Erklärung des neuen Wiener Landeshauptmanns vor dem Bundesrat
Wien (pk) - Die Themen Digitalisierung, Föderalismus und Sozialpartnerschaft standen im Mittelpunkt
einer Erklärung, die der neue Wiener Landeshauptmann Michael Ludwig am 28. Juni im Bundesrat abgab. Ein
vorrangiges Prinzip sei für ihn die Begegnung auf Augenhöhe, sowohl was den Föderalismus als auch
die Sozialpartnerschaft betrifft. Aus aktuellem Anlass ging er auf die Debatte über die geplante Arbeitszeitflexibilisierung
ein, wo es seiner Meinung nach wichtig gewesen wäre, dem parlamentarischen Diskurs mehr Zeit einzuräumen.
Am Ende seiner Rede legte der Landeshauptmann ein Bekenntnis zum gemeinsamen Europa ab, das trotz aller Schwächen,
die es in der EU gebe, Garant für eine jahrzehntelange Friedenszeit auf dem Kontinent sei.
Föderalismus gehört zu Österreich
Ludwig, der selbst vom Jänner 1996 bis September 1999 ein Mandat in der Länderkammer innehatte, bezeichnete
den Bundesrat als ganz zentrale und wichtige Einrichtung im Rahmen der Bundesgesetzgebung, da er die Verbindung
zu den Regionen herstelle. Außerdem zeichne ihn ein besonderes politisches Klima aus. Er habe den Eindruck,
dass es in diesem Gremium leichter sei, sich über Fraktionsgrenzen hinweg mit Sachthemen zu beschäftigten.
Der Landeshauptmann, der sich als großer Fan des Bundesrates deklarierte, hält nichts davon, wenn die
Länderkammer in der öffentlichen Diskussion immer klein geredet werde. Was die Diskussion über den
Föderalismus angeht, so könne man durchaus einiges andenken, am grundlegenden Prinzip sollte man aber
festhalten, betonte Ludwig, der derzeit auch amtierender Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz und Präsident
des Städtebundes ist.
Sozialpartnerschaft müsse weiterhin mit Leben erfüllt werden
Die zweite wichtige Säule, die nach den furchtbaren Kriegserfahrungen und dem Niedergang eines menschenverachtenden
Regimes entstanden sei und maßgeblich zur positiven Entwicklung der Zweiten Republik beigetragen habe, stellt
für Ludwig die Sozialpartnerschaft dar. Dabei handle es sich um ein bedeutsames Instrument, das nicht nur
in Sonntagsreden bemüht werden sollte, sondern das auch weiterhin mit Leben erfüllt werden müsse,
war Ludwig überzeugt. Auch im Hinblick auf die Einbindung der jungen Menschen sei die Sozialpartnerschaft
unerlässlich. Eine Abschaffung der Jugendvertrauensräte, wo die jungen Menschen lernen, was Demokratie
ist und wie man sich für seine Interessen einsetzt, sei daher abzulehnen.
Ludwig berichtete darüber, dass er erst vor Kurzem einen Industriellen für seine Leistungen für
das Land Wien ausgezeichnet habe, wobei die Laudatio vom Betriebsrat des Unternehmens gehalten wurde. In der Dankesrede
wies der Firmenchef darauf hin, dass so etwas in seinem Heimatland Frankreich undenkbar sei. Dies zeige, dass Österreich
mit der Sozialpartnerschaft über eine Errungenschaft verfügt, die vielleicht für selbstverständlich
gehalten wird, aber – wie Vergleiche mit anderen Ländern zeigen – etwas Besonderes ist. Auch wenn sich Strukturen
immer wieder anpassen müssen, so sollte man doch an bewährten, wertvollen Gütern festhalten, bekräftigte
der Landeshauptmann.
