Konjunktur schwächt sich ab,
 außenwirtschaftliche Unsicherheit nimmt zu

 

erstellt am
29. 06. 18
13:00 MEZ

IHS-Prognose der österreichischen Wirtschaft 2018 - 2019
Wien (ihs) - Im ersten Halbjahr dürfte die österreichische Wirtschaft noch äußerst kräftig gewachsen sein. Vor dem Hintergrund der bereits seit Jahresbeginn schwächeren Konjunktur im Euroraum und der gestiegenen Unsicherheit im konjunkturrelevanten Umfeld ist aber mit einer deutlichen Verlangsamung des heimischen Expansionstempos im weiteren Prognosezeitraum zu rechnen. Für die Jahre 2018 und 2019 wird somit ein Wachstum der österreichischen Wirtschaft von 2.9 % bzw. 1.7 % erwartet. Aufgrund der ausgezeichneten Wirtschaftslage dürfte der öffentliche Sektor ausgeglichen budgetieren. Dringend notwendige Strukturreformen müssen jetzt angegangen werden. Gegenwärtig sind die Prognoserisiken merklich abwärts gerichtet, wobei insbesondere protektionistische Tendenzen und die Ausgestaltung des Brexit als Risiken zu nennen sind.

Zu Jahresbeginn hat sich die Hochkonjunkturphase in Österreich fortgesetzt. Die österreichische Wirtschaft ist laut Trend-Konjunktur-Komponente im ersten Quartal um 0.8 % gegenüber dem Vorquartal gewachsen, im Jahresabstand betrug der Zuwachs knapp 3 ½ %. Der Aufschwung ist weiterhin breit abgestützt. Im ersten Quartal trieb die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt den privaten Konsum. Die Investitionstätigkeit blieb wegen der hohen Kapazitätsauslastung und der niedrigen Finanzierungskosten kräftig. Impulse kamen auch vom Außenhandel, wobei sich die Exportdynamik allerdings leicht abschwächte. Das internationale Umfeld verschlechterte sich in den letzten Monaten etwas. So verringerte sich in Deutschland und Frankreich im ersten Quartal die wirtschaftliche Dynamik merklich. Handelspolitische Risiken belasten die Konjunktur zusätzlich. Die Indikatoren deuten für Österreich auf einen Konjunkturhöhepunkt zur Jahreswende 2017/18 hin. Vor diesem Hintergrund erwartet das Institut eine spürbare Verlangsamung der Konjunkturdynamik in der zweiten Jahreshälfte. Aufgrund des starken Wachstums in der ersten Jahreshälfte sollte die österreichische Wirtschaft im Jahresdurchschnitt 2018 um 2.9 % zulegen. Im nächsten Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt laut Prognose um 1.7 % steigen. Damit wächst die österreichische Wirtschaft im heurigen Jahr deutlich stärker als die des Euroraums, nächstes Jahr wird sich das Wachstempo angleichen (2.0 % bzw. 1.8 % im Euroraum).

Im Vorjahr expandierte die Weltwirtschaft breitflächig in hohem Tempo. Seit Beginn dieses Jahres hat sich die Dynamik in den Industrieländern aber etwas verlangsamt. Die Wirtschaftsleistung in den USA legte im ersten Quartal um 0.5 % gegenüber dem Vorquartal zu, nach 0.7 % im Schlussquartal des Vorjahres. Im Euroraum verringerte sich das Wachstum im ersten Quartal von 0.7 % auf 0.4 %. Dabei verzeichneten insbesondere Deutschland und Frankreich eine Wachstumsverlangsamung. Die Konjunkturindikatoren haben sich verschlechtert, liegen allerdings weiterhin auf hohen Niveaus. Von der Fiskalpolitik gehen eher belebende Impulse aus, insbesondere in den USA. Die Geldpolitik ist weiterhin expansiv ausgerichtet, lediglich in den USA hat bereits eine Straffung eingesetzt. Im Euroraum wird die Geldpolitik den Ankündigungen der EZB zufolge nur langsam normalisiert. Belastend wirkt allerdings die deutliche Erhöhung der Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung, die durch handelspolitische Risiken ausgelöst wurde. Die US-Regierung ist auf einen protektionistischen Kurs eingeschwenkt. Die bisher beschlossenen Zölle auf Aluminium und Stahl dürften die Exportkonjunktur in den betroffenen Staaten aufgrund des geringen Volumens kaum belasten. Es besteht aber die Gefahr, dass es zu einer Spirale aus Aktion und Reaktion bei den handelspolitischen Instrumenten kommt. Eine Ausweitung der Zölle auf Autos bzw. Autoteile hätte beispielsweise für Deutschland aufgrund des höheren Anteils dieser Produkte an den Gesamtexporten in die USA deutlich negativere Auswirkungen. Bereits die Sorge über eine mögliche Eskalation des Handelskonflikts, etwa zwischen den USA und China, könnte die weltweite Investitionsbereitschaft dämpfen.

