Nationalrat: Familienbonus trotz
 scharfer Kritik beschlossen

 

erstellt am
05. 07. 18
13:00 MEZ

Größte Entlastung seit Jahrzehnten oder Umverteilung von unten nach oben?
Wien (pk) – Der schon in der Aktuellen Stunde intensiv diskutierte Familienbonus Plus, der Teil des Jahressteuergesetzes 2018 ist, wurde am 4. Juli mit Stimmenmehrheit im Nationalrat beschlossen. Während die Regierungsbank - stark vertreten durch die Minister Hartwig Löger, Juliane Bogner-Strauß und Staatsekretär Hubert Fuchs – von einem großen Entlastungspaket sprach, von dem rund 950.000 Familien mit insgesamt 1,6 Millionen Kindern profitieren, hielt die Opposition an ihrer Kritik fest. SPÖ und Liste Pilz vermissten jegliche Verteilungsgerechtigkeit, die NEOS meldeten vor allem europarechtliche Bedenken an und hätten sich statt des Familienbonus eine Abschaffung der kalten Progression gewünscht.

Im Rahmen der Sammelnovelle kommt es auch zu einer höheren Besteuerung von Gewinnen ausländischer Tochtergesellschaften sowie zur Vereinheitlichung der Versicherungssteuer bei allen landwirtschaftlichen Elementarrisikoversicherungen. Neu ist auch das sogenannte Horizontal Monitoring, das eine begleitende Kontrolle anstelle von Steuergroßprüfungen ermöglicht. Im Rahmen des "Advanced Rulings" werden auch die verbindlichen Rechtsauskünfte der Finanzbehörden ausgeweitet.

Mehrheitlich angenommen wurde auch ein ÖVP-FPÖ-Abänderungsantrag, der vor allem begriffliche Klarstellungen enthält, sowie ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien, in dem die Regierung ersucht wird, eine Lösung für jene Auslandsbediensteten zu finden, die von der Indexierung der Familienbeihilfe und des Familienbonus Plus besonders betroffen wären.

Die Abänderungs- und Zusatzanträge der SPÖ und der NEOS fanden ebenso keine Mehrheit wie der Entschließungsantrag der Liste Pilz betreffend sozial gerechte Ausgestaltung des Familienbonus Plus sowie des Kindermehrbetrags.

Familienbonus Plus und Kindermehrbetrag für Geringverdiener ab 1. Jänner 2019
Mit der heute auf der Agenda stehenden finanzpolitischen Sammelnovelle bringt die Regierung eines ihrer großen Vorhaben, nämlich den Familienbonus Plus, auf Schiene. Zielgruppe der Maßnahme sind vor allem berufstätige Eltern, die derzeit steuerlich besonders belastet sind, heißt es in den Erläuterungen. Für sie wird es ab 1. Jänner 2019 einen Absetzbetrag von bis zu 1.500 € pro Kind und Jahr geben, wenn sie Einkommensteuer bezahlen. Bei Familien mit Jugendlichen über 18 Jahre beträgt die Entlastung bis zu 500 € im Jahr, und zwar solange wie Familienbeihilfe bezogen wird. Um auch geringverdienende AlleinerzieherInnen und AlleinverdienerInnen mit Kindern zu unterstützen, ist eine Steuererstattung (Kindermehrbetrag) von zumindest 250 € pro Kind vorgesehen. Wenn Kinder ständig in einem anderen EU-Land, im EWR-Raum oder der Schweiz leben, wird der Familienbonus – ebenso wie der Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag sowie der Unterhaltsabsetzbetrag – an das Preisniveau des jeweiligen Landes angepasst (Indexierung).

Löger und Bogner-Strauß: 80% der Familien profitieren zu 100%
Finanzminister Hartwig Löger skizzierte die wesentlichen Punkte des Jahressteuergesetzes und hob dabei insbesondere den Familienbonus Plus hervor. Schon jetzt werden rund 9 Mrd. € an Transferleistungen für Familien und Kinder in Österreich aufgewendet. Nun kommen zusätzlich 1,5 Mrd. € für den Familienbonus Plus hinzu, der jenen Personen zugutekommen soll, die durch ihre Beiträge den Wohlfahrtsstaat erst ermöglichen. 80% der Familien werden in vollem Ausmaß profitieren, also 1.500 € netto pro Kind und Jahr erhalten. Im Gegensatz zur Opposition war Löger davon überzeugt, dass die Maßnahme am stärksten bei den kleinen und mittleren EinkommensbezieherInnen wirke. D amit werde auch ein wesentlicher Schritt zur Erreichung der von der Regierung angestrebten Senkung der Steuer- und Abgabenquote auf 40% gesetzt. Die Sammelnovelle enthalte zudem eine Reihe von weiteren wichtigen Maßnahmen, führte der Finanzminister aus, wie z.B. Fortschritte bei der Steuerbetrugsbekämpfung, die Abschaffung von diversen Gebühren, die Unterstützung von LandwirtInnen, die Verbesserung von Serviceleistungen im Rahmen des "Advanced Rulings" sowie die Möglichkeit der begleitenden Prüfung von Unternehmen ("Horizontal Monitoring").