Voraussetzung für eine positive Zusammenarbeit sei aber immer eine Begegnung auf Augenhöhe, unterstrich
Ludwig, der in diesem Zusammenhang die aktuelle Diskussion über die neue Arbeitszeitregelung ansprach. Er
hätte sich gewünscht, dass es in dieser Frage mehr Zeit für den parlamentarischen Diskurs gegeben
hätte. Außerdem seien die Länder von dieser Thematik stark betroffen, da eine Flexibilisierung
der Arbeitszeit Auswirkungen auf die Frage der Kinderbetreuung hat, gab er zu bedenken. Laut Statistik Austria
haben derzeit von den bestehenden 9.267 Kinderbetreuungseinrichtungen nur 993 mehr als zwölf Stunden pro Tag
geöffnet. Im Zuge der Verhandlungen über die Fortsetzung der diesbezüglichen 15a-Vereinbarungen,
die Ende des Jahres auslaufen, werde über dieses Thema intensiv diskutiert werden müssen. Weiters sprach
Ludwig die geplante Reform der Mindestsicherung an, die das "letzte soziale Netz" für viele Menschen
darstelle. Auch hier sollte das Einvernehmen mit den Ländern gesucht werden. Durch eine österreichweite
Regelung müsse jedenfalls sichergestellt werden, dass niemand in den Städten und Gemeinden hungern, frieren
oder auf der Straße schlafen müsse.
Digitalisierung und Bildung: "Unsere Zukunft liegt nicht in den rauchenden Schloten, sondern in den Ideen"
Wie Bundesratspräsident Reinhard Todt war Landeshauptmann Ludwig davon überzeugt, dass die Digitalisierung
tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen wird. Auch wenn es noch ein weiter Weg sei, so halte er an der
Ankündigung fest, dass Wien die "Digi-Hauptstadt" Europas werden soll. Mit dieser Herausforderung
müssen sich nicht nur die Zentralräume, sondern alle Teile des Landes rechtzeitig befassen, damit der
Wirtschaftsstandort Österreich gesichert werden könne. Als Landeshauptmann von Wien werde er auch die
Kooperation über die Grenzen hinweg stark forcieren. Neben den zahlreichen Vorteilen, die die neue Technologie
bringt, gelte es aber gleichzeitig, die damit zusammenhängenden sozialen Fragen nicht zu vergessen, damit
keine neue Gräben in der Gesellschaft entstehen. In dieser Hinsicht sei auch die Europäische Union gefordert,
die politisch und ökonomisch nur dann bestehen könne, wenn sie gemeinsam auftritt.
Generell liege ein Schwerpunkt seiner Bemühungen auf dem Bereich Bildung, konstatierte Ludwig. Österreich
könne im internationalen Wettbewerb nur bestehen, wenn die ArbeitnehmerInnen entsprechend qualifiziert seien.
Da die Kenntnisse der deutschen Sprache die Basis für die Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt
bilden, habe man sich in Wien immer sehr stark dafür eingesetzt, Deutsch ab der ersten Stunde zu vermitteln.
Gleichzeitig setze man individuelle Fördermaßnahmen, und zwar nicht nur in der Primärausbildung,
sondern auch im Sinne eines lebensbegleitenden Lernens.
Abschließend bedankte sich Ludwig noch einmal ausdrücklich für die Arbeit des Bundesratspräsidenten
Reinhard Todt, der wichtige Akzente in seiner Amtszeit gesetzt habe.
