SPÖ steht Grundsatz "Beraten statt strafen" weiter kritisch gegenüber
Wien (pk) - Der Bundesrat hat am 11. Juli auch den Weg für ein umfangreiches Gesetzespaket zum Verwaltungsstrafrecht
geebnet. Die BundesrätInnen stimmten mehrheitlich dafür, gegen den Nationalratsbeschluss keinen Einspruch
zu erheben. Mit dem Paket wird unter anderem der Grundsatz "Beraten statt strafen" im Verwaltungsstrafgesetz
verankert. Zudem sollen Verwaltungsstrafverfahren insgesamt effizienter und transparenter sowie Verwaltungsverfahren
beschleunigt werden. Erstmals kommt überdies auch in Teilen des Verwaltungsstrafrechts das Prinzip der Unschuldsvermutung
zur Anwendung.
Gebilligt hat der Bundesrat weiters ein eigenes Bundesgesetz, mit dem die EU-Richtlinie über die Europäische
Ermittlungsanordnung in Strafsachen für den Bereich des Verwaltungsstrafrechts umgesetzt wird. Gemäß
den EU-Vorgaben sind grenzüberschreitende Ermittlungsanordnungen einer Verwaltungsbehörde von einer unabhängigen
Stelle nochmals auf ihre Validität zu prüfen, diese Aufgabe sollen in Österreich die Verwaltungsgerichte
übernehmen.
Kritik am Gesetzespaket zum Verwaltungsstrafrecht kam von der SPÖ. Nicht alles was glänzt, sei Gold.
Hinter einer harmlos erscheinenden Fassade verberge sich einiges an "schamloser Klientelpolitik", kommentierte
die steirische Bundesrätin Elisabeth Grossmann die Sammelnovelle. Vorrangig werden ihrer Meinung nach Unternehmen
von den neuen Bestimmungen profitieren, während einfache BürgerInnen wenig davon haben werden. Zudem
befürchtet sie Nachteile für ArbeitnehmerInnen und AnrainerInnen. Schließlich sinke der Anreiz
zu rechtskonformem Verhalten, wenn als Sanktion lediglich ein Beratungsgespräch drohe. Rechtsbruch zahle sich
aus, laute das Signal. "Das halte ich für brandgefährlich."
Auch der erstmaligen Verankerung des Prinzips der Unschuldsvermutung im Verwaltungsstrafrecht steht Grossmann kritisch
gegenüber. Sie ist empört, dass das Prinzip nur bei schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen zur
Anwendung kommen soll, konkret bei solchen, die mit einer Strafe von mehr als 50.000 € bedroht sind. Damit würden
auch hier wieder nur Unternehmen profitieren, während normale Personen weiter ihre Unschuld nachweisen müssten.
ÖVP und FPÖ: Paket bringt viele Erleichterungen für BürgerInnen
Der Argumentation von Grossman konnten Justizminister Josef Moser und der oberösterreichische FPÖ-Bundesrat
Michael Raml allerdings nichts abgewinnen. Grossmann würde "Schauermärchen" verbreiten, sagte
Raml. Das Gesetzespaket bringe viele Erleichterungen für alle BürgerInnen und sei ein weiterer Beitrag
zu mehr Rechtsstaatlichkeit.
Sowohl Moser als auch Raml hoben hervor, dass das Prinzip "Beraten statt strafen" nur bei geringfügigen
Delikten anzuwenden sei, die keine negativen Auswirkungen auf Personen oder Sachgüter haben. Damit sei etwa
ausgeschlossen, dass ein Unternehmen, das die Umwelt verschmutzt, mit einem Beratungsgespräch davonkomme,
erklärte Raml. Gleiches gilt laut Moser für Lärmemissionen. Auch bei vorsätzlichem Verhalten
sei ein Strafverzicht grundsätzlich ausgeschlossen. Man wolle dort entkriminalisieren, wo Strafen nicht angebracht
sind, sagte Moser. Als Beispiel nannte er etwa Versäumnisse bei der Ummeldung eines Kraftfahrzeugs nach einer
Übersiedlung.
Auch in anderen Bereichen komme das Gesetz den BürgerInnen zugute, bekräftigte Moser. So würden
einheitliche Deliktskataloge künftig sicherstellen, dass bestimmte Verwaltungsübertretungen wie das Nichtanlegen
des Sicherheitsgurts in allen Bundesländern gleich bestraft werden. Wer zur Begleichung einer Anonymverfügung
versehentlich zu viel eingezahlt hat, müsse nicht mehr mit einem Strafverfahren rechnen, sondern bekomme den
Differenzbetrag erstattet. Auch könnten Einsprüche gegen Anonymverfügungen zurückgezogen werden.
Als wesentliche Neuerung im Sinne der Rechtsstaatlichkeit wertete Moser überdies das erstmalige Abgehen von
der bisherigen Schuldvermutung im Verwaltungsstrafrecht. Die Grenze von 50.000 € wurde ihm zufolge anknüpfend
an verschiedene Materiengesetze bewusst gewählt, sie soll in zwei Jahren aber evaluiert werden. Darauf machte
auch der Vorarlberger ÖVP-Bundesrat Magnus Brunner aufmerksam.
Was das Prinzip "Beraten statt strafen" betrifft, machte Brunner geltend, dass dieses nur bei Dauerdelikten
gelte und bei Vorsatzdelikten nicht zur Anwendung komme. Der Grundsatz sei auch nicht neu und etwa bereits im Arbeitsinspektionsgesetz
verankert. Durch die vorgesehenen einheitlichen Deliktskataloge, etwa für Schnellfahren, schaffe man außerdem
mehr Rechtssicherheit.
Positiv beurteilte Brunner darüber hinaus die im Paket verankerten Maßnahmen zur Beschleunigung von
Verwaltungsverfahren. Verfahren könnten künftig nicht mehr beliebig in die Länge gezogen werden,
betonte er. Justizminister Moser verwies in diesem Zusammenhang etwa auf die neue Verfahrensförderungspflicht
der Parteien. Die neuen Bestimmungen würden vor allem auch kleinen Betrieben zugutekommen.
Auch SPÖ begrüßt Europäische Ermittlungsanordnung
Zustimmend äußerte sich die SPÖ zum Instrument der Europäischen Ermittlungsanordnung. Das
von der Regierung dazu vorgelegte Gesetz sei durch einen Abänderungsantrag im Nationalrat noch weiter verbessert
worden, sagte Stefan Schennach (SPÖ/W). Insofern könne auch seine Fraktion dieser Verfassungsmaterie
zustimmen. Ziel des Gesetzes ist eine Beschleunigung grenzüberschreitender Beweiserhebungen auch bei Verwaltungsstrafverfahren
durch ein einheitliches Verfahren, standardisierte Formulare und vorgegebene Fristen.
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