Arbeitsanfall beim Verfassungsgerichtshof
 ist weiter gestiegen

 

erstellt am
02. 07. 18
13:00 MEZ

Tätigkeitsbericht 2017 liegt Nationalrat vor
Wien (pk) - Die Zahl der neu anhängigen Fälle beim Verfassungsgerichtshof ist im vergangenen Jahr das dritte Jahr in Folge gestiegen. Gegenüber 2016 ist ein Plus von fast 30% zu verzeichnen, gegenüber 2014 sind es sogar knapp 70%. Das ist dem Tätigkeitsbericht des VfGH 2017 ( III-155 d.B.) zu entnehmen, der von Justizminister Josef Moser dem Parlament vorgelegt wurde. Trotz einer Rekordzahl an Erledigungen stieg damit auch die Zahl der zu Jahresende offengebliebenen Fälle weiter an. Auf die durchschnittliche Dauer der Verfahren hatte der steigende Beschwerdeanfall allerdings keine Auswirkungen, der im internationalen Vergleich ohnehin schon beachtliche Wert konnte sogar noch einmal verringert werden.

Insgesamt wurden im Jahr 2017 5.047 Verfahren beim VfGH neu anhängig. Das sind exakt um 28,75% mehr als 2016 (3.920). Ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz der Fälle (45%, 2.280) entfiel dabei wieder auf Asylrechtssachen. Aber auch die Zahl der Fälle aus dem Glücksspielbereich (736) stieg signifikant an.

Nur 6% der Beschwerden erfolgreich
Wenig geändert hat sich an der Erfolgsquote der Beschwerden. Nur in 284 Fällen (6%) gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Beschwerdeführers bzw. der Beschwerdeführerin statt. Dem stehen 115 Abweisungen, 241 Zurückweisungen und 2.073 Ablehnungen gegenüber. Dazu kommen 1.922 negative Entscheidungen über Verfahrenshilfeanträge und 84 "sonstige Erledigungen" wie Verfahrenseinstellungen.

Insgesamt konnte der Verfassungsgerichtshof 4.719 Verfahren abschließen. Neben 320 Gesetzesprüfungsverfahren und 131 Verordnungsprüfungsverfahren waren das u.a. 4.233 Einzelbeschwerden nach Art. 144 B-VG (davon 2.048 Asylbeschwerden), 5 Wahlanfechtungen, 9 Fälle von Kompetenzkonflikten, 15 Entscheidungen über vermögensrechtliche Ansprüche und einen Antrag auf Mandatsverlust.

VfGH hob von 124 geprüften Gesetzen 19 in Teilbereichen auf
Im Zuge der 320 Gesetzesprüfungsverfahren nahm der VfGH 124 Normen unter die Lupe. Davon wurden lediglich 19 zumindest teilweise aufgehoben, vorrangig aufgrund von amtswegigen Prüfungen und Gerichtsanträgen. Lediglich in zwei Fällen waren so genannte Parteianträge erfolgreich. 105 Gesetze hielten der Prüfung stand.

Vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde unter anderem die Beschränkung der Ehe auf Paare verschiedenen Geschlechts. Nicht zuletzt angesichts des Umstands, dass mittlerweile in beiden Fällen Elternschaft möglich ist, lasse sich eine Differenzierung in zwei Rechtsinstitute – Ehe und eingetragene Partnerschaft – heute nicht mehr aufrechterhalten, ohne gleichgeschlechtliche Paare zu diskriminieren, argumentieren die RichterInnen. Die entsprechenden Bestimmungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) treten allerdings erst mit Ende 2018 außer Kraft.

Gekippt hat der VfGH auch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat. Ebenso hielten einzelne Bestimmungen im Einkommensteuergesetz, im Staatsbürgerschaftsgesetz und im Gerichtsgebührengesetz der Prüfung nicht stand. Teilweise aufgehoben wurden überdies die Bettelverbote in Bregenz und Salzburg.

Die gesetzliche Enteignung des Geburtshauses von Adolf Hitler in Braunau und das von der Opposition angefochtene Polizeiliche Staatsschutzgesetz werteten die VfGH-RichterInnen hingegen als verfassungskonform. Das Gleiche gilt für den Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von Leistungen der Mindestsicherung bei gleichzeitig gewährleisteter Grundversorgung. Auch gegen das Verbot des Versandhandels mit E-Zigaretten, die Pflichtmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer, die Privilegierung neu gegründeter GmbHs in Bezug auf das Mindeststammkapital und die Untersagung von Bestpreisklauseln bei Buchungsplattformen machten sie keine Einwände geltend.

Gerechtfertigt ist nach Auffassung des VfGH zudem, dass die im Parteiengesetz normierten Offenlegungs- und Rechenschaftspflichten auch für kleine Parteien gelten, die nicht an Wahlen teilnehmen. In Abweichung von der bisherigen Judikatur wertete er auch die Ermächtigung von Verwaltungsbehörden zur Verhängung hoher Geldstrafen grundsätzlich als zulässig.

Durchschnittliche Erledigungsdauer liegt weiter bei unter 5 Monaten
Weiterhin bemerkenswert niedrig ist die durchschnittliche Verfahrensdauer. Trotz des zusätzlichen Geschäftsanfalls konnte sie 2017 sogar noch einmal reduziert werden. Nur 140 Tage und somit weniger als 5 Monate benötigte der VfGH im Schnitt vom Eingang einer Rechtssache bis zur Abfertigung der Entscheidung (2016: 143 Tage). Noch schneller werden mit durchschnittlich 78 Tagen die in der allgemeinen Aufstellung nicht berücksichtigten Asylrechtssachen erledigt.

Allerdings ist die Zahl der insgesamt zum Jahresende noch anhängigen Fälle zuletzt doch deutlich gestiegen, von 1.001 Ende 2016 auf 1.329 Ende 2017. Ein offener Fall war zu Beginn des heurigen Jahres noch aus dem Jahr 2015 anhängig, 15 datieren aus 2016. Jede Beschleunigung der Erledigung von Asyl- und Fremdenrechtssachen führe beim Bund und bei den Ländern zu einer Kostenersparnis in Millionenhöhe im Bereich der Grundversorgung, gibt der Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang zu bedenken.

Der Bericht ist übrigens der erste, der unter der neuen VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein erstellt wurde. Die Nachfolgerin des langjährigen Präsidenten Gerhart Holzinger steht seit Ende Februar 2018 an der Spitze des Höchstgerichts. Neu in den Verfassungsgerichtshof zogen heuer Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (VfGH-Richter seit 27. Februar), Rechtswissenschaftler Andreas Hauer (seit 7. März) und Rechtsanwalt Michael Rami (seit 11. April) in den Verfassungsgerichtshof ein.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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