Diskussion über Lebensqualität in Wien und Rolle des Bundesrates
Wien wurde 2018 zum neunten Mal in Folge zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt, zeigte Bundesrätin
Elisabeth Grimling (S/W) in der nachfolgenden Debatte auf. Dies könne aber nur dann gelingen, wenn die Bedürfnisse
der Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden. Wien sei ihrer Ansicht nach ein Vorzeigemodell für einen
verantwortungsvollen Umgang mit der Bevölkerung, da es ein soziales Sicherheitsnetz – von der Mindestsicherung,
der Kinderbetreuung bis hin zum sozialen Wohnbau - bietet. Auch im Bereich der Digitalisierung sei Wien eine offene
Stadt und beteilige sich zum Beispiel am EU-Projekt "Smart Cities". Die modernen Technologien bringen
aber auch viele Herausforderungen mit sich, räumte Grimling ein. Um zu verhindern, dass neue prekäre
Beschäftigungsverhältnisse entstehen, komme der Sozialpartnerschaft eine wichtige Rolle zu. Schließlich
setze sie sich dafür ein, den Bundesrat als gesetzgebendes Gremium weiter zu stärken und in der öffentlichen
Wahrnehmung präsenter zu machen.
Wien sei sicher in vielen Bereichen ein Vorbild, schloss Bundesrat Edgar Mayer (V/V) an die Ausführungen seiner
Vorrednerin an, wie etwa beim sozialen Wohnbau oder den digitalen Angeboten. Was die Frage der Mindestsicherung
anbelangt, so hoffe er, dass bald eine gemeinsame Lösung gefunden wird. Ebenso wie Landeshauptmann Ludwig
hob er die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den angrenzenden Bundesländern und der Ostregion hervor, nicht
nur auf wirtschaftlicher Ebene, sondern auch in der Verkehrspolitik.
Monika Mühlwerth (F/W) zeigte sich erfreut über das Bekenntnis von Landeshauptmann Ludwig zu einer starken
Länderkammer, die ihrer Meinung nach einen wichtigen Ausgleich zum Zentralstaat darstellt. Was die Kritik
am fehlenden breiten Diskurs über das Arbeitszeitgesetz angeht, so gab die Bundesrätin zu bedenken, man
müsse auch aufpassen, dass ein guter Entwurf nicht zerredet wird. Es sei richtig, dass Wien eine lebenswerte
Stadt ist, erklärte Mühlwerth, in einigen Bereichen gebe es aber Handlungsbedarf. Als Beispiele nannte
sie das Bildungssystem oder die Verkehrspolitik. Außerdem zeigte sie auf, dass die Mieten von Gemeindewohnungen
teilweise bereits höher liegen als jene im privaten Sektor.
Bundesrätin Ewa Dziedzic (G/W) sah die Länderkammer in der Frage der Mindestsicherung gefordert, denn
es reiche nicht, dieses Thema nur im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz abzuwickeln. Auch ihre Partei war immer
für eine bundeseinheitliche Lösung, betonte sie, aber der aktuelle Vorschlag der Regierung sei nicht
der richtige Weg, da bei den Ärmsten gespart werde. So wären etwa zehntausende MindestpensionistInnen
betroffen, die dann kein Mietbeihilfe mehr erhalten würden, sowie tausende Menschen mit Behinderung und 44.000
Kinder.
Die hohe Lebensqualität von Wien sei nicht "vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis einer konsequenten
politischen Arbeit seit vielen Jahrzehnten", unterstrich Daniela Gruber-Pruner (S/W). Den SozialdemokratInnen
war es immer wichtig, zum Wohle aller Menschen, die in Wien leben, zu handeln; nur dadurch sei ein sozialer Zusammenhalt
möglich. Wien stehe ebenso wie die anderen Bundesländer vor der Herausforderung, leistbaren Wohnraum
anzubieten. Durch die Forcierung des sozialen und geförderten Wohnbau sei es aber gelungen, Ghettobildungen
zu verhindern und für eine soziale Durchmischung zu sorgen. Ablehnend stand Gruber-Pruner den Regierungsplänen
zur Mindestsicherung gegenüber. Wien werde es nicht zulassen, dass Menschen in die Armut getrieben werden.
In Bezug auf die EU-Politik plädierte die Rednerin für eine konstruktive Zusammenarbeit in Europa. Derzeit
orte sie eher ein gefährliches "Zündeln" bzw. "Öl-ins Feuer-Gießen" von
Seiten der Regierung, kritisierte Gruber-Pruner.
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