Neues Design-Tool erstellt automatisch 3D-Druckvorlagen für Nanostrukturen zur Erzeugung
benutzerdefinierter Farben – Wissenschaftler präsentieren ihre Ergebnisse diese Woche auf der angesehenen
SIGGRAPH-Konferenz
Thuwal/Klosterneuburg (ist) - Die meisten Objekte im Alltag sind mit Hilfe von Pigmenten gefärbt, doch
dies hat einige Nachteile: Die Farben können verblassen, künstliche Pigmente sind oft toxisch und manche
Farbeffekte sind auf diese Weise gänzlich unerreichbar. In der Natur kommen jedoch auch sogenannte Strukturfarben
vor, bei denen die Mikrostruktur eines Objekts Farben hervorruft. Pfauenfedern sind ein Beispiel dafür. Sie
sind braun pigmentiert, reflektieren aber auf Grund winziger, regulär angeordneter Hohlräume in den Federn
die irisierenden Blau- und Grüntöne, die wir sehen. Nanostrukturen zur Strukturfärbung können
mittlerweile technisch gefertigt werden, und Computerwissenschaftler vom Institute of Science and Technology Austria
(IST Austria) und von der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) haben nun ein Computerprogramm
entwickelt, das automatisch 3D-Druckvorlagen für Nanostrukturen erstellt, die zur Erzeugung der vom Nutzer
gewünschten Farben nötig sind. Ihre Ergebnisse zeigen das große Potenzial der Strukturfärbung
für die Industrie und eröffnen auch Laien die Möglichkeit, eigene Designs zu entwerfen. Thomas Auzinger,
Erstautor und Postdoc am IST Austria, wird die Arbeit auf der Computergrafik-Konferenz SIGGRAPH 2018 vorstellen.
IST Austria-Forscher sind dieses Jahr an insgesamt fünf Präsentationen auf dieser renommierten Konferenz
beteiligt.
Die veränderlichen Farben eines Chamäleons und die schillernden Blau- und Grüntöne des Blauen
Morphofalters sind neben vielen anderen in der Natur das Ergebnis von Strukturfärbungen. Dabei verursachen
Nanostrukturen Interferenzen im Licht, was makroskopisch betrachtet zu einer Vielzahl von Farben führt. Die
Strukturfärbung hat Vorteile gegenüber der Färbung mit Pigmenten, doch bis vor kurzem war die Herstellung
der nötigen Nanostrukturen limitiert und nur durch hochspezialisierte Methoden möglich. Neue Verfahren
wie etwa "Direct-Laser-Writing" ermöglichen jetzt aber das Drucken im Bereich einiger hundert Nanometer,
was etwa einem Hundertstel bis zu einem Tausendstel der Dicke eines menschlichen Haares entspricht. Dabei sind
die Beschaffungskosten vergleichbar mit denen eines hochwertigen industriellen 3D-Druckers, was Wissenschaftlern
die Möglichkeiten eröffnet, mit Strukturfärbung zu experimentieren.
Bisher wurde hauptsächlich mit Nanostrukturen experimentiert, die in der Natur vorkommen, sowie mit einfachen,
regelmäßigen nanostrukturellen Designs wie zum Beispiel einer regelmäßigen Anordnung von
Nanosäulen. Thomas Auzinger und Bernd Bickel vom IST Austria haben nun zusammen mit Wolfgang Heidrich vom
KAUST einen innovativen neuen Ansatz gewählt, der sich von bisherigen Forschungen in mehreren wesentlichen
Punkten unterscheidet. Statt die in der Natur vorkommenden Strukturen zu reproduzieren, drehen sie die Frage um
und lösen die sogenannte „inverse“ Problemstellung: Der Benutzer gibt die gewünschte Farbe ein, und darauf
basierend erzeugt der Computer das Nanostrukturmuster, das diese Farbe erzeugt. „Unser Design-Tool ist außerdem
komplett automatisch", sagt Thomas Auzinger. „Von Seiten des Benutzers ist kein zusätzlicher Aufwand
erforderlich."
Der zweite wesentliche Unterschied zu bisherigen Verfahren besteht darin, dass die Nanostrukturen der Druckanleitung
keinem bestimmten Muster folgen und keine regelmäßige Struktur haben. Sie scheinen zufällig zusammengesetzt
zu sein, was eine radikale Abkehr von früheren Methoden darstellt und viele Vorteile bringt. „Wenn man die
Vorlage ansieht, die der Computer erzeugt, kann man an der Struktur nicht erkennen, ob es ein Muster für blau
oder rot oder grün ist", erklärt Auzinger. „Das bedeutet, der Computer findet Lösungen, die
wir als Menschen nie gefunden hätten. Diese Freiformstruktur ist extrem leistungsstark: Sie ermöglicht
eine größere Flexibilität und eröffnet Möglichkeiten für zusätzliche Farbeffekte."
Mit dem Design-Tool kann man auch richtungsabhängige Farbeffekte erzeugen, beispielsweise ein Quadrat, das
aus einem bestimmten Winkel rot und aus einem anderem blau erscheint.
Zudem sind frühere Bemühungen auch bei der Herstellung ins Stocken geraten: Die Entwürfe waren oft
nicht druckbar. Das neue Design-Tool garantiert jedoch, dass der Benutzer eine druckbare Vorlage erhält, was
die Methode für den Einsatz in der Industrie äußerst nützlich macht. „Mit dem Design-Tool
können neue Farben und andere Werkzeuge prototypisiert und interessante Strukturen gefunden werden, die industriell
herstellbar sind", ergänzt Auzinger. Erste Tests des Design-Tools haben bereits zu erfolgreichen Ergebnissen
geführt. „Es ist faszinierend, dass etwas, das ganz aus klaren Materialien besteht, farbig erscheint, nur
aufgrund von Strukturen, die für das menschliche Auge unsichtbar sind", sagt Bernd Bickel, Professor
am IST Austria, „wir freuen uns schon darauf, mit weiteren Materialien zu experimentieren und das Portfolio an
Effekten, die wir erreichen können, noch zu erweitern."
„Ich finde es besonders aufregend zu sehen, dass computergestützten Tools eine immer wichtigere Rolle in der
Fertigung spielen", fügt Auzinger hinzu, „und es ist noch spannender, die Ausweitung des Begriffs der
Computergrafik auf physische und nicht nur virtuellen Bildern zu beobachten."
Projektseite (einschließlich Originalpublikation): http://visualcomputing.ist.ac.at/publications/2018/StructCol/
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