Das Institut erwartet das folgende internationale Konjunkturbild. Die US-Wirtschaft sollte in den Jahren 2018 und 2019 um 2.8 % bzw. 2.4 % zulegen. Von der Steuerreform dürften dabei insbesondere auf die Investitionstätigkeit belebende Impulse ausgehen. Etwas pessimistischer als noch im März werden die Wachstumsaussichten für den Euroraum eingeschätzt. Mit 2.0 % bzw. 1.8 % verlangsamt sich das Tempo des Konjunkturaufschwungs. In den Schwellenländern bleibt die Konjunktur aufwärts gerichtet. So werden für die chinesische Wirtschaft Zuwachsraten von 6.6 % bzw. 6.2 % erwartet. Die Weltwirtschaft sollte im Prognosezeitraum um 3.8 % bzw. 3.6 % expandierten, nach 3.7 % im Vorjahr.

Seit der Steuerreform 2016 stellt der private Konsum in Österreich nach einer längeren Stagnationsphase wieder eine Wachstumsstütze dar. Die merklich steigenden Realeinkommen, die weiter verbesserte Arbeitsmarktlage und das hohe Konsumentenvertrauen stützen gegenwärtig den privaten Konsum, sodass für den Jahresdurchschnitt 2018 mit einem Zuwachs um 1.5 % gerechnet wird. Dies impliziert einen Anstieg der Sparquote von 6.4 % auf 6.9 %. Im Jahr 2019 dürfte das Konsumwachstum bei unveränderter Sparquote 1.2 % betragen.

Die Investitionskonjunktur trägt weiterhin signifikant zum Wachstum bei. In den letzten beiden Jahren haben die Investitionen, insbesondere jene in Ausrüstungen, kräftig zugelegt. Die hohe Kapazitätsauslastung und die günstigen Finanzierungskonditionen sollten die Investitionsneigung weiterhin stützen, die zunehmenden Unsicherheiten über die internationalen Konjunkturaussichten wirken hingegen dämpfend. Vor diesem Hintergrund sollte die Investitionskonjunktur etwas weniger schwungvoll als noch im Vorjahr ausfallen. Im heurigen Jahr dürften die Ausrüstungsinvestitionen noch um 4.0 % zulegen, nächstes Jahr sollte sich der Zuwachs auf 1.8 % verringern. Weiterhin lebhaft dürften sich die Bauinvestitionen mit Wachstumsraten von 2.5 % bzw. 1.8 % entwickeln. Die Bruttoanlageinvestitionen steigen somit um 3.3 % bzw. 1.8 %.

 

 

Das Institut geht davon aus, dass sich der Aufschwung der Weltwirtschaft fortsetzt und damit auch der Welthandel weiter zulegt. Das Wachstum der österreichischen Exportmärkte wird sich dabei etwas verlangsamen. Im Prognosezeitraum dürfte die Exportdynamik der heimischen Wirtschaft mit Zuwachsraten von 4.9 % bzw. 3.9 % daher etwas geringer ausfallen als noch in der März-Prognose erwartet. Für die Gesamtimporte laut VGR werden Wachstumsraten von 3.6 % bzw. 3.3 % erwartet. Somit dürfte von der Außenwirtschaft weiterhin ein positiver Wachstumsbeitrag ausgehen.

