Investitionen in Wissenschaft und Forschung als Schlüssel zur langfristigen Stärkung
Europas
Klosterneuburg (ist) - Die von der Europäischen Kommission präsentierten Zahlen zum EU-Finanzrahmen
für die Jahre 2021 bis 2027 im Bereich „Forschung und Innovation“ werden vom Institute of Science and Technology
Austria (IST Austria) prinzipiell begrüßt. Das Signal zum Ausbau der Forschungs- und Innovationsförderung
ist klar wahrnehmbar und wird unterstützt. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Steigerung
des Forschungsbudgets auf 100 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027 ist allerdings der untere Schwellenwert,
der keinesfalls unterschritten werden sollte. Für die Stärkung der „Idee Europa“ ist Forschung und Innovation
ein idealer Hebel, der mit möglichst großem Momentum zum Einsatz gebracht werden soll. Der Vorschlag
der EU-Kommission hat dafür in seiner Gesamtheit das richtige Vorzeichen, die Gewichtung der einzelnen Instrumente
innerhalb des vorgelegten Rahmens sind allerdings kritisch zu hinterfragen. Und: Europa verträgt insgesamt
deutlich stärkere Forschungsimpulse.
Europa – und damit jedes einzelne Mitgliedsland der Europäischen Union – muss zum Ziel haben, insbesondere
für junge Forscherinnen und Forscher an Attraktivität zu gewinnen. Gemeinsames Anliegen ist, Europa als
Zielort in der globalen „Brain circulation“ zu positionieren. Die EU-Kommission ist mit ihrem Vorschlag der Ausweitung
des Forschungs- und Innovationsbudgets offensichtlich bereit als Schrittmacher zu fungieren. Österreich als
Mitgliedsland der Europäischen Union ist gefordert diese Chance für mehr Europa, für mehr Forschung
in Europa zu nutzen.
Innerhalb des Ansatzes zur Stärkung des Forschungs- und Innovationsraums Europa kommt der ersten Säule
– dem „Open Science Pillar“ entscheidende Bedeutung zu. Sie beinhaltet die wichtigsten Instrumente zur Steigerung
forscherischer Kreativität und der Entfaltung wissenschaftlicher Exzellenz. Europa soll zu einem Gravitationszentrum
für (junge) Spitzenforschung werden. Deshalb muss diese Säule maximal gestärkt werden. Hier ist
ohne jeden Zweifel Luft nach oben.
Wären die vorgesehenen 16,6 Mrd. Euro für den European Research Council (ERC) prima vista noch hinnehmbar,
fallen die Kürzungen im Bereich der Marie Sklodowska-Curie Actions äußerst unangenehm auf. Diese
hätten negative Konsequenzen für den Forschungsraum, kämen sie tatsächlich in dieser Form:
keine Spitze ohne gut entwickelte Basis.
Angesichts der Erfolge der Marie Sklodowska-Curie Actions in „Horizon 2020“ kann der Schnitt im Kommissions-Vorschlag
nicht nachvollzogen werden. Dieser Fehler soll korrigiert werden. Österreich soll sich dafür einsetzen.
Wer die gerechtfertigten Lobpreisungen des ERC in Europa anlässlich seines zehnjährigen Bestehens noch
im Ohr hat, wundert sich, dass der geplante Zuwachs beim European Research Council mit absolut 3,6 Mrd. Euro für
einen Zeitraum von sieben Jahren bescheiden ausfallen soll. Diese Steigerungsrate ist nicht größerer
als die Steigerungsrate des Gesamtbudgets. Der vom ERC geführte Nachweis, wieviel hervorragendes Potenzial
durch extrem geringe Bewilligungsraten nicht zu Entfaltung gebracht werden konnte, sollte Anlass geben, eine deutliche
Korrektur nach oben vorzunehmen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass Europa generell stärker auf die Entwicklung von Ökosystemen
für Innovation setzen sollte. Den Humus dafür liefert Neugierde-getriebene Forschung (Säule 1 von
Horizon Europe), die tatsächlich Wissensneuland erschließt. Ein Zuviel an Programmatik (Säulen
2 und 3) führt allzu oft zur Überdüngung, die dem Boden jedes Innovationssystems langfristig schadet.
Die Absorbtionsfähigkeit für grundlegende Erkenntnisse in einer wissensbasierten Gesellschaft wird von
den forscherisch tätigen Menschen – unabhängig davon in welchem Sektor sie tätig sind – getragen
und nicht von technokratischen Vorgaben. Europa muss deshalb die Anstrengungen verstärken, zu einem Gravitationszentrum
für eben diese Menschen zu werden. Die erste Säule – Open Science – des vorliegenden Entwurfs innerhalb
von „Horizon Europe“ gehört deshalb sowohl in absoluten Zahlen als auch anteilsmäßig gestärkt,
denn Säule 1 ist für den angestrebten ‚Gravitational pull‘ der wichtigste und effektivste Hebel. Europa
als wissensbasierte Gesellschaft lebt von Entfaltungsmöglichkeiten und nicht von überadministrierten
Initiativen, die Steuerungsphantasien bedienen und bei hohen Transaktionskosten großteils wirkungslos verpuffen.
Der gesellschaftliche Fortschritt und Wohlstand lebt von ungeplanten, überraschenden Ideen einzelner kreativer
Forscherinnen und Forscher sowie Unternehmerinnen und Unternehmer, nicht von durchgeplanten Missionen und Meilensteinen
der Politik und Industrie. Wenn in einigen Jahrzehnten auf die wissenschaflichen sowie wirtschaftlichen Haupterfolge,
die neue Erkenntnisse und Technologien schaffenden Entdeckungen des Horizon-Europe-Programms zurückgeschaut
werden wird, so werden diese mit Sicherheit großteils in der Säule 1 zu finden sein. Bedauerlicherweise
ist gegenwärtig geplant, genau diese Säule 1 anteilsmäßig zu kürzen.
Über das IST Austria
Das Institute of Science and Technology (IST Austria) in Klosterneuburg ist ein Forschungsinstitut mit eigenem
Promotionsrecht. Das 2009 eröffnete Institut widmet sich der Grundlagenforschung in den Naturwissenschaften,
Mathematik und Computerwissenschaften. Das Institut beschäftigt ProfessorInnen nach einem Tenure-Track-Modell
und Post-DoktorandInnen sowie PhD StudentInnen in einer internationalen Graduate School. Neben dem Bekenntnis zum
Prinzip der Grundlagenforschung, die rein durch wissenschaftliche Neugier getrieben wird, hält das Institut
die Rechte an allen resultierenden Entdeckungen und fördert deren Verwertung. Der erste Präsident ist
Thomas Henzinger, ein renommierter Computerwissenschaftler und vormals Professor an der University of California
in Berkeley, USA, und der EPFL in Lausanne, Schweiz.
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