EU-Kollegium unter Vorsitz von Präsident Juncker diskutiert mit österreichischen
ParlamentarierInnen
Brüssel/Wien (pk) – "Wir haben uns vorgenommen, nicht nur die Stimmen der Regierungen zu hören,
sondern auch jene der nationalen Parlamente", unterstrich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am
6. Juni anlässlich seines Zusammentreffens mit österreichischen ParlamentarierInnen unter der Leitung
von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Bundesratspräsidentin Inge Posch-Gruska. Juncker stattete
mit den Kommissionsmitgliedern aus Anlass der österreichischen Ratspräsidentschaft auch dem Hohen Haus
einen Besuch ab, wobei im Mittelpunkt des Gesprächs die Heranführung der Länder des Westbalkans
an die EU, die Subsidiarität, der Mehrjährige Finanzrahmen der EU und die Migrationsfrage standen.
Hahn zu Westbalkan: Entweder man exportiert Stabilität oder man importiert Instabilität
Über die Notwendigkeit einer europäischen Perspektive für die Staaten des Westbalkans waren sich
alle einig. Diese Priorität wurde auch von der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik,
Federica Mogherini, und dem Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterung, Johannes
Hahn, unterstrichen. "Entweder man exportiert Stabilität oder man importiert Instabilität",
brachte Hahn die Herausforderung auf den Punkt. Vor allem gehe es darum, Rechtsstaatlichkeit zu entwickeln und
zu festigen. Dabei könne der Parlamentarismus Wesentliches beitragen. Er begrüßte daher die von
Nationalratspräsident Sobotka angekündigten diesbezüglichen Initiativen des österreichischen
Parlaments zur Weiterentwicklung des Parlamentarismus in der Region, darunter auch ein Stipendienprogramm für
ParlamentarierInnen und MitarbeiterInnen der Parlamentsverwaltungen.
Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit seien auch eine wichtige Grundlage für Investitionen, wies Sobotka auf
die Verbindung von Rechtssicherheit und Wirtschaft hin. Zudem unterstütze die Demokratiewerkstatt des österreichischen
Parlaments bereits jetzt Montenegro und den Kosovo bei Programmen zur Vermittlung von Parlamentsarbeit und Demokratie,
mit Albanien gebe es Gespräche und Serbien zeige sich interessiert. Er traf sich dabei mit Bundesratspräsidentin
Inge Posch-Gruska, die einforderte, sich vor allem auch auf die Kinder als die Zukunft Europas zu konzentrieren
und die Kinderrechte in den Vordergrund zu stellen.
Subsidiarität: Kommission will nur tun, was sie tun muss
Klar äußerte sich Kommissionspräsident Juncker zum Thema Subsidiarität. Er dränge darauf,
dass sich die Kommission auf die großen Dinge konzentriere. "Wir sind da ziemlich brutal und tun nur,
was wir tun müssen", pflichtete ihm auch Vizepräsident Frans Timmermans bei, der zudem die sogenannte
Taskforce zur Subsidiarität leitet. Der Kommissionsvizepräsident attestierte Abgeordnetem Reinhold Lopatka
besonderes Engagement in der Taskforce und meinte, man könne vieles über die Verfahren verbessern. Es
müsse klargestellt werden, wer macht was und wer ist wofür verantwortlich, sagte er. Was die Subsidiaritätskontrolle
betrifft, so ist dem österreichischen Parlament in einer jüngst erschienen Studie ein sehr gutes Zeugnis
ausgestellt worden. In diesem Zusammenhang merkte Timmermans jedoch an, dass so manche Parlamente die Subsidiaritätskontrolle
mit inhaltlicher Kritik an Gesetzesvorhaben vermengen.
Im Hinblick auf die vom österreichischen Parlament immer wieder harsch kritisierten delegierten Rechtsakte,
die in zunehmender Zahl von der EU-Kommission erlassen werden und die die parlamentarische Mitwirkung ausschließen,
sah Timmermans den Ball bei den Regierungen der Mitgliedstaaten liegen. Die Kommission bestehe keineswegs darauf,
die Mitgliedstaaten wollten aber oftmals nicht die Verantwortung übernehmen. Juncker stellte dazu fest, er
sei "allergisch" auf die delegierten Rechtsakte.
Timmermans zu Migration: Eine nachhaltige Lösung kommt um Änderung des Dublin-Systems nicht herum
Timmermans nahm auch zur Migrationspolitik Stellung und meinte, eine nachhaltige Lösung komme um eine Änderung
des Dublin-Systems nicht herum, der Schutz der Außengrenzen sei zu wenig. Auch brauche man Hilfe für
die Regionen in Afrika. Einfache Lösungen gebe es nicht, bemerkte er im Hinblick auf die zunehmenden Egoismen
in Europa.
Thema war auch der Mehrjährige Finanzrahmen, wobei die Wortmeldungen der österreichischen ParlamentarierInnen
den unterschiedlichen Zugang widerspiegelten. Günther Oettinger, Kommissar für Haushalt und Personal,
bekräftigte die Position der Kommission und stellte fest, dass die EU die einzige Ebene sei, die keine Schulden
machen dürfe. Deshalb sehe man neben Kürzungen wie etwa im Agrarbereich auch eine Erhöhung des Budgets
und neue Eigenmittel vor, um die zusätzlichen Aufgaben und Herausforderungen bewältigen zu können.
An dem Gespräch nahmen von österreichischer Seite neben dem Nationalratspräsidenten und der Bundesratspräsidentin
die Abgeordneten Reinhold Lopatka, Michaela Steinacker, Johannes Schmuckenschlager, Carmen Jeitler-Cincelli, der
Vorsitzende des EU-Ausschusses des Bundesrats, Christian Buchmann (alle ÖVP), Klubobmann Andreas Schieder,
Jörg Leichtfried, der Vizepräsident des Bundesrats Ewald Lindinger (alle SPÖ), Petra Steger, Susanne
Fürst, Bundesrätin Monika Mühlwerth, die Bundesräte Georg Schuster und Christoph Längle
(alle FPÖ), Claudia Gamon (NEOS) sowie Alma Zadic und Bruno Rossmann (beide PILZ) teil.
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