Kinder zu haben und gleichzeitig arbeiten zu gehen, sei eine große Herausforderung, stellte Familienministerin Juliane Bogner-Strauß fest. Deshalb habe sich die Regierung dazu entschlossen, diese Familien, die in das Sozialsystem einzahlen, weiter zu stärken. Der Familienbonus werde auch ein Anreiz für die Frauen sein, berufstätig zu sein, ist die Ressortchefin überzeugt. Den KritikerInnen hielt sie entgegen, dass es sehr viele Transferleistungen in Österreich gibt, die alle Kinder gleichermaßen erhalten. Als Beispiele führte sie die Familienbeihilfe, die Schulbuchaktion, die Freifahrten oder die Absetzbeträge für AlleinerzieherInnen und AlleinverdienerInnen an. Außerdem werde sie alles daran setzen, um die Betreuungsplätze, vor allem für die jüngeren Kinder, auszubauen.

SPÖ: Familienbonus "ist herzlos und feindselig"
Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) befasste sich vor allem mit den "weniger durchdachten" Inhalten des Jahressteuergesetzes, allen voran dem Familienbonus Plus. Aus sozialdemokratischer Sicht sei diese Maßnahme strikt abzulehnen, weil es zu einer Umverteilung von unten nach oben komme. In der Praxis werde das dazu führen, dass jene Eltern, die sich schon bisher den Schulschikurs oder die Sprachwochen nicht leisten konnten, auch in Hinkunft nichts bekommen. Aus seiner Sicht wäre es viel sinnvoller gewesen, das Geld in Maßnahmen zu stecken, die allen Kindern etwas bringen, wie etwa die Einführung eines zweiten Gratiskindergartenjahres, die Anstellung von zusätzlichem Personal sowie die Ausweitung der Öffnungszeiten. Außerdem würde es sich noch ausgehen, dass man den KindergartenpädagogInnen eine Gehaltserhöhung in der Höhe von 10% bis 20% gewährt; all das wäre mit dem vorgesehenen Budget für den Familienbonus ausfinanziert. Krainer konnte auch dem Argument der Regierungsparteien, dass es sich beim Familienbonus um eine Entlastung für die SteuerzahlerInnen handelt, wenig abgewinnen. Das sei wirklich ein "Schmäh", zumal auch die Niedrigverdiener etwa 40% ihres Einkommens an diversen Steuern und Abgaben bezahlen. Großzügiger sei man da schon bei den "Immobilienhaien", gab der SPÖ-Mandatar zu bedenken, denn sie müssen in Zukunft keine Grunderwerbssteuer mehr zahlen.

Seine Fraktionskollegin Selma Yildirim (SPÖ) schloss sich der massiven Kritik am Familienbonus an, der ihrer Meinung nach "herzlos und feindselig" sei. Die Regierung solle sich schämen für die Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten und AlleinverdienerInnen, die für sie offenbar keine LeistungsträgerInnen sind. Überdies werde den Frauen die Wahlfreiheit genommen, da beim Ausbau der Kinderbetreuungsplätze gekürzt werde. All dies stehe für eine Politik "Zurück an den Herd", beklagte Yildirim. In einem Abänderungsantrag brachte sie einen Alternativvorschlag zum Familienbonus ein, der auf eine Erhöhung des Kinderabsetzbetrags um 125 € pro Monat abzielt. Dies wäre nicht nur einfacher umsetzbar, sondern vor allem aus sozial- und familienpolitischer Sicht viel gerechter. Ein weiterer Abänderungsantrag zur Bundesabgabenordnung enthält einen Vorschlag zur Verwaltungsvereinfachung und geht auf eine Anregung der Vereinigung der FinanzrichterInnen zurück, erläuterte die Rednerin. Abgeordneter Reinhold Einwallner (SPÖ) wies darauf hin, dass durch die Indexierung des Familienbonus gravierende Nachteile für Auslandsbedienstete und EntwicklungshelferInnen entstehen. Die Regierung werde daher das Gesetz kurz nach dem Beschluss gleich wieder reparieren müssen.

