Heftige Kontroverse über 12-Stunden-Tag und 60-Stunden Woche
Wien (pk) - Mit den Stimmen der Regierungsparteien und der NEOS verabschiedete der Nationalrat das umstrittene
Arbeitszeitgesetz, das die Möglichkeit der Verlängerung der Maximalarbeitszeit auf zwölf Stunden
pro Tag und 60 Stunden die Woche vorsieht. Die überaus heftig geführte Debatte ließ dabei erkennen,
dass das Thema bis auf Weiteres die Innenpolitik beschäftigen wird, zumal es auch in der Sitzung vom 5. Juli
zu keiner Annäherung der Standpunkte zwischen Regierung und Opposition kam. Während ÖVP und FPÖ
die neuen Bestimmungen als Reaktion auf die geänderte Arbeitswelt sahen und vor allem die flexiblere Gestaltung
der Arbeitszeit begrüßten, beklagte die SPÖ ebenso wie die Liste Pilz massive Verschlechterungen
für die ArbeitnehmerInnen – insbesondere auch für Personen mit Betreuungspflichten - durch höhere
Belastung, weniger Freizeit und Einbußen bei der Bezahlung. Für Empörung sorgten zudem die parlamentarische
Vorgangsweise der Beschlussfassung ohne Ausschussberatung und das nunmehr mit 1. September 2018 festgelegte Inkrafttreten
der Neuerungen. Kein Gehör fand die SPÖ mit ihrem Antrag auf Abhaltung einer Volksabstimmung über
die Novelle. Zahlreiche Abänderungs- bzw. Entschließungsanträge der Oppositionsparteien wurden
ebenfalls abgelehnt.
In einer namentlichen Abstimmung stimmten bei 174 abgegebenen Stimmen insgesamt 119 Abgeordnete mit Ja für
das Gesetz, 55 sprachen sich dagegen aus.
Abänderungsantrag bringt Freiwilligkeitsgarantie und Benachteiligungsverbot
Durch die Neuerungen im Arbeitszeitgesetz – sie gehen auf einen gemeinsamen Initiativantrag der Regierungsparteien
zurück – finden der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche als Maximalvarianten Einzug in das österreichische
Arbeitsleben. Der Rahmen für die Gleitzeit wiederum kann von derzeit zehn Stunden auf zwölf Stunden ausgedehnt
werden. Erweitert wird überdies der Kreis jener Personen, auf die das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung findet.
Waren bisher nur leitende Angestellte ausgenommen, treffen die Ausnahmebestimmungen nunmehr auch ArbeitnehmerInnen
mit maßgeblicher selbständiger Entscheidungsbefugnis. Für den Tourismus schließlich ist eine
Verkürzung der täglichen Ruhezeit von derzeit elf auf acht Stunden für alle Betriebe mit geteilten
Diensten vorgesehen. Auch soll es die Möglichkeit der Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe geben,
dies allerdings beschränkt auf vier Ausnahmefälle pro Jahr.
Ein Abänderungsantrag von ÖVP und FPÖ bringt eine ausdrückliche Freiwilligkeitsgarantie, die
im Wesentlichen darauf hinausläuft, dass die Beschäftigten die 11. und die 12. Überstunde jederzeit
ohne Angabe von Gründen ablehnen können. Flankiert wird dieser Passus von einem Diskriminierungsverbot.
Wer die Mehrarbeit ablehnt, darf demnach hinsichtlich Bezahlung und Aufstiegschancen nicht benachteiligt werden.
Eine Kündigung aufgrund der Ablehnung kann zudem gerichtlich bekämpft werden. Weiters wird nunmehr klargestellt,
dass die beiden zusätzlichen Überstunden jedenfalls in Geld oder Freizeit abgegolten werden müssen.
Zum Thema Betriebsvereinbarungen hält der Abänderungsantrag fest, dass für die ArbeitnehmerInnen
günstige Vereinbarungen weiterhin bestehen bleiben.
