Industrie: Konjunktursommer mit Gewitterwolken

 

erstellt am
24. 07. 18
13:00 MEZ

IV-VGS Koren/IV-Chefökonom Helmenstein: Industrie treibende Kraft für wirtschaftlichen Erfolg in Österreich – Konjunktur verliert an Dynamik
Wien (pdi) - „Die österreichische Industrie agierte im zweiten Quartal 2018 weiterhin in einer konjunkturellen Hochphase, doch zeichnet sich für die kommenden Quartale eine Verringerung des Expansionstempos ab“, erklärte IV-Vizegeneralsekretär Ing. Mag. Peter Koren in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein bei der Vorstellung der Resultate des aktuellen Konjunkturbarometers aus dem 2. Quartal 2018 am 24. Juli. „Mit einer saisonal bereinigten Wachstumsrate von real exakt 10 Prozent im ersten Quartal des heurigen Jahres gegenüber demselben Vorjahresquartal war die Warenproduktion die treibende Kraft des wirtschaftlichen Erfolges in Österreich, jedoch hat sie ihren konjunkturellen Zenit im Jahresauftaktquartal erreicht und inzwischen durchschritten.

Das IV-Konjunkturbarometer, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, verzeichnet eine Trendumkehr. Der Wert des IV-Konjunkturbarometers sinkt um knapp sieben Punkte auf nunmehr +40 Punkte. Ursächlich dafür ist die Erwartung, dass sich die konjunkturelle Dynamik in den kommenden Monaten deutlich abschwächen wird, während sich der jeweilige aktuelle Geschäftsgang noch auf einem hochkonjunkturkonformen Plafond vollzieht.

„Im Ergebnis erwarten wir einen im Herbst ausklingenden Konjunktursommer, der sich in den kommenden Quartalen je nach Gestaltung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen nach dem Jahreswechsel sukzessiv weiter abkühlen wird“, resümierte Koren. „Rein konjunkturell betrachtet spräche wenig gegen eine Fortsetzung der Expansion über den Jahreswechsel 2018/2019 hinaus – wenngleich bei einem deutlich moderateren Tempo –, zumal von der europäischen Geldpolitik weiterhin expansive Impulse ausgehen. Die sich verschärfenden geopolitischen Risken stellen jedoch ein Damoklesschwert für die Dauerhaftigkeit des Wachstums dar.“

Trotz der sich abkühlenden Konjunktur zähle der Fachkräftemangel nach wie vor zu den zentralen Herausforderungen der Unternehmen. Deshalb bleibe auch die Sicherstellung des MINT-Nachwuchses eine Schicksalsfrage des Standortes. „Entscheidend wird dabei unter anderem sein, dass nun jener Schultyp ausgebaut wird, um den man uns international beneidet und der zum echten Standortvorteil geworden ist – die HTL. Bei deren Weiterentwicklung müssen wir auch Megatrends wie Digitalisierung und Industrie 4.0 verstärkt berücksichtigen“, so Koren, der auf das aktuelle IV-Strategiepapier zur Stärkung der „Schulen der Ingenieurinnen und Ingenieure“, „Standortasset HTL“, in Österreich verwies.

Die Ergebnisse im Detail
Der Indikator für die aktuelle Geschäftslage verharrt, sogar in seinen Teilkomponenten zum Vorquartal gänzlich unverändert, auf einem Niveau von +71 Punkten. „Entsprechend breit ist die Expansion im industriellen Branchenspektrum verankert, was für eine reife Phase des Konjunkturzyklus‘ typisch ist. Allerdings wurde das höchste konjunkturelle Momentum in der Warenproduktion – ausgewiesen durch die auf das Jahr hochgerechnete Quartalswachstumsrate im Vergleich zum Vorquartal – schon vor einem halben Jahr, nämlich zwischen Oktober und Dezember 2017, bei einer Marke von annualisiert real 11 Prozent verzeichnet“, wie Helmenstein ausführte.

„Dass die Abschwächung des Wachstums in den kommenden Quartalen, vor allem beim Vergleich von 2019 mit 2018, durchaus beachtlich ausfallen könnte, ist auf die zeitliche Koinzidenz von zwei Faktoren zurückzuführen“, so Helmenstein. „Beide bremsen die konjunkturelle Dynamik schon individuell betrachtet erheblich, kumulativ aber noch umso stärker.“ Einerseits indiziert bereits das intrinsische, erwartungsbedingte konjunkturelle Schwankungsverhalten einen Dämpfer in nächster Zeit. Dies betrifft auslastungs- und beschäftigungsbedingt insbesondere Deutschland sowie die EU-Mitgliedstaaten Zentral- und Osteuropas und damit die wichtigsten Außenhandelspartner Österreichs. Aufgrund der engen Handelsverflechtungen mit diesen Ländern wirkt das dortige zyklische Muster stark auf den Konjunkturverlauf in Österreich ein.