ÖVP: Größte Entlastung für die Familien seit Jahrzehnten
"Österreich ist und bleibt ein Hochleistungsland im Transferbereich", betonte Abgeordnete Gudrun Kugler (ÖVP), niemand werde zurückgelassen. Der heute zu beschließende Familienbonus, der für mehr Gerechtigkeit im Steuersystem sorgt, sei ein gutes Beispiel dafür. Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP) sprach von einem Tag der Freude für die Familien im Land, die mehr Netto vom Brutto erhalten. Im Gegensatz zur SPÖ vertrete man nämlich die Meinung, dass die Eltern selbst entscheiden sollen, was sie mit dem Geld machen wollen. In einem von ihm eingebrachten Entschließungsantrag wird die Bundesregierung noch ersucht, in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Familienbonus eine Lösung für die Auslandsbediensteten zu entwickeln, damit keine Nachteile durch die Indexierung entstehen.

Österreich weise aufgrund seines Steuersystems und der zahlreichen Transferleistungen eine egalitäre Einkommensverteilung wie kaum in einem anderen Land der Welt auf, war Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP) überzeugt. Durch den Familienbonus werde auch niemandem etwas weggenommen, betonte der Redner, es werden nur die Familien mit Kindern deutlich entlastet. Außerdem gratulierte er Minister Löger dafür, dass es ihm gelungen sei, alle für das Jahr 2018 relevanten steuerlichen Änderungen in einem Gesetz zusammenzufassen. Darin finden sich nicht nur deutliche Verbesserungen für Unternehmen (z.B. in Bezug auf verbindliche Rechtsauskünfte) oder weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung. Angelika Winzig (ÖVP) machte insbesondere auf die Änderungen im Bereich der Bundesabgabenordnung aufmerksam, die zu mehr Planungs- und Rechtssicherheit beitragen und den Wirtschaftsstandort weiter stärken.

Die Vereinheitlichung der Versicherungssteuern bei agrarischen Elementarversicherungen wiederum wurde von den Abgeordneten Nikolaus Berlakovich und Franz Eßl (beide ÖVP) als Ausbau der Katastrophenvorsorge vor dem Hintergrund der sich häufenden extremen Wetterereignisse begrüßt. Ein von Berlakovich eingebrachter ÖVP-FPÖ-Abänderungsantrag bringt neben Begriffsklärungen die Verpflichtung für Finanzinstitute, Informationen für alle KontoinhaberInnen und KundInnen erst ab dem 1. Jänner 2019 speichern zu müssen.

FPÖ freut sich über Paradigmenwechsel und lobt Vereinfachungen im Steuersystem
Erwin Angerer (FPÖ) sprach von einem Paradigmenwechsel im Steuerrecht und bei der Familienförderung. Es sei klar, dass das "den Linken" im Land, die den Menschen zunächst das schwer verdiente Geld aus der Tasche ziehen und dann im Wege von sozialistischen Mechanismen verteilen wollen, nicht gefalle. Die Freiheitlichen stehen für Selbstbestimmung, Wahlfreiheit und Eigenverantwortlichkeit; die Familien sollen selbst darüber entscheiden können, wie sie ihre Kinder erziehen und betreuen lassen. Außerdem werde damit der richtige Weg in Richtung Senkung der Abgabenquote auf unter 40% beschritten. Carmen Schimanek (FPÖ) hielt es für wichtig, dass in Hinkunft das Steuerrecht darauf abstellt, wie viele Menschen vom Haushaltseinkommen leben müssen. Damit werde eine langjährige FPÖ-Forderung umgesetzt. Auch Ricarda Berger (FPÖ) verteidigte den Familienbonus, der das Ziel verfolge, die arbeitenden Menschen, die gleichzeitig Kinder erziehen, spürbar zu entlasten. Außerdem habe sich die Regierung entschlossen, AlleinerzieherInnen und AlleinverdienerInnen durch die Einführung des Kindermehrbetrags zu unterstützen.

Maximilian Linder (FPÖ) lobte vor allem die Vereinheitlichung des Versicherungssteuersatzes für landwirtschaftliche Elementarschäden, die eine ganz wichtige Maßnahme für die heimischen LandwirtInnen sei.