Der Initiativantrag trifft aber auch Änderungen im ASVG. So soll das Risiko- und Auffälligkeitstool der
Krankenversicherungsträger auf den Dienstnehmerbereich ausgeweitet werden, um Missbrauchspotenzial in der
Krankenversicherung zu erkennen. Im Auge hat der Gesetzgeber dabei etwa die missbräuchliche Verwendung der
e-card, aber auch die missbräuchliche Inanspruchnahme von Krankenständen.
ÖVP sieht Win-Win-Situation für alle Beteiligten
"Es bleibt bei der Normalarbeitszeit von acht Stunden pro Tag und 40 Wochenstunden", betonte August Wöginger
(ÖVP). Es werde auch keinen generellen 12-Stunden-Tag und keine generelle 60-Stunden-Woche geben, genauso
wenig wie es bisher einen 10-Stunden-Tag und eine 50-Stunden-Woche gegeben hat. Der ÖVP-Klubobmann unterstrich
vor allem die Freiwilligkeitsgarantie und die Abgeltung der Überstunden in Geld oder Freizeit und bekräftigte
überdies, dass Betriebsvereinbarungen auch in Zukunft abgeschlossen werden können. Der Abänderungsantrag
sichere jedenfalls Rechte, wie es sie in der Vergangenheit nie gegeben habr. Insgesamt sprach Wöginger von
einem ausgewogenen Paket, das die Arbeitszeit an die heutige Arbeitswelt anpasst und eine Win-Win-Situation für
DienstgeberInnen und DienstnehmerInnen bedeutet.
Bestehende Systeme würden nun flexibler gestaltet, bestätigte auch sein Fraktionskollege Peter Haubner.
Freiwilligkeit, die ja heute schon in den KMUs gelebt wird, sei nun im Gesetz festgeschrieben. Dazu gebe es die
Wahlmöglichkeit über die Art der Abgeltung. Auch für den Wirtschaftssprecher der ÖVP modernisiert
das Gesetz somit die Arbeitswelt und schafft mehr Freiheit für die Einzelnen. Flexiblere Arbeitszeiten kommen
vor allem den KMU zugute und liegen im Interesse der MitarbeiterInnen, pflichtete ihm Claudia Plakolm (ÖVP)
bei, wobei sie ebenfalls mit Nachdruck betonte, dass sich an der Normalarbeitszeit durch die Novelle nichts ändere.
Viele Menschen äußern den Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten, sagte Georg Strasser (ÖVP). Gerade
für LandwirtInnen im Nebenerwerb seien diese wichtig. Die SPÖ habe sich selber vor einem Jahr aus den
Gesprächen der Sozialpartner ausgeklinkt, sie solle nun nicht weiter versuchen, ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen
auseinanderzudividieren. Gabriel Obernosterer (ÖVP) betonte, dass gerade in Kleinbetrieben schon bisher flexible
Arbeitszeiten je nach Arbeitsanfall gelebt würden. Sie profitieren klar von den neuen Regelungen. Das erfolgreiche
Miteinander von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen sei das Erfolgsrezept Österreichs, sagte auch Angelika
Winzig (ÖVP). Die Klein- und Mittelbetriebe seien bisher jedoch in einem starren Korsett der Arbeitszeiten
gefangen, das ändere sich nun.
Franz Hörl (ÖVP) kritisierte die SPÖ, die Schreckensszenarien ausmale und UnternehmerInnen pauschal
verunglimpfe. Die 60-Stunden-Woche werde nicht zur Regelarbeitszeit. Beschlossen werde nur etwas, das auch bisher
schon stattfinde. Diese Sichtweise teilte auch Klaus Fürlinger (ÖVP). Die SPÖ habe selbst mit ihrer
unnachgiebigen Haltung in der Frage der Arbeitsflexibilisierung die von ihr beschworene Sozialpartnerschaft versenkt.
Die Koalition versuche nun nichts anderes, als eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an die Realitäten der
modernen Arbeitswelt. Der Aktionismus der Gewerkschaft VIDA mit Grablichtern und Pflastersteinen sei abzulehnen,
sagte Fürlinger. Auch August Wöginger kritisierte die Versuche, mit Aktionismus Druck auf Abgeordnete
auszuüben. Die SPÖ ignoriere offenbar ganz bewusst die vielen Verbesserungen für ArbeitgeberInnen
und ArbeitnehmerInnen, die das neue Arbeitszeitgesetz bringe.