Andererseits nehmen die strukturpolitischen Risken eines verschärften Handelskonfliktes zwischen den USA und ihren wichtigsten Handelspartnern sowie die Investitionsunsicherheit infolge der weiter ungelösten Brexit-Modalitäten weiter zu. Die sich abzeichnende Abschwächung des weiteren Konjunkturverlaufes spiegeln die Geschäftserwartungen entsprechend wider, welche sich von +23 Punkten auf +10 Punkte zurückbilden. „Der Anteil der Unternehmen, die einen ungünstigen Geschäftsverlauf auf Sicht des kommenden halben Jahres erwarten, nimmt auf 7 Prozent der Respondenten zu und steigt damit auf den höchsten Wert seit dem Herbst 2016“, so Helmenstein. „Zudem lässt die enorme Diskrepanz von 61 Punkten zwischen dem Indikator der aktuellen Geschäftslage und jenem der Geschäftserwartungen auf die gänzliche Absenz einer von Konjunktureuphorie geprägten Erwartungshaltung schließen. Dies mindert in einem ultraexpansiven geldpolitischen Umfeld das Risiko des Aufbaus zukünftig möglicherweise unterausgelasteter Kapazitäten“, so Helmenstein.

Die Gesamtauftragsbestände verharren unverändert auf einem Niveau von +71 Punkten. Um einen Hauch schwächer, vor allem mit bereits abwärtsgerichteter Tendenz, präsentieren sich die Auslandsaufträge (+64 Punkte nach +66 Punkten). Diesbezüglich wirkt unterstützend, dass sich die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar im Jahresvergleich nicht mehr fortgesetzt hat – die Gemeinschaftswährung liegt zum US-Dollar derzeit auf exakt demselben Niveau wie zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Die zuvor beobachtete Aufwertung des Euro, welche immer mit einem Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit einhergeht, war hingegen von der gestiegenen mengenmäßigen Nachfrage und der damit einhergehenden höheren Zahlungsbereitschaft kompensiert worden. Bei einer allfälligen erneuten Aufwertung des Euro wäre nicht mehr mit einer wiederholten nachfrageinduzierten Abpufferung derselben zu rechnen. Unabhängig davon profitiert die österreichische Wirtschaft aufgrund ihrer nach wie vor ausgeprägten Fokussierung auf die europäischen Absatzmärkte in besonderer Weise von der Abwesenheit von Wechselkursrisken innerhalb der Eurozone.

Das favorable internationale Konjunkturumfeld nutzend, planen die Unternehmen im Einklang mit der günstigen Auftragslage zwar eine neuerliche Ausweitung ihrer Produktionstätigkeit, doch wird das Expansionstempo abermals zurückgenommen. Bei der Veränderung des saisonbereinigten Wertes von +25 Punkten auf +21 Punkte handelt es sich um den zweiten Rückgang des Indikators in Folge, nachdem er zuvor durchgängig acht Quartale lang zugelegt hatte. Somit erfährt die Ausweitung der Industrieproduktion im Vergleich zum jeweiligen Vorquartal nunmehr eine erheblich vorsichtigere Einschätzung – es ist dies ein starkes Indiz dafür, dass die konjunkturellen Auftriebskräfte schwächer werden.

Im Einklang mit dem sich verlangsamenden Industriewachstum bildet sich auch der Indikator zur Entwicklung des Beschäftigtenstandes zurück. Er fällt zu diesem Termin von +30 Punkten auf +18 Punkte. Dieser Rückgang ist im Wesentlichen auf eine verringerte Einstellungsneigung bei einem wachsenden Anteil von Unternehmen zurückzuführen. Erwartete zum letzten Termin noch mehr als jeder dritte Respondent einen Beschäftigungsaufbau, trifft dies nunmehr lediglich noch auf jeden vierten zu.

Bei der Entwicklung der Verkaufspreise erzwingen steigende Marktnotierungen für Industrierohstoffe und Energie einerseits eine Kostenüberwälzung, andererseits wirft die Abschwächung des Welthandels ihre Schatten voraus und begrenzt die Preiserhöhungsspielräume. Im Ergebnis ergibt sich ein Saldo von +2 Punkten nach +8 Punkten im Vorquartal. Dennoch ist die Ära fallender Verkaufspreise für Industriegüter Geschichte, allerdings wird der Anstieg der Verkaufspreise in den kommenden Monaten wettbewerbsbedingt einen eher inkrementellen als sprunghaften Charakter aufweisen.

Trotz der noch günstigen Mengenkonjunktur bildet sich der Saldo der Ertragslage aufgrund des zunehmenden Kostendrucks von +42 Punkten auf +35 Punkte zurück. Die zuvor schon abwärtsgerichteten Ertragserwartungen geben erneut leicht von +10 Punkten auf +8 Punkte nach. Vor diesem Hintergrund ist zwar mit fortgesetzten konjunkturellen Impulsen aus der industriellen Investitionstätigkeit zu rechnen, allerdings ist auch hier die Phase der stärksten Zuwächse bereits durchschritten und das Augenmerk verstärkt auf den Erhalt der preislichen und technologischen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie deren bilanzielle Krisenvorsorge gerichtet.

Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 404 Unternehmen mit rund 275.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt die folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at