Riedl: „Gleichstellung in politischen Ämtern muss allen Ebenen am Herz liegen“
St. Ulrich/Wien (gemeindebund) - Einmal im Jahr geben die Bürgermeisterinnen ein starkes Signal: 161
Bürgermeisterinnen bei 2.098 Gemeinden ist immer noch viel zu wenig. „Gerade bei den kommunalen Spitzenpositionen
gibt es den größten Handlungsbedarf, denn auf Ebene der Vizebürgermeisterinnen und Gemeinderätinnen
gibt es bereits viel mehr Frauen. Daher muss es allen Ebenen ein zentrales Anliegen sein, die Funktion so attraktiv
zu machen und Frauen darin zu bestärken, dass sie sich für das Bürgermeisteramt entscheiden“, fordert
Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl.
Von 6. bis 8. August 2018 treffen sich daher rund 75 Bürgermeisterinnen aus Österreich, Deutschland,
der Schweiz, Südtirol und Luxemburg in St. Ulrich am Pillersee (Tirol), um über die Strategien in den
einzelnen Ländern zu sprechen und Lösungen zu fördern. Unter ihnen Österreichs jüngste
Bürgermeisterin Elisabeth Feichtinger (Altmünster) und Bayerns jüngste Ortschefin Annika Popp (Leupoldsgrün).
Aus Deutschland werden elf Bürgermeisterinnen anreisen, aus Südtirol vier, aus der Schweiz sieben und
aus Luxemburg zwei. „Dies soll der Start eine europäische Zusammenarbeit zu diesem Thema sein“, betont der
Gemeindebund-Präsident.
Zur Eröffnung erschienen auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter, Landesrätin Mag.a Dr.in Beate
Palfrader, Tirols Gemeindeverbands-Präsident Bgm. Mag. Ernst Schöpf, ADEG-Vorstandsvorsitzende Mag.a
Alexandra Draxler-Zima als Vertreterin des größten Sponsors, und Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher,
die 2007 das erste österreichische Bürgermeisterinnentreffen im Salzburger Stuhlfelden organisiert hat.
Schöpf begrüßte die Teilnehmerinnen: „Ich freue mich, dass Tirol für dieses Vernetzungstreffen
ausgewählt wurde.“ In Tirol liegt die Quote noch bei 5,7 Prozent. „Mit dem Empowerment-Programm des kommunalen
Ausbildungsinstituts Grillhof wollen wir noch mehr Frauen darin bestärken, solche Ämter auch aktiv anzustreben“,
so der Tiroler Gemeindeverbandspräsident. Ähnliche Programme für politisch aktive Frauen gibt es
in Österreich bereits in einigen Bundesländern.
Der Blick über den Tellerrand, der bei diesen Treffen ebenso wie der Austausch im Zentrum steht, gewinnt im
Halbjahr der europäischen Ratspräsidentschaft Österreichs aber eine neue Dimension. „Als begeisterte
Bürgermeisterin seit mittlerweile acht Jahren ist und war es mir ein Bedürfnis, etwas an die nächste
Generation weiterzugeben. Ich habe schon lange die Idee in mir getragen, dass ich bei einer Wiederwahl 2016 als
Bürgermeisterin ein europäisches Bürgermeisterinnentreffen auf die Beine stellen möchte. Ich
bin froh, dass diese Idee auch dank der Unterstützung des Österreichischen Gemeindebundes nun umgesetzt
wird“, sagt Bürgermeisterin und Initiatorin Brigitte Lackner.
Dr. Helga Lukoschat, Vorstandsvorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft
(EAF) Berlin macht in ihrem Vortrag beim Treffen klar, dass Österreich mit dem Problem der Unterrepräsentanz
von Bürgermeisterinnen im europäischen Vergleich nicht alleine dasteht: „In Deutschland, Luxemburg, Liechtenstein,
der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und Südtirol ist der Prozentsatz von Frauen zwar etwas höher,
aber immer noch unter 13 Prozent.“ In der Schweiz fehlen aktuelle Daten zu allen Gemeinden. Um einen Eindruck für
die schweizerische Gemeindeebene zu bekommen, hat Lukoschat die Kantone Wallis und Bern analysiert, wo der Anteil
der Gemeindepräsidentinnen (entspricht der Funktion der Bürgermeisterin in Österreich) bei 9,5 Prozent
(Kanton Wallis) und 16 Prozent (Kanton Bern) liegt.