FPÖ: Flexibilisierung bringt Vorteile für die Beschäftigten
Die moderne Arbeitswelt brauche Flexibilisierung, unterstrich Walter Rosenkranz das Leitmotiv der Novelle aus seiner
Sicht. Klar ist dabei auch für den FPÖ-Klubchef, dass es beim 8-Stunden-Tag und bei der 40-Stunden-Woche
bleibt und Überstunden nach wie vor durch Zuschläge abgegolten werden. Die 11. und 12. Überstunde
werden darüber hinaus nur freiwillig geleistet, Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen bestehen
weiter. Rosenkranz äußerte wenig Verständnis für die Protestaktionen des ÖGB und meinte,
in zahlreichen auch von der SPÖ dominierten Gebietskörperschaften würden die heute beschlossenen
Maßnahmen gut ankommen. Die Regierung wolle durch das Vorziehen des Inkrafttretens auf den 1.September 2018
nun den Wahrheitsbeweis antreten und die Zeit der Verunsicherung beenden. Die ArbeitnehmerInnen werden dann selbst
feststellen können, dass das Gesetz nur Vorteile für sie bringt. Wolfgang Klinger (FPÖ) erwartet
sich von der Novelle vor allem Rechtssicherheit und die Möglichkeit der Selbstbestimmung hinsichtlich Arbeitszeit
und Freizeit. Scharf ins Gericht ging FPÖ-Mandatar Josef A. Riemer mit dem ÖGB, wobei er bemerkte, die
BetriebsrätInnen würden die Menschen draußen wissentlich falsch informieren und die im Gesetz festgeschriebene
Freiwilligkeit lächerlich machen.
Die Koalition achte auf die Bedürfnisse der Menschen in diesem Land, sagte Andrea Michaela Schartel (FPÖ).
Die wesentliche Verbesserung der neuen Regelung sei, dass nun ArbeitnehmerInnen nicht mehr an starre Betriebsvereinbarungen
gebunden seien, sondern selbst entscheiden können. Statt einer umständlichen Geltendmachung von "berücksichtigenswürdigen
Interessen" sei nun die Freiwilligkeit klar im Gesetz festgehalten. Ein Vergleich der neuen Regelungen mit
den bisherigen zeige überall nur Verbesserungen, meinte auch Peter Wurm (FPÖ). Entgegen dem, was immer
wieder von der Opposition behauptet werde, bleibe die 40-Stunden-Woche die Norm. Überstundenzuschläge
seien weiterhin garantiert. Die Mehrheit der ArbeiterInnen und Angestellten wolle eine Arbeitszeitflexibilisierung,
zeigte sich Wurm überzeugt.
Robert Lugar (FPÖ) warf der SPÖ vor, die Debatte unehrlich zu führen. Sie sorge sich in Wirklichkeit
nicht um die ArbeitnehmerInnen, sondern um die Gewerkschaft und deren schwindenden Einfluss. Die SPÖ agiere
weltfremd und verweigere zudem die Debatte, sagte Johann Gudenus (FPÖ). Die Koalition gehe mit der Zeit und
entspreche dem Wunsch der Menschen nach flexibleren Arbeitszeiten. Die SPÖ betreibe zudem Klassenkampf auf
tiefstem Niveau. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) fügte hinzu, der SPÖ sei jegliche Glaubwürdigkeit
als Vertreterin der ArbeitnehmerInnen abhandengekommen. Sie ignoriere die Verbesserungen, die mit dem Gesetz festgeschrieben
werden.
Hartinger-Klein: Es bleibt bei den bestehenden Normalarbeitszeiten
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein begrüßte das Gesetz als praxisgerechte Gestaltung der Arbeitszeit
zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und der Selbstbestimmung der ArbeitnehmerInnen. Das vorliegende Modell
mit der Ausweitung der Höchstarbeitsstunden biete eine Möglichkeit, auf Arbeitsspitzen zu reagieren.
