Spielroutinen in frühen Mutter-Kind-Interaktionen
Wien (universität) - Wie spielen Mütter mit ihren vier Monate alten Säuglingen und welche
Mechanismen unterstützen frühe spielerische Handlungen? In einer neuen Studie ging Entwicklungspsychologin
Gabriela Markova von der Universität Wien dieser Frage nach. Soziale Routinespiele wie "Hoppe, hoppe
Reiter" oder "Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen" sind ein fester und wichtiger
Bestandteil von frühen Mutter-Kind-Interaktionen. Sie werden von Müttern zur Aufmerksamkeitslenkung,
aber auch als Emotionsregulationsstrategie bewusst eingesetzt. Das Hormon Oxytocin unterstützt dabei dieses
Verhalten. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in der Fachzeitschrift "Frontiers in Psychology" publiziert.
Bereits im ersten Lebensjahr beginnen Eltern und ihre Kinder gemeinsam soziale Spiele und Spielroutinen zu gestalten.
Diese kombinieren Rhythmus, Berührungen oder Gesten, Worte und Melodien miteinander. Wir wissen allerdings
sehr wenig darüber, in welchen Situationen diese Spiele angewendet werden, wie sich Säuglinge daran beteiligen
und welche Faktoren ihr Auftreten beeinflussen. In der aktuellen Studie wurden 43 vier Monate alte Säuglinge
in natürlichen Interaktionen – ohne Spielzeug und ohne spezielle Instruktionen – mit ihren Müttern beobachtet.
Das Augenmerk der Forscherinnen lag auf natürlich auftretenden und multimodalen Spielroutinen. Zusätzlich
sammelten sie mehrere Speichelproben von Babys und Müttern, um das Hormon Oxytocin zu messen. Oxytocin, auch
bekannt als "Liebeshormon", spielt eine besonders wichtige Rolle in frühen Mutter-Kind-Interaktionen.
Das Ziel war es daher zu untersuchen, ob und welche Funktion Oxytocin im frühen sozialen Spiel einnimmt.
Soziale Spielroutinen konnten in rund 77 Prozent der Mutter-Kind-Dyaden beobachtet werden. Mütter und ihre
Babys verbrachten im Schnitt ein Drittel ihrer Interaktionszeit mit Spielen, und die Wissenschaftlerinnen identifizierten
46 unterschiedliche Spiele. Mütter begannen soziale Spielroutinen hauptsächlich in Situationen, wenn
ihre Kinder abgelenkt von der Interaktion mit ihnen oder auch frustriert waren. Im Vergleich zur restlichen Interaktionszeit
zeigten Babys mehr positiven Affekt während des Spielens, generell konnten Spiele die Grundstimmung des Kindes
aber nicht verändern. Während es bei Müttern, die viel mit ihren Kindern spielten, zu mehr Oxytocin-Ausschüttung
nach diesen Interaktionen kam, konnte bei Säuglingen, unabhängig von ihrem Geschlecht, interessanterweise
nach besonders spielreichen Interaktionen weniger Oxytocin im Speichel nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse deuten
auf eine regulierende Wirkung von frühen sozialen Spielroutinen hin, die sich sowohl auf der Verhaltensebene
als auch der physiologischen Ebene beobachten lässt.
"Bereits Piaget – ein Pionier der kognitiven Entwicklungsforschung – hat geschrieben, dass das Spiel die Antwort
darauf ist, wie etwas Neues entsteht. Frühe soziale Spielroutinen können die Entwicklung komplexer sozialer
Kompetenzen bei Babys insofern unterstützen, indem sie es Säuglingen ermöglichen, an frühen
Interaktionen mit anderen aktiv teilzunehmen und somit ihr soziales Verhaltensrepertoire zu erweitern", sagt
Gabriela Markova: "Die Wichtigkeit von Spiel wird in der heutigen Gesellschaft oft unterschätzt, doch
die Ergebnisse dieser Studie zeigen deutlich, dass Spielen bereits in sehr frühen Interaktionen mit Anderen
einen festen Platz hat".
Publikation in "Frontiers in Psychology":
Markova, G. (2018). The games infants play: Social games during early
mother-infant interactions and their relationship with oxytocin. Frontiers in Psychology. doi:10.3389/fpsyg.2018.01041
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2018.01041/full
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