WissenschaftlerInnen entschlüsseln Kommunikation an der Wurzelspitze
Oslo/Klosterneuburg (ist) - Wenn die Pflanzenwurzel wächst, schützt eine Wurzelkappe ihre zerbrechliche
Spitze. Alle paar Stunden geht die alte Kappe verloren und eine neue ersetzt sie. Das stellte die Wissenschaft
bisher vor eine Frage: Wie wissen die Zellen an der Spitze, wann sie sterben müssen, und wie wissen die Zellen
weiter hinten, wann sie sich teilen und eine neue Schicht bilden - zumal diese Zellen mehrere Zellreihen voneinander
entfernt sind? ForscherInnen der Universität Oslo und des Institute of Science and Technology Austria (IST
Austria) haben dieses Kommunikationsproblem nun teilweise gelöst. Wie sie in der heutigen Ausgabe von Nature
Plants schreiben, konnten die ForscherInnen zum ersten Mal regelmäßige Zyklen von Verlust und Nachwachsen
der Wurzelspitze in Echtzeit beobachten. Dabei entdeckten sie das Signal und den Rezeptor, die diesen Prozess koordinieren.
Signal und Rezeptor identifiziert
Die Gruppe von Reidunn Aalen an der Universität Oslo, darunter Postdoc und Erstautor Chun-Lin Shi, entdeckte
das Signal und den Rezeptor, die die Kommunikation an der Wurzelspitze ermöglichen. Sie fanden heraus, dass
Zellen in der Wurzelkappe ein kleines Peptid, genannt IDL1, absondern. Dieses Peptid verteilt sich in der Wurzelspitze.
Zellen am sogenannten Wurzelapikalmeristem, die sich zu einer neuen Wurzelkappe teilen, haben ein Rezeptorprotein,
genannt HSL2, das das Signalpeptid IDL1 wahrnimmt. Durch diesen Mechanismus kommunizieren die äußeren
Wurzelkappenzellen, die abgeworfen werden, und die inneren Zellen, die sich teilen, um sie zu ersetzen.
Verlust der Wurzelspitze erstmals beobachtet
Jiri Frimls Gruppe am IST Austria, darunter der ehemalige Postdoc Daniel von Wangenheim und der Praktikant Ivan
Kulik, beobachteten zum ersten Mal, wie Pflanzen ihre Wurzelkappen abwerfen. Mit einem Laser-Scanning-Mikroskop,
das auf die Seite gekippt wurde - eine Methode, die die Forschungsgruppe zuvor entwickelt hatte und die nicht nur
zur Produktion des Siegervideos im letztjährigen "Nikon Small World in Motion Wettbewerb" sondern
auch bereits zur Entdeckung einer neuen Rolle von Auxin in der Reaktion auf die Schwerkraft führte – konnten
sie den Verlust der Wurzelkappe über mehrere Tage hinweg in Echtzeit beobachten.
Der Verlust der Wurzelkappe ist ein langsamer Prozess – etwa alle 18 Stunden geht eine Wurzelkappe verloren. "Da
der Wurzelkappenverlust und -ersatz langsam ist, kann man ihn unter einem normalen Mikroskop nicht beobachten",
erklärt Jiri Friml. Kulik und von Wangenheim konnten mit dem gekippten Mikroskop das Wurzelwachstum drei Tage
lang beobachten und die Periodizität von Zelltod und der Ablösung der Wurzelkappe sehen, wie Jiri Friml
beschreibt: "Mit unserem vertikalen Mikroskop und der automatischen Verfolgung konnten wir beobachten, wie
Wurzelkappen unter natürlichen Bedingungen verloren gehen. Diese Werkzeuge ermöglichten uns zu sehen,
wie der Wurzelkappenverlust tatsächlich abläuft und wie sich die Zellen weiter hinten teilen. “
Frimls Gruppe verglich, wie sich die Wurzelkappe bei Arabidopsis thaliana-Pflanzen des Wildtyps lösen und
ersetzen, und verglichen dies mit dem Vorgang in mutierten Pflanzen, die die Aalen Gruppe zur Verfügung stellte.
Sie fanden heraus, dass sich in Pflanzen, in denen die Kommunikation über IDL1 und HSL2 gestört ist,
Wurzelkappenzellen an der Spitze ansammeln, anstatt sich abzuschälen. "Wenn die Kommunikation nicht funktioniert,
sind Zelltod und Wiedergeburt nicht koordiniert und die Zellen bleiben viel länger an der Spitze, als sie
sollten", erklärt Friml.
Das vertikale Mikroskop und die TipTracker Software, die Robert Hauschield von der Imaging Facility des IST Austria
entwickelte, waren für diese Arbeit unerlässlich, sagt Kulik: "Natürlich wachsen die Wurzeln.
Während man also eine Wurzel im Konfokalmikroskop abbildet, würde die Wurzelspitze aus dem Blickfeld
wachsen. Mit dem TipTracker vergleicht das Mikroskop die Position der Wurzelspitze zwischen den Bildern und passt
die Position des Objektivs automatisch an, so dass man die Wurzelspitzen auch über mehrere Tage verfolgen
kann."
Über das IST Austria
Das Institute of Science and Technology (IST Austria) in Klosterneuburg ist ein Forschungsinstitut mit eigenem
Promotionsrecht. Das 2009 eröffnete Institut widmet sich der Grundlagenforschung in den Naturwissenschaften,
Mathematik und Computerwissenschaften. Das Institut beschäftigt ProfessorInnen nach einem Tenure-Track-Modell
und Post-DoktorandInnen sowie PhD StudentInnen in einer internationalen Graduate School. Neben dem Bekenntnis zum
Prinzip der Grundlagenforschung, die rein durch wissenschaftliche Neugier getrieben wird, hält das Institut
die Rechte an allen resultierenden Entdeckungen und fördert deren Verwertung. Der erste Präsident ist
Thomas Henzinger, ein renommierter Computerwissenschaftler und vormals Professor an der University of California
in Berkeley, USA, und der EPFL in Lausanne, Schweiz.
Originalpublikation
Shi et al. 2018, The dynamics of root cap sloughing in Arabidopsis is regulated by peptide signaling, Nature Plants,
DOI: 10.1038/s41477-018-0212-z
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