Den Vorwurf, dabei würden die Interessen der ArbeitnehmerInnen verletzt, wies die Ressortchefin aufs Schärfste
zurück.
Die Flexibilisierung der Arbeitswelt liege im internationalen Trend. Längere Arbeitszeiten können nun
aber zeitnah durch längere Freizeiträume ausgeglichen werden. An den durchschnittlichen Arbeitszeiten
werde sich aber nichts ändern, steht auch für Hartinger-Klein fest. Wichtig ist aus Sicht der Ministerin
die Freiwilligkeitsgarantie, die im Verein mit dem Benachteiligungsverbot sicherstellt, dass ArbeitnehmerInnen
nicht gegen ihren Willen zur Leistung von 12 Stunden herangezogen werden können. Flexible Arbeitszeiten würden
überdies auch positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben, zeigte sie sich unter Hinweis auf medizinische
Studien überzeugt. Mit Nachdruck betonte Hartinger-Klein zudem, dass es bei den bisherigen Normalarbeitszeiten
sowie bei den bestehenden Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträgen bleiben werde.
Schramböck: Gesetz ist Reaktion auf die moderne Arbeitswelt
Das Gesetz reagiere auf die Realität der Arbeitswelt im Jahr 2018, betonte Wirtschaftsministerin Margarete
Schramböck. Der 8-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche werden als Normalarbeitszeit bleiben, jeder könne
die 11. und 12. Überstunde ablehnen, ohne dass dadurch Nachteile entstehen dürfen. Alle Zuschläge
werden weiterhin ausbezahlt, wobei es eine Wahlfreiheit zwischen Geld und Zeit geben wird. Mehr Flexibilität
sei bereits heute in zahlreichen Branchen Realität, die ArbeitnehmerInnen würden davon profitieren, unterstrich
Schramböck. Ein zentraler Aspekt der Novelle ist für die Ministerin überdies der Umstand, dass die
Menschen nun mehr Freiheit erhalten, über ihre Arbeitszeit selbst zu bestimmen.
SPÖ ortet Anschlag auf die ArbeitnehmerInnen und fordert Volksabstimmung
Christian Kern (SPÖ) hingegen qualifizierte die Novelle als massivste Verschlechterung für die ArbeitnehmerInnen
seit 30 Jahren und sprach von einem unausgegorenen und durch und durch unvernünftigen Gesetz. Die Wirtschaftskammer
und die Industriellenvereinigung seien die einzigen, die nun über die Novelle jubeln. Kein einziger Betroffener
hingegen könne nur irgendeine Verbesserung erkennen. Sogar bei den ArbeitnehmervertreterInnen von ÖVP
und FPÖ sei die Stimmung gekippt. Der SPÖ-Klubobmann warf der Regierung vor, sämtliche Proteste
zu ignorieren und nun einfach "drüberzufahren". "Wir von der SPÖ wollen nicht, dass Arbeit
und Familie nicht mehr vereinbar sind, wir sind gegen die totale Verfügbarkeit des Menschen für die Arbeit",
steckte Kern den Standpunkt seiner Fraktion ab. Durch die Novelle würden genau jene begünstigt, die den
Wahlkampf der ÖVP finanziert haben. Kern forderte in einem Antrag, der bei der Abstimmung allerdings in der
Minderheit blieb, eine Volksabstimmung über das Gesetz und kündigte zudem an, mit dem heutigen Tag werde
die Diskussion noch nicht vorbei sein, die Menschen würden diese Vorgehensweise nicht akzeptieren.
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12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche bedeuten einen Anschlag auf die ArbeitnehmerInnen, legte Andreas Schieder
(SPÖ) nach, der in diesem Zusammenhang von Lohnraub, Freizeitraub und Gesundheitsraub sprach. Die ÖVP
liefere heute das, wofür sie die Spenden der Industriellen kassiert habe und fahre nun über die sozialen
Rechte und die Ängste der Menschen drüber. Heute sei damit ein schlechter Tag für den sozialen Frieden
in Österreich, die Verantwortung dafür trage der "Konzernkanzler" Kurz und der "Arbeiterverräter"
Strache, brachte Schieder seine Kritik auf den Punkt.