Im Durchschnitt der ersten fünf Monate 2018 betrug die heimische Inflationsrate 1.8 %. In der zweiten Jahreshälfte dürfte sich der Preisauftrieb insbesondere aufgrund der im Jahresvergleich höheren Energiepreise etwas beschleunigen. Vor diesem Hintergrund erwartet das Institut weiterhin eine VPI-Inflationsrate von 2.1 %. Auch im kommenden Jahr dürfte der Preisauftrieb 2.1 % betragen.

Der Arbeitsmarkt profitiert weiterhin von der ausgezeichneten Konjunktur. In der ersten Jahreshälfte wurde die Beschäftigung kräftig ausgeweitet und die Arbeitslosigkeit ist merklich gesunken. Diese positive Entwicklung sollte sich auch im restlichen Prognosezeitraum fortsetzen. Ausgehend von 8.5 % im Vorjahr dürfte die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition in diesem Jahr auf 7.7 % fallen. Für nächstes Jahr ist mit einem weiteren Rückgang auf 7.5 % zu rechnen. Die Arbeitslosenquote laut Eurostat sollte in beiden Jahren 5.0 % betragen, nach 5.5 % im Vorjahr.

Die Lage der öffentlichen Haushalte wird im Prognosezeitraum von der sehr guten Konjunktur und den niedrigen Zinsen geprägt. Der Budgetvoranschlag 2018/19 der Bundesregierung sieht eine Rückführung des gesamtstaatlichen Defizits nach Maastricht-Definition von 0.7 % des BIP im Vorjahr auf 0.4 % in diesem Jahr vor. Für das kommende Jahr wird ein ausgeglichener Haushalt angestrebt. Gegeben das wirtschaftliche Umfeld sollten diese Budgetziele bei striktem Budgetvollzug erreicht werden. Gegenwärtig erwartet das Institut ein gesamtstaatliches Defizit von 0.2 % des BIP im heurigen Jahr und einen Überschuss von 0.1 % im Jahr 2019. Anstrengungen der Regierung zur Dämpfung der Ausgabendynamik und zur Verringerung der im internationalen Vergleich hohen Abgabenbelastung werden vom Institut begrüßt. Für einen nachhaltigen Budgetkurs und eine Absenkung der Schuldenquote sind zusätzliche Strukturreformen unbedingt notwendig, etwa in den Bereichen Pensionen und Föderalismus bzw. Finanzausgleich. Aus längerfristiger Sicht müssen Potenziale zur Finanzierung der Kosten der Alterung und zusätzlicher Ausgaben für zukunftsorientierte produktivitätserhöhende Bereiche wie Bildung, Digitalisierung und Forschung geschaffen werden.

In den letzten Monaten haben die Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft weiter zugenommen. Insbesondere die handelspolitischen Spannungen belasten die Konjunktur. Die US-Regierung ist auf einen protektionistischen Kurs eingeschwenkt und hat Zölle auf Stahl und Aluminium verhängt. Zusätzlich überlegt die US-Regierung Einfuhrzölle auf Kraftfahrzeuge. Die EU und China haben ihrerseits Strafzölle auf amerikanische Produkte verhängt. Die Sorge um eine Eskalation des Handelskonflikts dämpft bereits die Investitionsbereitschaft. Eine Ausweitung der Handelsbeschränkungen würde den Welthandel merklich verlangsamen. Die Unsicherheiten über das Tempo der Straffung der Geldpolitik der US-Notenbank belasten die internationalen Finanzmärkte, insbesondere in den Schwellenländern. Die wirtschaftlichen Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU bilden weiterhin ein großes Konjunkturrisiko für Europa. Die Einschätzung der heimischen Konjunkturdynamik erscheint gegenwärtig insbesondere für das heurige Jahr gut abgesichert. Aufgrund des kräftigen Wirtschaftswachstums zum Jahreswechsel besteht die Chance, dass die heimische Wirtschaft sogar noch stärker wächst. Allerdings würde eine weitere Eintrübung der Weltkonjunktur und eine Eskalation des Handelskonflikts die heimische Investitions- und Exportnachfrage wohl spürbar verlangsamen.

     

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