Caen/Wien (öaw) - Die Physiker Vitali Efimov und Rudolf Grimm haben gemeinsam ein Stück Physikgeschichte
geschrieben und erhalten dafür in dieser Woche die Faddeev-Medaille. Vitali Efimov hatte 1970 den später
nach ihm benannten Efimov-Effekt entdeckt. Das Innsbrucker Team um Rudolf Grimm konnte 35 Jahre später dieses
physikalische Phänomen, dessen Existenz in der Fachwelt lange angezweifelt wurde, erstmals experimentell nachweisen.
Rudolf Grimm und Vitali Efimov erhalten die Auszeichnung am 11. Juli bei der 22. Internationalen Tagung für
Mehrteilchenprobleme in der Physik in Caen, Frankreich. Vitali Efimov wird für die theoretische Entdeckung
ausgezeichnet, dass ein System von drei Bosonen aufgrund von quantenmechanischen Eigenschaften unendlich viele
gebundene Zustände bilden kann, selbst wenn jeweils zwei davon überhaupt keine Bindung eingehen können.
Diese Eigenschaft ist heute als Efimov-Effekt bekannt. Rudolf Grimm vom Institut für Experimentalphysik der
Uni Innsbruck und vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften erhält die Medaille für den tatsächlichen Nachweis dieser Zustände mit einem
ultrakalten Quantengas. Die erste experimentelle Bestätigung des Efimov-Effekts wurde 2006 in der Fachzeitschrift
Nature veröffentlicht.
Ein Stück Physikgeschichte
Es ist eine der großen Geschichten, die die Wissenschaft manchmal schreibt: 1970 hatte ein theoretischer
Physiker in Russland eine verblüffend einfache Lösung für ein sehr kompliziertes Problem gefunden.
Vitaly Efimov dachte über das Verhalten von drei sich gegenseitig anziehenden Objekten in der Quantenwelt
nach. Während sich die Wechselwirkung zwischen zwei Körpern einfach berechnen lässt, zählt
das Verhalten mehrerer sich anziehender Körper zu den schwierigen Problemen der Physik. Doch Efimov prophezeite,
dass sich drei Teilchen unter Ausnutzung der quantenmechanischen Eigenschaften zu einem Objekt vereinen können,
selbst wenn sie paarweise zu keiner Verbindung imstande sind. Noch erstaunlicher: Wird die Entfernung zwischen
den Teilchen jeweils um einen bestimmten Faktor vergrößert, ergeben sich unendlich viele solcher Efimov-Zustände.
Laut dem Theoretiker hat das Phänomen universellen Charakter, gilt also für Teilchen im Atomkern ebenso
wie für molekulare Verbindungen. Diese Aussagen wurden in der wissenschaftlichen Gemeinde zunächst mit
Skepsis aufgenommen. Auch der experimentelle Nachweis wollte lange Zeit nicht gelingen. Doch 35 Jahre nach der
Veröffentlichung der theoretischen Vorhersagen durch Vitaly Efimov konnten die Innsbrucker Quantenphysiker
um Rudolf Grimm und Hanns-Christoph Nägerl diese besonderen Quantenzustände erstmals mit experimentellen
Daten belegen. Aus der Entdeckung hat sich in der Zwischenzeit ein ganz neues Arbeitsfeld entwickelt. „Die Existenz
des Efimov-Effekts hat unsere Sichtweise verändert, wie sich das Verhalten von komplexen Vielteilchensystemen
aus elementaren paarweisen Wechselwirkungen ergibt“, resümiert Rudolf Grimm.
Die Faddeev-Medaille
Die in diesem Jahr erstmals verliehene Auszeichnung ist nach dem im Vorjahr verstorbenen russischen Physiker
und Mathematiker Ludvig Faddeev, einer der herausragenden Figuren in der modernen mathematischen Physik, benannt.
Vergeben wird die Medaille von der Few-Body Systems Topical Group der American Physical Society und dem European
Research Committee on Few-Body Problems in Physics. Die Faddeev-Medaille wird in Zukunft alle drei Jahre vergeben.
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