Josef Muchitsch (SPÖ) wiederum stellte Realitätsferne bei der Regierung fest und bestätigte ebenfalls
die Sicht seiner Fraktion, wonach der Antrag keine einzige Verbesserung für die ArbeitnehmerInnen bringe.
Das Gesetz werde ohne Einbindung von ExpertInnen und ohne ein Begutachtungsverfahren beschlossen, zeigte er sich
überdies empört. Klar ist für den Sozialsprecher der SPÖ, dass es keinen Rechtsanspruch auf
die von der Regierung propagierte 4-Tage-Woche gibt und darüber hinaus auch die betriebliche Mitbestimmung
ausgelöscht wird. Die Freiwilligkeit sei überdies bloß eine Scheinheiligkeit. Verlierer der Novelle
werden jedenfalls die Beschäftigten im Tourismus, AlleinerzieherInnen, Familien sowie Menschen mit Behinderung
sein, befürchtete er. Muchitsch zitierte aus besorgten Briefen von Betroffenen und appellierte mit eindringlichen
Worten an die Regierung, ihren Antrag zurückzuziehen und damit zu zeigen, dass ihnen Menschen wie "Otto,
der Zimmerer", "Judith, die Verkäuferin" oder "Günther, der Pflasterer" wichtig
sind.
Die Übereinkunft über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sehe die echte Teilnahme am Arbeitsleben
vor, erinnerte SPÖ-Abgeordnete Birgit Sandler (SPÖ). Dieses Gesetz ignoriere sie ebenso wie die Kinderrechte
und die Interessen der Familien. Das Gesetz bedeute, dass eine Grenze, auf die sich die Menschen für die Lebensplanung
bisher verlassen konnten, nämlich der 8-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche, nun verschwindet, meinte Alois
Stöger (SPÖ). Die Regierung wolle die ArbeitnehmerInnen den ArbeitgeberInnen grenzenlos ausliefern. Stöger
brachte zwei Entschließungsanträge der SPÖ ein und forderte darin zum einen den Rechtsanspruch
für ArbeitnehmerInnen auf einseitige Festlegung des Verbrauchs von Zeitguthaben. Des Weiteren ruft die SPÖ
die Regierung auf, eine rasche Regelung für eine sechste Urlaubswoche zu schaffen.
Wolfgang Knes (SPÖ) kritisierte, dass die Regierung die Einwände von ExpertInnen, GewerkschafterInnen
und den Protest von hunderttausend DemonstrantInnen einfach vom Tisch wische. Die SPÖ werde alles tun, um
die Koalition in die Schranken zu weisen. Überheblichkeit und Arroganz warf Jörg Leichtfried (SPÖ)
den Koalitionsparteien vor. Auch wenn der Beschluss heute nicht mehr zu verhindern sein werde, so kündige
er an, dass die SPÖ bei diesem Thema nicht lockerlassen werden. Letztlich würden die WählerInnen
das letzte Wort haben. SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner wies darauf hin, dass viele Studien klar
die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von überlangen Arbeitszeiten ohne ausreichende Ruhezeiten belegen.
Das neue Arbeitszeitgesetz werde sich vor allem auf jene Gruppen negativ auswirken, die weniger qualifiziert sind
und geringere Mitsprachemöglichkeiten am Arbeitsplatz haben. Das Gesetz verschlechtere die Wettbewerbsfähigkeit
jener kleinen Unternehmen, die auf ihre ArbeitnehmerInnen achten und diesen keine Zwölfstundentage zumuten
wollen, sagte Cornelia Ecker (SPÖ). Die Koalition gefährde den sozialen Frieden und solle den Antrag
zurücknehmen. Dietmar Keck (SPÖ) fügte dem hinzu, auch der Abänderungsantrag zum ursprünglichen
Antrag verbessere nichts.