Bürgermeisterinnenanteil im Vergleich der deutschsprachigen Regionen und Staaten
Bei den vergangenen Tiroler Gemeinderatswahlen hat sich die Anzahl der Bürgermeisterinnen von elf auf 16 erhöht.
Die Anzahl der Vizebürgermeisterinnen beläuft sich derzeit auf 30. Zudem sind in Tirol 120 von 703 GemeindevorständInnen
sowie 618 von 2.450 GemeinderätInnen weiblich. "Alles in allem sind es in Tirol immer mehr Frauen, die
sich politisch engagieren. Das ist selbstverständlich zu begrüßen - es gibt allerdings noch Luft
nach oben. Daher ist es wichtig, dass wir entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, die es ambitionierten Frauen
erleichtern, ihre Ideen und Meinungen in das gesellschaftspolitische Zusammenleben einzubringen", verweist
Landeshauptmann Günther Platter beispielhaft auf die in der Vergangenheit initiierte Novelle der Tiroler Gemeindeordnung:
"Dadurch wurde die Möglichkeit geschaffen, sich durch Ersatzmitglieder nicht nur bei Gemeinderatssitzungen,
sondern auch in Ausschüssen vertreten zu lassen. Durch ein höheres Maß an Flexibilität wird
besonders den Gemeinderätinnen ihre wertvolle Arbeit erleichtert. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
spielt auch in der Politik eine wichtige Rolle."
Landesrätin Beate Palfrader ergänzt zudem: "Es ist wichtig, dass wir Frauen, die politische Verantwortung
übernehmen und sich in politischen Funktionen engagieren wollen, fördern. Ich freue mich, beim heutigen
Bürgermeisterinnentreffen dabei zu sein und auf viele starke Frauen zu treffen, die in der Politik mitgestalten
und Vorbild für zahlreiche andere Frauen sind."
Die Bedeutung von starken, selbständigen Frauen vertiefte auch ADEG Vorstandsvorsitzende Alexandra Draxler-Zima
in ihrem Impulsstatement. „ADEG bietet ein in Österreich einzigartiges Nahversorgungskonzept. Alle Märkte
werden von eigenständigen Kaufleuten betrieben, knapp ein Drittel davon sind Kauffrauen. Eine Zahl auf die
wir sehr stolz sind, denn Frauen bieten oft Nahversorgung mit zusätzlichem Mehrwert. Sie sind sich ihrer sozialen
Rolle mehr als bewusst und machen ihre Märkte sehr oft zum sozialen Mittelpunkt ihrer Gemeinde. Sie sind Arbeitgeberinnen,
Lehrlingsausbilderinnen, Unterstützerinnen regionaler und lokaler Erzeuger, Lieferanten und Vereine. Sie sind
verantwortlich für regionales Wachstum und die Lebensader der dörflichen Entwicklung. Zudem bietet der
Beruf der Kauffrau besonders in ländlichen Regionen eine attraktive Perspektive.“
Stuhlfeldens Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher appellierte besonders an ihre Kolleginnen in den Gemeinderäten,
sich das Amt zuzutrauen: „Salzburg ist das Bundesland mit den wenigsten Bürgermeisterinnen. Die Gemeinderats-
und Bürgermeisterwahlen im März 2019 sollten dafür genutzt werden, um möglichst viele Frauen
zu ermutigen. Das Bürgermeisterinnenamt ist bei all den bekannten Herausforderungen ein Amt, in dem man viel
gestalten und umsetzen kann. Ich glaube, es ist wichtig, dass auch das einmal kommuniziert wird.“
Im Zentrum dieser Zusammenkunft steht wie auch bei den österreichischen Treffen der Austausch, der Blick über
den Tellerrand und die Stärkung der amtierenden Bürgermeisterinnen. Den Montagnachmittag haben die Bürgermeisterinnen
im Salonformat mit Art-of-hosting-Pionierin Mag. Ursula Hillbrand verbracht. Dabei konnten sie die Erfahrungen
und das Wissen ihrer Kolleginnen für eigene Projekte und Fragestellungen nutzen. Am Dienstag und Mittwoch
stehen noch Workshops zu europäischen Themen, der persönlichen Work-Life-Balance und der sozialen Absicherung
auf dem Programm. Bei Ausflügen lernen die Bürgermeisterinnen andere Gemeinden und deren Projekte kennen.
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