Brüssel (ec) - Im Nachgang an die Gipfelbeschlüsse der Staats-und Regierungschefs vom Juni hat die
EU-Kommission am 24. Juli das Konzept der „kontrollierten Zentren“ innerhalb der Europäischen Union vorgestellt.
Ebenso stellt die Kommission erste Überlegungen an, wie mit Drittstaaten regionale Ausschiffungsvereinbarungen
getroffen werden könnten. Beide Konzepte sollen zusammen dazu beitragen, eine gemeinsame regionale Verantwortung
bei der Bewältigung der Migration zu gewährleisten.
Ziel der kontrollierten Zentren in der EU ist es, das Verfahren zur Unterscheidung zwischen Personen, die internationalen
Schutz benötigen, und irregulären Migranten, die kein Recht auf Verbleib in der EU haben, zu verbessern.
Dabei soll die Rückkehr der irregulären Migranten beschleunigt werden.
Ziel der regionalen Ausschiffungsplattformen in Drittstaaten ist die rasche und sichere Ausschiffung geretteter
Menschen auf beiden Seiten des Mittelmeers im Einklang mit dem Völkerrecht einschließlich des Grundsatzes
der Nichtzurückweisung und entsprechend einem verantwortungsvollen Verfahren nach der Ausschiffung.
Dimitris Avramopoulos, Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, sagte: „Mehr denn je brauchen
wir gemeinsame europäische Lösungen für die Herausforderungen der Migration. Wir sind bereit, die
Mitgliedstaaten und Drittstaaten zu unterstützen, um eine bessere Zusammenarbeit bei der Ausschiffung von
auf See geretteten Menschen zu erreichen. Damit dies aber vor Ort umgehend Wirkung zeigt, müssen wir gemeinsam
handeln – nicht nur jetzt, sondern auch auf lange Sicht. Wir müssen auf nachhaltige Lösungen hinarbeiten.“
„Kontrollierte Zentren“ in der EU
Um eine geordnete, effektive Erfassung der in der Europäischen Union ausgeschifften Menschen zu erreichen,
haben die Staats- und Regierungschefs der EU die Einrichtung „kontrollierte Zentren“ in der EU gefordert.
Diese Zentren würden vom Aufnahmemitgliedstaat mit voller Unterstützung der EU und der EU-Agenturen verwaltet
und könnten je nach Standort vorübergehend oder ad hoc eingerichtet werden. Hauptmerkmale wären:
- volle operative Unterstützung durch Ausschiffungsteams
der europäischen Grenzschutzbeamten, Asylexperten, Experten für Sicherheitsüberprüfung und
Rückführungsbeamte; alle Kosten werden aus dem EU-Haushalt bestritten
- schnelle, sichere und effektive Erfassung, die das Risiko
von Sekundärbewegungen verringert und die Bestimmung des Status der betreffenden Person beschleunigt
- volle finanzielle Unterstützung für freiwillig
teilnehmende Mitgliedstaaten zur Deckung der Infrastruktur- und Betriebskosten sowie finanzielle Unterstützung
für Mitgliedstaaten, die bereit sind, ausgeschiffte Personen aufzunehmen (6000 Euro pro Person)
Um das Konzept zu testen, könnte so bald wie möglich eine flexibel gehandhabte Pilotphase eingeleitet
werden.
Die Kommission wird auch eine zentrale Anlaufstelle für die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten bereitstellen,
die sich an den Solidaritätsbemühungen beteiligen – als vorläufige Maßnahme, bis im Rahmen
der laufenden Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ein ausgereiftes System eingerichtet werden
kann.
Regionale Ausschiffungsplattformen
Zusätzlich zur Einrichtung kontrollierter Zentren haben die Staats- und Regierungschefs die Kommission aufgefordert,
das Konzept regionaler Ausschiffungsvereinbarungen in enger Zusammenarbeit mit den UN-Organisationen IOM und dem
UNHCR und in Partnerschaft mit Drittstaaten zu prüfen.
Hauptmerkmale regionaler Ausschiffungsvereinbarungen wären:
- Klare Regeln für alle: Um die Todesfälle auf See
zu verringern sowie eine geordnete und vorhersehbare Ausschiffung zu gewährleisten, sollten alle Mittelmeeranrainer
dazu angehalten werden, Such- und Rettungszonen festzulegen und Seenotleitungen (MRCC) einzurichten.
- Die vom UNHCR und von der IOM entwickelten Regeln werden
dafür sorgen, dass ausgeschiffte Personen – auch durch Neuansiedlungsregelungen – Schutz erhalten können,
wenn sie ihn benötigen, oder in ihre Herkunftsländer rückgeführt werden, wenn sie nicht schutzbedürftig
sind – unter anderem im Wege der von der IOM durchgeführten Programme zur Unterstützung der freiwilligen
Rückkehr und der Wiedereingliederung.
- Gleichberechtigte Partnerschaften: Die Zusammenarbeit mit
interessierten Drittstaaten soll auf der Grundlage bestehender Partnerschaften vorangebracht werden. Ihnen soll
eine auf ihre jeweiligen politischen, sicherheitspolitischen und sozioökonomischen Gegebenheiten zugeschnittene
Unterstützung angeboten werden.
- Keine Pull-Faktoren: Neuansiedlungsmöglichkeiten werden
nicht für alle ausgeschifften Menschen, die internationalen Schutz benötigen, verfügbar sein, und
die Aufnahmestellen sollten soweit wie möglich von den Orten irregulärer Abreise entfernt sein.
- Keine Inhaftnahme, keine Lager: Mit den regionalen Ausschiffungsvereinbarungen
werden Vorgehensweisen und Vorschriften vorgegeben, die eine sichere und geordnete Ausschiffung gewährleisten
und sicherstellen sollen, dass nach der Ausschiffung die entsprechenden Verfahren unter uneingeschränkter
Achtung des Völkerrechts und der Menschenrechte abgewickelt werden.
- Finanzielle und logistische Unterstützung der EU: Die
EU ist bereit, finanzielle und operative Unterstützung für die Ausschiffung und die sich daran anschließenden
Maßnahmen sowie für das Grenzmanagement in Form von Ausrüstung, Ausbildung und anderen Formen der
Unterstützung bereitzustellen.
Nächste Schritte
Es wird erwartet, dass die Botschafterinnen und Botschafter morgen (25. Juli) das Konzept der kontrollierten Zentren
in der EU und die Möglichkeit einer raschen Einführung eines Übergangsrahmens für die Ausschiffung
von aus Seenot geretteten Menschen in der EU erörtern werden.
Die Arbeiten zu regionalen Ausschiffungsvereinbarungen werden ebenfalls morgen behandelt und voraussichtlich auf
einer Sitzung mit der IOM und dem UNHCR am 30. Juli 2018 in Genf fortgeführt. Erst wenn ein gemeinsames Vorgehen
auf EU-Ebene vereinbart ist, wird die EU an interessierte Drittstaaten herantreten.
Hintergrund
In seinen Schlussfolgerungen vom 28./29. Juni hatte der Europäische Rat die Kommission aufgefordert, „das
Konzept regionaler Ausschiffungsplattformen in enger Zusammenarbeit mit den betreffenden Drittländern sowie
dem UNHCR und der IOM zügig auszuloten“.
Die Staats- und Regierungschefs hatten des Weiteren dazu aufgerufen, „kontrollierte Zentren“ auf dem Gebiet der
EU einzurichten – ein neuer Ansatz, der auf gemeinsamen Anstrengungen zur Erfassung von Personen beruht, die nach
ihrer Rettung auf See in der EU ausgeschifft werden.
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