Die SPÖ-Abgeordneten Irene Hochstetter-Lackner, Gabriele Heinisch-Hosek, Andrea Kuntzl, Robert Laimer, Konrad
Antoni, Philip Kucher, Reinhold Einwallner und Wolfgang Katzian wiederholten im weiteren Verlauf der Debatte, das
Gesetz bevorzuge ganz klar die Arbeitnehmerseite in einseitiger Weise. Negative Auswirkungen auf PendlerInnen,
Familien, AlleinerzieherInnen, Menschen mit Behinderung, auf die Freizeit der Menschen und das Vereinsleben seien
unvermeidlich, argumentierten die Abgeordneten. Verena Nussbaum (SPÖ) befürchtet einen Raubzug gegen
Einkommen, Freizeit und Gesundheit der Menschen in Österreich. Kuntzl und Antoni forderten die Abgeordneten
der FPÖ auf, dem Antrag der SPÖ auf eine Volksabstimmung zuzustimmen, wenn sie tatsächlich von diesem
Gesetz so überzeugt seien. Zynismus warf Sonja Hammerschmid (SPÖ) der Koalition vor. Sie verlängere
die Arbeitszeit und kürze gleichzeitig die Mittel für Kinderbetreuung und den Ausbau der Ganztagsschulen.
Wolfgang Katzian verteidigte die Arbeit der Gewerkschaften und der BetriebsrätInnen. Er habe der Bundesregierung
und den Abgeordneten der Koalition den Dialog angeboten. Diese hätten das Angebot bisher nicht angenommen.
Die Ankündigung, es werde sich durch das Gesetz nichts ändern, sei unglaubwürdig, sagte Katzian.
Er sah einen Versuch einer Aushebelung der Betriebsdemokratie und der Beendigung der Sozialpartnerschaft. Dieser
"Masterplan" werde jedoch nicht ohne größere Auseinandersetzung umsetzbar sein. Die Gewerkschaften
seien bereit, sich allen Versuchen der Einschränkung demokratischer Mitbestimmung mit allen gesetzlichen Mitteln
zu widersetzen, kündigte er an.
NEOS für Arbeitszeitflexibilisierung, aber gegen Vorgehensweise der Regierung
Die Regierung mache es ihm als überzeugten Befürworter der Arbeitszeitflexibilisierung wirklich schwer,
wandte Gerald Loacker (NEOS) ein, der in dem Antrag eine Reihe von Kritikpunkten und Ungereimtheiten ausmachte.
So geht seiner Einschätzung nach die Ausnahme der dritten Führungsebene von den Bestimmungen des Arbeitzeitgesetzes
zu weit. Das individuelle Ablehnungsrecht wiederum könne in Verbindung mit dem Benachteiligungsverbot in der
Praxis zu einem generellen Ausschluss des Kündigungsrechts führen. Loacker brachte seine Bedenken in
Form eines Abänderungsantrags ein, der bei der Abstimmung allerdings keine Mehrheit fand. Als "letztklassig"
qualifizierte sein Fraktionskollege Matthias Strolz die Vorgehensweise der Regierung. Er warf dabei ÖVP und
FPÖ vor, eine ordentliche Begutachtung verhindert und den Antrag dem falschen Ausschuss zugewiesen zu haben.
Auch Strolz befürchtete eine Klagswelle als Folge der seiner Meinung nach unklaren Kündigungsregelungen.
Liste Pilz zweifelt an Freiwilligkeitsgarantie und fordert Arbeitszeitverkürzung
12 Stunden in allen Branchen ohne Rücksicht auf die Gesundheit und die Familie würden vor allem zulasten
von Frauen mit Betreuungspflichten gehen, gab Daniela Holzinger-Vogtenhuber (PILZ) zu bedenken. Freiwilligkeit
werde es zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen nie geben können, zumal die Beschäftigten Angst
haben müssen, im Fall einer Ablehnung der Überstunden ihren Job zu verlieren, warnte sie. Bruno Rossmann
(PILZ) sprach von Arbeitszeitpolitik des 19. Jahrhunderts und bekräftigte ebenfalls, die Freiwilligkeitsgarantie
werde angesichts des Machtgefälles zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite nicht ausreichen. Wer nicht
bereit ist, eine 11. und 12. Überstunde zu leisten, wisse genau, dass mindestens 10 Menschen schon auf seinen
Job warten. Rossmann forderte vielmehr eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich,
konnte sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag aber nicht durchsetzen.
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