Liste Pilz: Kritik am Familienbonus und den Steuergeschenken für die Großspender
Mit dem Titel "Wenig Licht, viel Schatten" fasste Abgeordneter Bruno Rossmann (PILZ) die Eckpunkte des Jahressteuergesetzes zusammen. Positiv aufgefallen seien ihm der erleichterte Zugang von mobilitätsbezogenen Begünstigungen für behinderte Menschen im Rahmen der Bundesabgabenordnung sowie die Gebührenbefreiungen für Bürgschaftserklärungen im Zusammenhang mit Mietverträgen. Sehr negativ beurteilte er hingegen die Änderungen bei der Grunderwerbssteuer, weil dadurch Immobilienverkäufe von Konzernen, die über Holdingkonstruktionen abgewickelt werden, steuerfrei gestellt werden. Gewünscht hätte sich Rossmann auch mehr Engagement von Seiten der Regierung in Sachen "Schließen von Steuerfluchtrouten".

In den letzten 15 Jahren sei die Schere zwischen niedrigen und hohen Einkommen wieder größer geworden, zeigte Rossmann auf, der seine Kritik am Familienbonus wiederholte. Ebenso wie SPÖ-Mandatar Krainer wies er darauf hin, dass die BezieherInnen von niedrigen Einkommen eine fast gleich hohe Abgabenbelastung aufweisen wie die Besserverdiener. Dies bedeute, dass alle Steuerpflichtigen zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaates beitragen. Wenn man eine faire Familienpolitik machen wolle, dann müsse man einen echten und rechtskonformen Familienbonus einführen, der einen Sockel nach unten sowie eine Deckelung nach oben vorsieht, schlug er im Rahmen eines Entschließungsantrags seiner Fraktion vor.

NEOS für Abschaffung der Kalten Progression statt bürokratischem Familienbonus
NEOS-Vertreter Gerald Loacker (NEOS) meldete vor allem europarechtliche Bedenken beim Thema Familienbonus an. Im Besonderen bemängelte er die geplante Indexierung, also die Anpassung der Leistung an die jeweiligen Lebenshaltungskosten in den anderen EU-Mitgliedstaaten. Dies stehe in einem fundamentalen Widerspruch zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, heißt es in einem von ihm eingebrachten Abänderungsantrag. Grundsätzlich gab Loacker zu bedenken, dass mit dem Familienbonus den Eltern bloß etwas zurückgegeben werde, was ihnen vorher durch die kalte Progression weggenommen wurde. Jene, die keine Lohnsteuer zahlen, bekommen gar nichts.

Weitere Änderungswünsche der NEOS betrafen die Abschaffung der Rechtsgeschäftsgebühr für den Wechsel, der ein bewährtes Sicherungsmittel darstellt. Weiters ging Loacker auf Änderungen im Jahressteuergesetz ein, die auf EU-Initiativen zurückzuführen sind, wie etwa die Umsetzung der europäischen Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie.

Weitere Inhalte: Verbindliche Rechtsauskünfte, begleitende Kontrolle, Steuervermeidung
Das Jahressteuergesetz bringe mehr Planungs- und Rechtssicherheit, betonte Staatssekretär Hubert Fuchs, der auf die weiteren Inhalte der Novelle näher einging. Ein Schritt in diese Richtung sei die Ausweitung des "Advanced Rulings". Unternehmen können bestimmten Steuerangelegenheiten im Voraus verbindliche Rechtsauskünfte einholen. Die Regelung werde nun auf Fragen des internationalen Steuerrechts und auf Umsatzsteuerfragen ausgeweitet. Außerdem kann dahingehend Rechtssicherheit erlangt werden, ob eine geplante Maßnahme als Missbrauch anzusehen ist oder nicht.

Was das "Horizontal Monitoring" angeht, so verstehe man darunter die Möglichkeit zur freiwilligen begleitenden Kontrolle anstelle von Großprüfungen. In diesem Fall ersetzt ein vom Unternehmer selbst entwickeltes und durch einen Wirtschaftsprüfer überprüftes internes Steuerkontrollsystem inklusive höheren Offenlegungspflichten eine nachträgliche Außerprüfung durch das Finanzamt. Die Behörde kontrolliere nicht nachträglich, sondern begleite das Unternehmen dabei. Davon erwarte man sich zahlreiche Vorteile für beide Seiten. Bei der Grunderwerbsteuer wiederum habe man nur eine Klarstellung vorgenommen, informierte der Staatssekretär.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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