LHStv. Pernkopf: Hausverstand, Vernunft und Vorsicht
St. Pölten (nlk) - In den letzten sechs Wochen habe es in Niederösterreich 31 Wolfsrisse gegeben,
wobei sich alle Schafe in umzäunten Arealen befunden hätten. In ganz Europa lebten rund 30.000 Wölfe,
hauptsächlich in dünn besiedelten Gebieten. Der Zuwachs von über 30 Prozent pro Jahr sei gerade
in Niederösterreich – mit 15 Wölfen innerhalb der letzten zwei Jahre im Waldviertel – stark spürbar,
erinnerte LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf am 22. August in St. Pölten, wo die ersten ausgewerteten Teilaspekte
einer vom Kuratorium Wald in Auftrag gegebenen Studie zur Einstellung der Bevölkerung zur Rückkehr der
Wölfe präsentiert wurden. „Dabei zeigt sich, dass es nicht nur um eine große Bedrohung der Tierhaltung,
sondern auch um Fragen des Tourismus und der Gesellschaft insgesamt geht“, hielt Pernkopf fest.
Sophie Karmasin erläuterte die Anfang Juli und damit noch vor den Ereignissen der letzten Wochen durchgeführte
repräsentative Umfrage: Einerseits seien über 1.000 Personen in ganz Österreich befragt worden,
andererseits auch Tourismus- und Wirtschaftsbetriebe. „Dabei zeigt sich, dass die Menschen dem Thema zwar grundsätzlich
neutral bis eher positiv gegenüberstehen, im Detail die klar negativen Aspekte aber deutlich zutage treten“,
so Karmasin. Negative Auswirkungen würden demnach von 69 Prozent auf die Landwirtschaft und von 56 Prozent
in Bezug auf andere Tiere erwartet. Jeweils 31 Prozent erwarten sich aber auch negative Auswirkungen auf Familien-
und Schulausflüge bzw. den Tourismus.
Insgesamt ortete die Motivforscherin ein sehr hohes Interesse: Drei Viertel der Befragten würde ihre Kinder
und Enkelkinder warnen, ein Drittel würde sein alltägliches Verhalten ändern und den Wald meiden
bzw. Sportaktivitäten, das Sammeln von Pilzen etc. einschränken. Rund die Hälfte der Befragten gab
an, sich Gedanken über die Gefahren zu machen, für 37 Prozent müsste er überhaupt in einem
anderen Bundesland und für 25 Prozent zumindest in einem anderen Bezirk leben, um sich keine derartigen Gedanken
zu machen.
Auch ein Drittel der Wirtschaftsbetriebe erwartet laut der Studie dementsprechende selbst auferlegte Einschränkungen
ihrer Gäste, rund 25 Prozent befürchten ein negatives Image, ca. 16 Prozent sprechen bereits jetzt von
weniger Gästen. Über die Hälfte der Wirtschaftstreibenden vermutet Sorge der Gäste um ihre
freilaufenden Tiere, 24 Prozent befürchten negative Auswirkungen auf die gesamte Region.
Vor diesem Hintergrund betonte Pernkopf: „Hausverstand, Vernunft und Vorsicht müssen ganz oben auf der Agenda
stehen. Die Begeisterung für den Wolf wächst offensichtlich mit der Entfernung von ihm, aber in der Nähe
möchte man ihn nicht haben. Tier- und Artenschutz darf nie eindimensional sein, schließlich leiden auch
die Schafe. Maßnahmen sind das natürlichste auf der Welt, der Mensch muss eingreifen, wenn es notwendig
ist“. Dabei halte und orientiere man sich an dem Österreichischen Wolfmanagementplan, den die Bundesländer
und Naturschutzorganisationen gemeinsam mit der Wissenschaft ausgearbeitet haben bzw. setze man nun die darin vorgesehenen
Maßnahmen um.
Niederösterreich lasse seine Bauern nicht im Stich, so der LH-Stellvertreter weiter, und zahle Entschädigungen
aus: „Aber die Freilandhaltung deckt den Tisch für Raubtiere, und ein Bauer ist nicht der Futtermittelproduzent
für Wölfe“. An weiteren Maßnahmen nannte er neben Pilotprojekten zum Herdenschutz, verstärkter
Beratungen für Zäune und einer wissenschaftlichen Besenderung der Allentsteiger Population die angeordneten
Vergrämungsmaßnahmen, weil die Wölfe ihre Scheu nicht verlieren dürften: „Diese Bescheide
der Bezirksverwaltungsbehörden gelten vorerst bis Jahresende, wenn sie wirken, wird es auch keine weiteren
Maßnahmen geben. Die Sicherheit der Menschen steht aber an oberster Stelle, und bislang hat noch kein Wolfexperte
die Gefahr für Menschen komplett ausschließen können. Entnahmen als letzte Konsequenz sind daher
auch laut österreichischen Wolfmanagement-Plan nicht auszuschließen“.
Zudem forderte Pernkopf, dass die EU umdenken müsse: „Der Wolf ist in Europa schon lange nicht mehr gefährdet,
eine Änderung des Schutzstatus wird daher notwendig sein. Bereits jetzt gibt es ja Regionen, wo Wölfe
entnommen werden“.
Walter Arnold vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität
Wien merkte u. a. an, dass aus fachlicher Sicht eine bedingungslose „Rückkehrerlaubnis“ der Wölfe zu
hinterfragen sei: „Wildtiere müssen nach den Bedürfnissen der Menschen gemanagt werden. Rotwild etwa
ist in Süddeutschland auch nur marginal geduldet und muss sonst ausgerottet werden“. In Bezug auf das exponentielle
Wachstum der Population, das genaue Prognosen zulasse, erinnerte er daran, dass in Deutschland derzeit rund 500
Tiere in 17 Rudeln lebten, pro Jahr kämen 200 bis 220 Welpen dazu. Auf Reviersuche legten die Wölfe bei
etwa 50 Tageskilometern insgesamt 1.000 bis 1.500 Kilometer zurück, auch die beiden Gründungseltern des
Allentsteiger Rudels seien aus dem ersten deutschen Wolfsrudel in der Lausitz in Sachsen gekommen.
„In der Regel ist der Wolf für den Menschen ungefährlich, ein Wolf ist aber ein Raubtier, eine Gefährdung
kann nie ausgeschlossen werden. Tiere mit einem derartigen Zuwachspotential dürfen in einer Kulturlandschaft
nicht sich selber überlassen werden“, so Arnold abschließend.
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