Eine Wellen-Manipulationstechnik der TU Wien wurde nun erstmal im Experiment getestet: Schallwellen
lassen sich damit mühelos durch komplizierte Strukturen leiten.
Wien (tu) - Ständig haben wir es mit Wellen zu tun, die auf komplizierte Weise abgelenkt werden: Ein
Lichtstrahl fällt durch ein Glas Milch und wird in alle Richtungen gestreut. Elektromagnetische Wellen vom
Handymasten werden gestreut oder absorbiert, sodass wir uns in Innenräumen über schlechten Empfang ärgern.
An der TU Wien entwickelt man Methoden, Wellen gezielt so zu manipulieren, dass sie sich praktisch ungestört
fortbewegen können. In einer Kooperation mit einer Forschungsgruppe der École polytechnique fédérale
de Lausanne (EPFL) und der Universität Kreta wurde diese Methode nun im Experiment umgesetzt. Mit präzise
gesteuerten Lautsprechern gelang es, eine Schallwelle durch ein Rohr mit diversen Hindernissen zu schicken. Langfristig
könnten solche Technologien dazu führen, Lichtwellen zu manipulieren und Objekte unsichtbar zu machen.
Licht oder Schall – auf die Welle kommt es an
Um das Konzept für verlustfreien Wellentransport zu testen, entschied man sich für Schallwellen. „Unsere
Technik lässt sich grundsätzlich auf jede Art von Welle anwenden“, sagt Prof. Stefan Rotter vom Institut
für Theoretische Physik der TU Wien. „Mathematisch gesehen spielt es keine Rolle, ob es sich um Lichtwellen,
Schallwellen oder quantenphysikalische Materiewellen handelt – aber in der Akustik sind die Experimente besonders
anschaulich durchzuführen.“
Um die Welle auf genau die richtige Weise zu manipulieren, muss man an bestimmten Orten Energie zuführen oder
abziehen. Das gelingt mit speziellen Lautsprechern, die entlang eines meterlangen Schallrohrs angebracht sind.
„Die Lautsprecher sind allerdings nicht dazu da, um die ursprüngliche Schallwelle auf der anderen Seite des
Rohres einfach zu reproduzieren - das wäre zu einfach“, erklärt Andre Brandstötter, ein Ko-Autor
der Studie und Doktorand in der Gruppe von Stefan Rotter. „Es geht darum, die Schallwelle Punkt für Punkt
zu manipulieren und sie gewissermaßen durch das Rohr hindurch zu lotsen, sodass sie an bestimmten Stellen
im Rohr immer genau dieselbe Stärke hat.“
Die Lautsprecher werden so gesteuert, dass die Welle lokal verstärkt oder abgeschwächt wird. „Dadurch
können wir der komplizierten Streuung entgegenwirken, die sonst unvermeidlich wäre, wenn die Welle auf
ein Hindernis trifft“, sagt Rotter.
Das Röhren-Labyrinth
Das Experiment wurde mit einer luftgefüllten Röhre durchgeführt, in der unregelmäßige
Hindernisse eingebaut wurden. Schickt man eine Schallwelle durch dieses Rohr, kommt am Ende praktisch kein Schall
an. Wenn man allerdings die in die Röhre eingebrachten Lautsprecher nach den mathematischen Regeln steuert,
die das Team der TU Wien entwickelt hat, dann verlässt die Schallwelle das Rohr so, als wäre sie unterwegs
auf kein einziges Hindernis gestoßen.
Das Experiment in Lausanne zeigt, dass die Wellen-Manipulations-Technologien der TU Wien tatsächlich praxistauglich
sind. Das Ziel ist nun, die Möglichkeiten dieser Technologie weiter auszubauen. „Wenn dasselbe im dreidimensionalen
Raum mit Lichtwellen gelingt, könnte man im Prinzip Objekte unsichtbar machen“, sagt Stefan Rotter. Während
für eine mögliche „Tarnkappe“ freilich noch einige weitere Entwicklungsschritte nötig sind, könnte
die neue Technik heute schon für verschiedene Anwendungen in der Nachrichtenübertragung höchst interessant
sein.
Originalpublikation: E. Rivet et al., Constant-pressure sound waves in non-Hermitian disordered media, Nature
Physics, 2018. DOI: 10.1038/s41567-018-0188-7.
Nature-Paper über die theoretischen Grundlagen (2017): https://www.nature.com/articles/lsa201735
|