigen sowie seine Rolle als unabhängige
Einflussgröße auf die Lebensspanne nun auch erstmals beim Menschen untermauern“, erklärt der Neurologe
Stefan Kiechl, der an der Medizin Uni Innsbruck mit Johann Willeit die Gesamtleitung von VASCage inne hat.
In enger Zusammenarbeit mit Herbert Tilg (Leiter des Ernährungsprojektes von VASCage) und Jungforscher Raimund
Pechlaner hat Stefan Kiechl untersucht, inwieweit die über die Nahrung aufgenommene Menge an Spermidin mit
der Lebensspanne korreliert. Das Ergebnis: ProbandInnen, die viel Spermidin über die Ernährung zuführen,
also mindestens 80 µmol (Mikromol) Spermidin pro Tag, wiesen ein deutlich geringeres Risiko auf, im 20-jährigen
Beobachtungszeitraum zu versterben. „Der Überlebensvorteil von spermidinreicher im Vergleich zu spermidinarmer
Ernährung (<60 µmol pro Tag) beträgt rund fünf Jahre“, erklärt Pechlaner.
Schutzfunktion durch Signalwirkung
Der Gehalt von Spermidin, das in hoher Konzentration in Samenflüssigkeit sowie in anderen Körperzellen
vorkommt und auch von bestimmten Darmbakterien produziert wird, nimmt im Lauf des Lebens ab. „Dieser Entwicklung
kann durch eine Ernährung mit spermidinreichen Lebensmitteln wie Keimgemüse, Erbsen, Vollkornprodukten,
Äpfeln, Salat, Pilzen, Nüssen, Kartoffeln oder gereiftem Käse entgegengewirkt werden“, betonen die
Innsbrucker Forscher.
Umgelegt auf die individuelle Nahrungsmittelzufuhr würde man sich mit beispielsweise zwei Portionen Vollkornbrot,
zweimal Salat und einem Apfel auf dem täglichen Speiseplan im oberen Drittel der Spermidineinnahme wiederfinden.
Mechanistisch gesehen beruht die lebensverlängernde Wirkung von Spermidin vor allem auf seiner Fähigkeit,
Autophagie anzuregen. Bei diesem, auch durch mehrstündiges Fasten ausgelösten Selbstreinigungsprozess
der Zelle werden fehlerhafte oder nicht mehr benötigte Zellbestandteile abgebaut und verwertet. Weil die Autophagie
im Alter an Effizienz verliert, kommt es zu krankheitsrelevanten Ablagerungen in den Zellen, die wiederum zu Demenz,
Diabetes, Tumoren und Atherosklerose führen können. „Die vermehrte Aufnahme von Spermidin signalisiert
der Zelle, den Selbstreinigungsprozess zu starten und schützt damit vor Ablagerungen und vorzeitiger Alterung“,
sagt Kiechl. Wichtige Erkenntnisse hierzu stammen von Kooperationspartnern der Uni Graz (Frank Madeo und Tobias
Eisenberg).
Die aktuellen epidemiologischen Ergebnisse gemeinsam mit der starken experimentellen Basis ergeben ein überzeugendes
Konzept. Als definitiver Beweis sind noch Interventionsstudien erforderlich, die zum Teil bereits angelaufenen
sind.
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