Innsbruck (universität) - Die Quantenverschränkung von zwei Teilchen ist heute gut verstanden. Bei
der Vielteilchenverschränkung tappt die Wissenschaft aber noch weitgehend im Dunkeln. Nun bringt ein Team
um Barbara Kraus und David Sauerwein von der Universität Innsbruck Licht in dieses Forschungsfeld. Sie haben
gemeinsam mit kanadischen und US-amerikanischen Forschern neue mathematische Methoden entwickelt, mit denen sie
grundlegende Fragen in der Theorie der Verschränkung quantenmechanischer Teilchen beantworten.
Verschränkte Quantenzustände sind der Rohstoff der Zweiten Quantenrevolution. Optische Atomuhren, Quantensensoren,
Quantencomputer und das Quanteninternet sind nur einige der derzeit in Entwicklung befindlichen Anwendungen. Ein
tieferes Verständnis von Verschränkung ist daher grundlegend für viele Bereiche in Wissenschaft
und Technologie. Die Verschränkung von zwei Quantenteilchen wird bereits sehr gut verstanden und kann heute
im Labor effizient gemessen und manipuliert werden. Trotz enormem Forschungsaufwand sind hinsichtlich der Verschränkung
von mehreren Teilchen noch viele Fragen offen. Ein Team um Barbara Kraus und David Sauerwein vom Institut für
Theoretische Physik der Universität Innsbruck hat nun in einer wegweisenden Arbeit mathematische Methoden
entwickelt, mit denen die Eigenschaften von fast allen vielteilchenverschränkten Zuständen untersucht
werden können. Dabei haben sie eine wichtige Entdeckung gemacht: Es gibt nicht den einen oder ein kleines
Set von maximal verschränkten Zuständen.
Sehr großes Set von Zuständen notwendig
Auf der Suche nach den maximal verschränkten Zuständen von vielen Teilchen kehrten die Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler an den Ursprung der Verschränkungstheorie zurück. Sie untersuchten wie räumlich
getrennte Teilchen eines verschränkten Zustands, die sich zum Beispiel in verschiedenen Laboren befinden,
über lokale Operationen transformiert werden können. Diese Operationen werden wiederum über klassische
Kanäle koordiniert - in der Fachsprache „local operations assisted by classical communication“ (LOCC). Für
diese LOCC-Transformationen sind Symmetrien sehr wichtig. Mit Methoden der algebraischen Geometrie kamen die Forscher
zu der Erkenntnis, dass die meisten verschränkten Vielteilchenzustände keine lokalen Symmetrien aufweisen.
„Dadurch konnten wir in unserer Arbeit die optimalen LOCC-Transformationen für fast alle vielteilchenverschränkten
Zustände beschreiben“, erklärt David Sauerwein, der als Mitglied des Doktoratsprogramms Atome, Licht
und Moleküle der Universität Innsbruck an dem Thema gearbeitet hat. Da dieses Ergebnis für eine
beliebige Anzahl von Quantensystemen gültig ist und LOCC-Transformation eine zentrale Rolle in der Verschränkungstheorie
spielen, zeigen die Ergebnisse neue Wege auf, um Vielteilchenverschränkung zu verstehen. „Zusätzlich
konnten wir ableiten, dass die Menge der maximal verschränkten Zustände sehr groß ist und nicht
nur einzelne Verschränkungszustände als Basis für mögliche Anwendungen dienen können“,
erklärt Barbara Kraus. „Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis, weil wir bisher mehr oder weniger im Trüben
gefischt haben.“
Anwendung in Quantennetzwerken
Die Arbeit gibt auch Antwort darauf, wie verschränkte Zustände optimal in Quantennetzwerken benutzt
werden können, die bereits experimentell umgesetzt werden. „Wir konnten zusätzlich zeigen, dass räumlich
getrennte Partner in einem Quantennetzwerk die Verschränkung der meisten Zustände nur sehr eingeschränkt
über LOCC verändern können. Gleichzeitig gibt es eine kleine Menge an Zuständen, die immer
transformiert werden können“, erklärt David Sauermann. Die Theoretiker schlagen deshalb vor, diese kleine
Menge an Zuständen näher zu untersuchen, um neue Anwendungen für Vielteilchenverschränkung
zu finden. Die neuen mathematischen Methoden werden darüber hinaus auch Anwendung in anderen Bereichen der
Physik finden, zum Beispiel in der Festkörperphysik, sind die Innsbrucker Wissenschaftler überzeugt.
Die aktuelle Arbeit wurde im Fachmagazin Physical Review X veröffentlicht und unter anderem vom österreichischen
Wissenschaftsfonds FWF finanziell unterstützt.
Publikation: Transformations among pure multipartite entangled states via local operations are almost
never possible. David Sauerwein, Nolan R. Wallach, Gilad Gour, and Barbara Kraus. Phys. Rev. X 8, 031020 DOI: 10.1103/PhysRevX.8.031020
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