Bundespräsident: "Kunst soll nur eines: Sie soll möglich sein und frei sein"
- Im Mittelpunkt der Festspiele steht die Wiederaufnahme von "Carmen"
Bregenz/Wien (apa/prk) - Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am 18. Juli mit einem gleichermaßen
launigen wie unterhaltsamen Appell für die Freiheit im Allgemeinen und der Kunst im Besonderen die 73. Bregenzer
Festspiele eröffnet. Den künstlerischen Auftakt des Festivals bildet am Abend die österreichische
Erstaufführung von "Beatrice Cenci". Im Mittelpunkt der Festspiele steht die Wiederaufnahme von
"Carmen".
Die Eröffnung der 73. Auflage der Festspiele am Vorarlberger Bodenseeufer ging bei heißem Sommerwetter
wie gewohnt vor 2.000 geladenen Gästen im klimatisierten Bregenzer Festspielhaus im ursprünglichen Wortsinn
über die Bühne. Sowohl Alexander Van der Bellen als auch Kulturminister Gernot Blümel setzten mit
ihren Ausführungen beim Gedenkjahr 2018 und bei der Person von Karl Böhm (1894-1981) an. Böhm war
nicht nur "großartiger Dirigent" und "gefeierter Mozart- und Wagner-Interpret", sondern
auch "williger Diener des Nationalsozialismus", wie es Van der Bellen formulierte. Bei den diesjährigen
Festspielen setzt sich Paulus Hochgatterers Stück "Böhm" mit der Person auseinander - wie die
Faust aufs Auge passte, dass Puppenspieler Nikolaus Habjan als Conferencier mit einer Böhm-Handpuppe durch
die Eröffnungsfeier führte.
"Ja, dürfen's denn das?", fragte dazu das Staatsoberhaupt rhetorisch - gemeint war: "die Lichtgestalt
vom Sockel stoßen, so quasi". Seine Antwort fiel eindeutig aus: Bei "uns" werde diese Frage
in dieser Form nicht mehr gestellt, sagte Van der Bellen. Vielmehr sollte in einer liberalen Demokratie gelten,
dass Kunst gar nichts "soll". Kunst müsse nicht unterhaltend sein, sie könne ein Freizeitvergnügen
sein, behübschend, kritisch, "sie kann alles sein. Sie soll es nur nicht sollen", betonte der Bundespräsident.
"Kunst soll nur eines: Sie soll möglich sein und frei sein", sagte Alexander Van der Bellen. Die
Gesellschaft müsse das aushalten, um ihrer selbst willen, denn eine liberale Gesellschaft messe sich an dem,
was sie möglich macht und nicht an dem, was sie verhindere. Die Freiheit der Kunst und die Presse- und Meinungsfreiheit
seien global gesehen "rare Güter", national betrachtet "nicht gar so alt". "Achten
wir darauf, dass es so bleibt", unterstrich das Staatsoberhaupt.
Gernot Blümel ging darauf ein, dass in den totalitären Regimes des 20. Jahrhunderts die Rolle der Kunst
eine untergeordnete gewesen sei. "Es lässt sich feststellen, dass die Kunst hier nirgendwo als Zweck
an sich, sondern überall letztlich als Mittel zum Zweck gesehen wird", führte der Minister aus.
Der Zweck sei dabei gewesen zu bestätigen, was das jeweilige System als wahr vorgegeben habe. Daraus könne
man lernen, dass wenn Kunst ausschließlich als Mittel verstanden werde, "einer gefährlichen Entwicklung
Tür und Tor geöffnet ist", so der Kulturminister.
Auch heute gebe es immer wieder die Debatte um die Freiheit der Kunst, nämlich ob diese Grenzen habe. Der
Kulturminister verwies in diesem Zusammenhang auf die Verleihung des deutschen Musikpreises Echo, der nach einem
Antisemitismus-Eklat abgeschafft wurde. Und er schlug auch den Bogen zum Mainstream. Keine Zeit sei davor gefeit,
dass sich der Mainstream durchsetze, dass Menschen ungeprüft die Gedanken und Meinungen von anderen übernehmen.
"Aber niemand kann uns von der Pflicht entbinden, uns eine eigene Meinung zu bilden", schloss der Minister.
Festspielpräsident Hans-Peter Metzler stellte anschaulich dar, wie es den Bregenzer Festspielen gelingt, "nicht
nur Ideen und Motivation zusammenzubringen, sondern: Menschen, viele Menschen. Hinter der Bühne, auf der Bühne,
vor der Bühne", so Metzler. Die Bregenzer Festspiele seien ein "entscheidender Faktor für unser
Land", wenn es darum gehe, zukunftsbildende und zukunftstragende Urbanität in positivster Weise ins Feld
zu führen.
Wie in den vergangenen Jahren präsentierten sich die Verkaufszahlen der Bregenzer Festspiele schon vor Festival-Beginn
in bestem Licht. Nachdem im Vorjahr sämtliche Aufführungen von George Bizets "Carmen" auf der
Seebühne ausverkauft waren, wurden für die heurigen 29 Vorstellungen bisher rund 95 Prozent der 210.000
aufgelegten Tickets abgesetzt. Für die diesjährige Eröffnungs- und Hausopernproduktion "Beatrice
Cenci" von Berthold Goldschmidt waren zum Festspielstart rund drei Viertel der Karten gebucht. Insgesamt stehen
80 Veranstaltungen auf dem Programm, für die 224.000 Tickets aufgelegt wurden.
Die live im TV übertragene Eröffnung wurde vom Humor des Bundespräsidenten und den oft zweideutigen
Ansagen der "Böhm"-Handpuppe getragen. So begrüßte die Puppe Van der Bellen etwa mit
den Worten "Schimpfen können's!", weil er in einem Zeitungsinterview die Regierung kritisiert hatte.
Außerdem versicherte Alexander Van der Bellen angesichts der ähnlichen Inhalte seiner Rede und jener
von Kulturminister Gernot Blümel erneut, "dass wir uns wie üblich nicht abgesprochen haben"
- dasselbe Schicksal hatte ihn schon im Vorjahr mit der Ansprache des damaligen Kulturministers Thomas Drozda ereilt.
Ebenso prägend wie die Reden - und sogar etwas länger als diese - waren für die Eröffnungszeremonie
aber die Auszüge von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Festspielprogramm. So gab es unter anderem
zwei Darbietungen aus "Beatrice Cenci" (eine davon mit Gal James als Beatrice), aber auch eine von Martin
Muehle als "Don Jose" aus "Carmen". Ebenfalls zu sehen und zu hören waren Ausschnitte
aus den anderen Produktionen wie Astor Piazollas "Maria de Buenos Aires", "Der Barbier von Sevilla"
von Gioachino Rossini und Thomas Larchers "A Padmore Cycle".
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