Gedenkjahr 2018: Protokolle der Geheimsitzungen des Abgeordnetenhauses des Reichsrats von 1918
neu herausgegeben
Wien (pk) - Nach einer gescheiterten Militäroffensive fanden im Juli 1918 drei geheime Sitzungen des
Abgeordnetenhauses des Reichsrats statt, um die Verantwortlichen des Kriegskurses einer schonungslosen Kritik zu
unterwerfen. MitarbeiterInnen der Parlamentsdirektion haben nun die Geheimprotokolle von damals auf deren bessere
Verständlichkeit hin editiert. Für Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka handelt es sich bei diesen
Dokumenten um einen wichtigen Beitrag zum Gedenk- und Bedenkjahr 2018.
Abgeordnetenhaus hinterfragt Kriegskurs
1918 – Europa befindet sich mittlerweile im fünften Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs. Im Frühjahr starten
die Habsburgischen Truppen eine Offensive, die den "Mittelmächten" zum Sieg verhelfen soll. Die
militärische Aktion misslingt. Als Folge des Desasters mit 12.000 Toten, über 80.000 Verwundeten und
25.000 Gefangenen ruft das Abgeordnetenhaus vom 23. bis 25. Juli 1918 drei Sitzungen ein, um über den Kriegskurs
eine politische Debatte zu führen. Auf Drängen der Regierung stellt der Reichsrat die Verhandlungen unter
Geheimhaltung.
Akribische Neuedition der Stenographischen Protokolle durch Parlamentsdirektion
Die Parlamentsbibliothek nahm sich 2009 der Originalprotokolle an und beauftragte eine Transkription. Die überwiegend
in unterschiedlichen Kurrenthandschriften verfassten 200-seitigen Akten wurden dabei in rund 600 maschinengeschriebene
Seiten übertragen. MitarbeiterInnen der Abteilung "Stenographische Protokolle" führten nun
eine Neuedition durch. Abkürzungen, unterschiedliche Schreibweisen und heute unbekannte Begriffe werden dabei
erklärt und ein Personenregister erstellt. "Mit beinahe detektivischer Art wurde so manches Rätsel
um Wörter gelöst, die längst nicht mehr in unserem Wortschatz vorkommen", freut sich Parlamentsvizedirektorin
Susanne Janistyn-Novák. Zum Vorschein kam "eine erschütternde, aber außergewöhnliche
Lektüre über einen Kriegsschauplatz und die Erwägungen einer parlamentarischen Kammer zum Ende eines
Krieges", sagt die Leiterin der Abteilung "Stenographische Protokolle" zum Ergebnis der Arbeit.
Sobotka: Abgeordnete erfüllten ihre Aufgabe
Zwar standen die Verhandlungen unter Geheimhaltung, aber die Protokolle zeugen davon, "dass die Abgeordneten
ihre Aufgabe voll und ganz erfüllten und die Verantwortlichen des Kriegskurses einer schonungslosen Kritik
unterwarfen", unterstreicht Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. "Genau dieser Umstand macht
die Protokolle dieser Geheimsitzungen auch aus der Distanz von einhundert Jahren spannend und wichtig. Es gilt,
aus den Erfahrungen jener Zeit die richtigen Schlüsse zu ziehen, damit wir auch weiterhin auf einem Kontinent
des Friedens und der Sicherheit leben können."
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