Abschiedsinterview als Diakonie-Direktor
Wien (epdÖ) – „Ich glaube, dass die Diakonie nicht nur ein sozialer Dienstleister unter vielen sein
kann, sondern auch ein Problemlöser. Das heißt, wenn wir irgendwo Probleme sehen, dann machen wir Vorschläge,
wie man das verbessern kann. Die Diakonie ist an der Seite der Menschen, sie wirkt unter dem Kreuz.“ 24 Jahre lang
war Michael Chalupka Direktor der Diakonie Österreich, einer der fünf größten österreichischen
Hilfsorganisationen mit rund 600 Standorten. Am 1. September folgt ihm Pfarrerin Maria Katharina Moser als erste
Frau in dieser Funktion nach. Der Evangelische Pressedienst hat mit Chalupka kurz vor seiner Amtsübergabe
gesprochen und nach prägenden Momenten der letzten zweieinhalb Jahrzehnte, den Umgang mit sozialen Medien
und seiner beruflichen Zukunft gefragt.
„Politisch war eines der wichtigsten Dinge, dass wir von Anfang an in der Armutskonferenz mitgearbeitet haben“,
meint Chalupka rückblickend. 1995 war Chalupka in seinem zweiten Jahr als Diakonie-Direktor Mitinitiator des
Netzwerks. Als besonderen Erfolg hebt Chalupka hervor, „dass es uns gelungen ist, 2010 die Mindestsicherung einzuführen.
Davor gab es ja nur die Sozialhilfe, die sehr der Willkür der Behörden ausgesetzt und in allen Bundesländern
unterschiedlich war.“ Mit Blick auf die Ende 2017 erfolgte Übergabe der Mindestsicherung in die Verantwortung
der Bundesländer und die daraufhin erfolgten Kürzungen insbesondere für Flüchtlinge sieht Chalupka
jedoch die große Herausforderung, „dafür zu arbeiten, dass diese mindeste Sicherung gewahrt bleibt.“
„Kirchen dürfen nicht immer nur auftreten als die, die fordern“
Im kirchlichen Bereich erinnert sich der Pfarrer Chalupka besonders gerne an die Mitarbeit am zwischen 2000 und
2003 entstandenen Ökumenischen Sozialwort: „Dort hatte ich das Glück, für die Evangelischen Kirchen
in der Endredaktion zu sitzen.“ In vielen Bereichen seien die Positionen des Papiers heute noch gültig, teilweise
vermisst Chalupka aber auch die Erfüllung der Aufgaben, die sich die Kirchen damals selbst gestellt hätten,
„zum Beispiel ein Prozent des kirchlichen Haushalts für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung
zu stellen.“ Das sei nicht in allen Kirchen umgesetzt, „bei uns in manchen Bereichen. Wichtig ist es, dass die
Diskussion weitergeht und die Kirchen es für sich selber realisieren und nicht auftreten als die, die immer
nur fordern.“ Dennoch sei das, was damals gelungen ist, besonders: „Einerseits ökumenisch, dass es im Unterschied
zum deutschen Sozialwort kein rein katholisch-evangelisches Produkt war, sondern auch die Orthodoxie und die kleineren
Kirchen dazu beigetragen haben; andererseits, dass das Sozialwort dann auch in vielen Gesprächen vom Kanzler
abwärts, mit MinisterInnen, aber auch in Brüssel eine wichtige Basis des Dialogs war.“
„Beteilige mich nicht an Politikerbashing“
Von den vielen politischen EntscheidungsträgerInnen auf höchster Ebene, mit denen Chalupka in den vergangenen
24 Jahren zu tun hatte, schätzte er besonders die Zusammenarbeit mit Sozialministerin Eleonore Hostasch (SPÖ,
1997-2000), aber auch Herbert Haupt (FPÖ, 2000-2005), dem insbesondere der Behindertenbereich ein großes
Anliegen gewesen sei. Wenig abgewinnen kann Chalupka vorschnellen Verurteilungen von politischen EntscheidungsträgerInnen:
„Grundsätzlich habe ich die Haltung, dass Menschen Politiker geworden sind, weil sie Menschen helfen wollen.
Das tun sie auf verschiedene Weisen, aber es ist wichtig, ihnen so zu begegnen und nicht irgendwas zu unterstellen.“
Er wolle sich nicht an einem Politiker- und Parteienbashing beteiligen, „weil das demokratiegefährdend ist.“
Italienische Waldenser als zweite kirchliche Heimat
In der Diskussion um die Bedeutung der Digitalisierung für Kirchen zieht Chalupka deutliche Grenzen. Soziale
Medien könnten helfen, Kontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten, auch in der Kirche und über die
Begegnung im sonntäglichen Gottesdienst und die eigenen Landesgrenzen hinaus. Er selbst kommuniziere zum Beispiel
sehr viel „mit meiner zweiten kirchlichen Heimat, der Waldenserkirche in Italien“ – dort hat Chalupka drei Jahre
lang gearbeitet – über Facebook. „Auch das müssen wir uns immer wieder bewusst machen: Das Kreuz und
die Kirche sind universelle Zeichen und können nie national gedacht werden. Das Tolle an der diakonischen
Arbeit ist, dass es überall in der Welt Brüder und Schwestern gibt, mit denen ich in Kontakt treten kann.“
Dennoch: „Die Kraftzentren werden auch in Zukunft die Gemeinden bleiben.“ Soziale Medien könnten den persönlichen
Bezug nie ersetzen. Von virtuellen Gemeinden halte er nur sehr wenig: „Das kann nur ein Zusatz sein.“
„Was er mit mir vorhat, weiß nur der Heilige Geist“
KritikerInnen, denen das evangelische Profil der Diakonie nicht deutlich genug ausgeprägt ist, hält Chalupka
entgegen: „Wir wissen was uns antreibt. Das ist eben das Evangelium, das jeden Menschen als Ebenbild Gottes und
die Würde des Menschen in dieser Ebenbildlichkeit begründet sieht.“ Es sei ein Kern des Evangeliums,
auf der Seite derer zu stehen, „die in Armut leben, behindert sind, in Not leben, auch auf Seite der Fremden.“
Es beeindrucke ihn, dass es hier, anders als in den meisten Themenbereichen, keine Flügel in der Kirche gibt:
„Alle haben hier dasselbe Verständnis.“
Seine eigene berufliche Zukunft ist für Chalupka zumindest kurzfristig geklärt. Im September übernimmt
er – eher ungeplant, wie er sagt – als Karenzvertretung die Geschäftsführung der Diakonie Bildung. Auf
die Frage, wo er sich in zwei oder drei Jahren sehe, meint Chalupka nur: „Es war nie meine Aufgabe das zu wissen.
Was er mit mir vorhat, weiß nur der Heilige Geist.“
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