Opposition hegt Bedenken
Wien (pk) - Die Rechtsfolgen beim Rücktritt von Lebensversicherungen sollen neu geregelt werden ( 302/A).
Nach einer Ausschussbegutachtung trat der Finanzausschuss am 26. Juni zu einer eigens anberaumten Sitzung
zusammen, um das Gesetz in Richtung Plenum zu verabschieden. Während die VertreterInnen der Regierungsparteien
den Gesetzesvorschlag mit der Herstellung von Rechtssicherheit begründeten, brachte die Opposition europarechtliche
Bedenken vor und wollte anhängige OGH-Entscheidungen abwarten.
Im Falle einer mangelhaften Belehrung soll ab 2019 Folgendes gelten: Bei einem Rücktritt im ersten Jahr soll
die gesamte Prämie einschließlich der Abschlusskosten rückerstattet werden – Zinserstattung ist
nicht vorgesehen. Ab dem zweiten bis zum Ende des fünften Jahres wird der Rückkaufswert ohne Abschlusskosten
und ohne Stornogebühren ausbezahlt. Ab dem sechsten Jahr soll nur noch der Rückkaufswert abzüglich
Stornogebühren erstattet werden.
Liste Pilz – Gesetz widerspricht Effektivitätsgrundsatz
Das Gesetz widerspreche dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz, argumentierte Bruno Rossmann seine Ablehnung.
Konkret stützte er sich auf eine eigens beauftragte Studie des Europarechtsexperten Maderbacher, dessen Kritik
folgendermaßen aussieht: Tritt man nach über fünf Jahren von der Versicherung aufgrund mangelhafter
Belehrung zurück, so soll nur der Rückkaufswert erstattet werden. Das entspricht dem gleichen Wert wie
bei einer normalen Vertragskündigung. Aus unionsrechtlicher Sicht hätten aber die Mitgliedstaaten Sanktionen
für Verstöße gegen EU-Recht vorzusehen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend
sein müssen. Rossmann sieht diesen Grundsatz verletzt, da es keinen Unterschied mache, ob die Versicherung
mangelhaft belehrt oder nicht. Versicherungen würden durch den Gesetzesentwurf einseitig bevorzugt, unterstrich
Rossmann.
Überdies sei der Gesetzesentwurf legistisch nicht sauber erarbeitet, so Rossmann, der sich unter anderem auf
die Stellungnahme des Justizministeriums bezog. In diesem Zusammenhang kritisierte er die kurze Frist der Ausschussbegutachtung
von einer Woche im Gegensatz zu der für Regierungsvorlagen vorgesehenen Begutachtungsfrist von mindestens
sechs Wochen.
ÖVP – Rechtsempfinden erfordert neue Regelung
Geht es nach der Opposition so sollten anhängige oberstgerichtliche Entscheidungen abgewartet werden. Dies
sah ÖVP-Finanzsprecher Karlheinz Kopf jedoch anders. Die derzeitige Rechtslage entspreche nicht seinem Rechtsempfinden,
deshalb müsse der Gesetzgeber rechtssetzend eingreifen, argumentierte Kopf gegen eine, wie er sagte, Ersatzgesetzgebung
durch den Obersten Gerichtshof. Eine Interessensabwägung sei erforderlich, da derzeit vermehrt Personen zum
Ausgleich negativer Performance der Versicherungsfonds von Versicherungsverträgen – teilweise auch nach Ablauf
der Vertragslaufzeit –vom Vertrag zurücktreten. Es seien Geschäftsmodelle entstanden, die zwar der aktuellen
Rechtslage entsprechen, aber kein Dauerzustand werden dürfen, spielte er auf so manche Prozessfinanzierer
und Rechtsanwälte an.
Der Gesetzesvorschlag sei EU-konform, stützte sich Kopf auf mehrere Expertengutachten. Man habe eine ausgewogene
Lösung für alle Beteiligten gefunden, unterstrich er. Die Novelle soll mit Jahresbeginn 2019 in Kraft
treten. Im nächsten halben Jahr seien noch Rücktritte nach der alten Rechtslage möglich.
SPÖ befürchtet Staatshaftung
Gleich aus mehreren Gründen stimmte die SPÖ gegen den Gesetzesentwurf. Neben dem Konsumentenschutz und
europarechtlichen Bedenken begründeten Kai Jan Krainer und Fraktionskollegin Selma Yildirim die Ablehnung
mit einer möglichen Staatshaftung. Demnach könnten innerhalb einer kurzen Zeitspanne mehrere Millionen
Versicherungsverträge gekündigt werden, was durch die Versicherungsbranche nicht getragen werden könne.
In Folge könnte die Staatshaftung zu tragen kommen, befürchteten die beiden Abgeordneten. Laut Yildirim
sei eine Haftung durch den Staat in jedem Fall zu vermeiden. Krainer konnte dem Gesetzesentwurf aber auch Positives
abgewinnen. So befürwortete er die Vereinheitlichung der Rücktrittsmöglichkeiten sowie das neue
Musterformular für Belehrungen über das Rücktrittsrecht.
Auf Nachfrage Krainers ließ sich ÖVP-Finanzsprecher Karlheinz Kopf einen Abänderungsantrag in Zweiter
Lesung des Nationalrats nächste Woche offen. Dort könnten legistische Mängel, insbesondere die Anregungen
des Justizministeriums, ausgebessert werden. Kopf versprach eine sorgfältige Prüfung der Gesetzesinitiative
bis zur kommenden Plenardebatte.
FPÖ – Kompromiss für beide Seiten tragbar
Die derzeitige Rechtslage erfordere Rechtssicherheit, sagte Hermann Brückl (FPÖ). Es sei nun ein Kompromiss
gefunden worden, der für Versicherungen und Konsumenten tragbar sei, erklärte er die Zustimmung der FPÖ.
NEOS vorerst dagegen
Offen ließen sich die NEOS eine Zustimmung im Plenum. Inhaltlich sah Karin Doppelbauer richtige Ansätze,
um bestehende Verträge rechtssicher zu machen. Aufgrund der kurzen Begutachtungsfrist stimmten die NEOS jedoch
dagegen und behielten sich eine Zustimmung – nach ausführlicher Prüfung bis zur Plenardebatte – vor.
Dabei hob Doppelbauer bezog sich dabei insbesondere auf die Stellungnahme des Justizministeriums, die mehrere legistische
Mängel aufzeigt.
Die Gesetzesinitiative wurde schließlich mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ plenumsreif gemacht.
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