Neues Programm ermöglicht es Laien, langlebige Spritzgussformen zu erstellen. Ergebnis
wird auf der Topkonferenz SIGGRAPH 2018 präsentiert
Tokio/Klosterneuburg (ist) - Die meisten Plastikobjekte werden im Spritzgussverfahren hergestellt, aber
die dafür notwendigen Gussformen zu erstellen ist eine herausfordernde Aufgabe, die bisher Expertenwissen
erforderte. Computerwissenschaftler des Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), der Universität
Tokio und von CONICET haben nun ein interaktives Design-Tool entwickelt, das es auch Laien ermöglicht, Gussformen
für ein Objekt ihrer Wahl zu erstellen. Die Software wird auf der diesjährigen renommierten SIGGRAPH-Konferenz
präsentiert, als eine von fünf erfolgreichen Einreichungen mit IST Austria-Beteiligung.
Spritzguss ist eine der weitverbreitetsten Methode für die Massenproduktion von Objekten. Im Wesentlichen
werden zwei oder mehr Teile einer Gussform zusammengefügt, wobei die Form des gewünschten Objekts frei
bleibt. Während der Herstellung wird eine Flüssigkeit in diesen Hohlraum eingebracht, die dann aushärtet.
Sobald sich die Flüssigkeit verfestigt hat, werden die Teile der Form entfernt, und das fertige Objekt bleibt
zurück. Während der Prozess an sich konzeptionell einfach ist, ist das Design der Gussform extrem schwierig,
und eine Vielzahl von Gesichtspunkten müssen beachtet werden. Wie sollte das Objekt ausgerichtet und geteilt
werden, sodass die Teile der Gussform entfernt werden können? Wenn das Objekt hohl sein soll, wie kann es
in Stücke zerleget werden? Figuren mit Henkeln oder Löchern führen zu weiteren Komplikationen, ebenso
wie ästhetische Überlegungen, wie das Vermeiden einer Trennlinie durch ein Gesicht.
Bei der Massenfertigung werden die hohen Kosten des anfänglichen Formentwurfs durch die niedrigen Produktionskosten
pro Exemplar kompensiert. Für einen Designer, der nur kleine Mengen produzieren lässt, oder für
einen Laien, der mit Spritzgussformen experimentieren möchte, ist es jedoch nicht möglich, einen professionellen
Gussformentwickler zu beauftragen oder die Formen ohne Hilfe zu kreieren. Auch das 3D-Drucken der gewünschten
Anzahl von Objekten wäre viel zu zeit- und ressourcenintensiv.
„CoreCavity“ bietet eine Lösung dieses Problems an, denn das neue interaktive Design-Tool ermöglicht
es den Nutzern, Formen für die Erstellung hohler, frei geformter Objekte schnell und einfach zu entwerfen.
Die Software, die von Kazutaka Nakashima, einem Doktoranden der Universität Tokio, der das IST Austria besuchte,
Thomas Auzinger (IST Austria), Emmanuel Iarussi (CONICET, IST Austria), Ran Zhang (IST Austria), Takeo Igarashi
(Universität Tokio) und Bernd Bickel (IST Austria) entwickelt wurde, eröffnet Möglichkeiten für
kleine Unternehmen und Amateure. Auf der Basis einer 3D-Darstellung analysiert die Software das Objekt und erstellt
eine dünne Hülle, die im Wesentlichen eine hohle Version des Objekts ist. Dabei werden kleine Lücken
als solide betrachtet, was eine weitere Innovation darstellt. Die Software schlägt dann eine Zerlegung des
Objekts in Einzelteile vor, von denen jedes in einer eigenen Gussform erzeugt wird. Auch ist das Programm in der
Lage, geringfügige Änderungen am ursprünglichen Design vorzuschlagen, beispielsweise um kleine Haken
zu beseitigen, die das Herauslösen aus der Form erschweren könnten. "Bisherige Tools konnten solche
Änderungen nicht vorschlagen", sagt Thomas Auzinger, Postdoc am IST Austria. Der Benutzer kann die Zerteilung
einfach durch Anklicken anpassen und alle vorgeschlagenen Änderungen akzeptieren oder ablehnen. Ist der Benutzer
zufrieden, erstellt die Software automatisch die Formvorlagen, die dann 3D-gedruckt werden und für das Gießen
bereitstehen.
Die vom Design-Tool vorgeschlagenen Zerlegungen sind oft überraschend: "Der Computer ist in der Lage,
Lösungen zu finden die erst auf den zweiten Blick intuitiv sind", sagt Bernd Bickel, Professor am IST
Austria. "Die beiden Hälften des Hasen haben zum Beispiel eine geschwungene, komplizierte Verbindung
- für einen Menschen wäre es extrem schwer gewesen, auf diese Lösung zu kommen." Sowohl Designer
in der Industrie als auch bisherige Designprogramme setzen im Allgemeinen auf gerade Schnitte durch das Objekt.
In der Praxis führt dies oft zu einer größeren Anzahl von Einzelteilen sowie zu „unnatürlichen"
Unterteilungen. "Das Software-Tool könnte auch in der Industrie sehr nützlich sein - es würde
nahtlos in den Produktionsprozess passen", fügt Bickel hinzu.
Die Forscher haben bereits einige ihrer Formen in einer Spritzgussfabrik in der Nähe von Linz getestet. "Die
Fabrikmitarbeiter waren überrascht, wie einfach es war, die fertigen Objekte zu entnehmen und wie langlebig
die 3D-gedruckten Formen waren. Auch nach der Herstellung von hundert Objekten funktionierten die Formen noch",
sagt Auzinger. Dennoch hat das Team bereits weitere Verbesserungen im Sinn. Eine Idee ist die Einbeziehung von
Verbindungselementen, die zusammenschnappen, um das Zusammenfügen der Einzelteile zu erleichtern.
Weitere Informationen (einschließlich Originalpublikation und Video):
http://visualcomputing.ist.ac.at/publications/2018/CoreCavity/
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